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ISO 9000 im Gesundheitswesen

Kritische Würdigung eines betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstruments aus Sicht des soziologischen Neo-Institutionalismus

AutorStefan Schad
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl141 Seiten
ISBN9783656113799
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Soziologie - Wirtschaft und Industrie, Note: 1,7, Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Soziologie), Sprache: Deutsch, Abstract: 'Sollte es zutreffen, dass das 21. Jahrhundert zum Jahrhundert der Qualität wird - im Gegensatz zum 20. Jahrhundert, als dem der Produktivität - , dann gilt es vor allem die existenzsichernden Möglichkeiten eines (modernen) Qualitätsmanagements für den internationalen Wettbewerb auszubauen' (Pfundtner 2001 nach Zollondz 2002, S. 189). Kein Zweifel: Qualität und Qualitätsmanagementsysteme sind aus den Gesellschaften dieses Jahrhunderts und den dort anzutreffenden Organisationslandschaften nicht mehr wegzudenken. Von den mehr als 18.000 Standards, welche die International Organization for Standardization (ISO) für nahezu alle Wirtschafts- und Technologiebereiche definiert hat, haben sich die Normen der ISO 9000er Reihe am weitesten verbreitet und den höchsten Bekanntheitsgrad erreicht. Mit Stand von Ende Dezember 2008 sind mit einem Absatzplus von drei Prozentpunkten - der Krise zum Trotz - nahezu 983.000 ISO 9000 Zertifikate in 176 Nationen vergeben, welche einer Organisation die erfolgreiche Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems nach dem Vorbild der ISO 9000 beurkunden (vgl. www.dqs.de 2009). Von einer Verwendung der Norm versprechen sich die Akteure diverse positive Effekte. Mithin stehen ökonomische Zielgrößen wie Effizienzerhöhungen, Prozessverbesserungen, Kostenreduktion, Fehlervermeidung sowie die Erwartung an einen künftigen monetären Nutzen ebenso im Vordergrund wie soziale Zielgrößen, welche sich in Form von Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie der Allokation von Vertrauen in qualitativ einwandfreie Produkte und Dienstleistungen manifestieren (vgl. Schwarze 2003, S. 46f). Allerdings - und diese Kritik liest sich häufig - vermag der Einsatz von Qualitätsmanagementsystemen längst noch keine Entstehung technisch ausgefeilter Endprodukte zu gewährleisten (vgl. Walgenbach 1998, S. 138).

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Leseprobe

2. Soziologischer Neo-Institutionalismus


 

2.1 Einführung


 

Die vorliegende Arbeit setzt auf die Thesen, Forschungsbeiträge und Ergebnisse der neo-institutionalistischen Organisationstheorie (Meyer/Rowan 1977; Zucker 1977; DiMaggio/Powell 1983). Der soziologische Neo-Institutionalismus zählt heute zu einer der führenden Organisationstheorien und wird im amerikanischen Raum neben dem Population Ecology-Ansatz[1], in dem zunehmend auch institutionalistische Argumentationsketten integriert werden, bereits als die führende Organisationstheorie bezeichnet (vgl. Walgenbach 2008, S.11; Hervorhebung im Original). Ihr Erfolg spiegelt sich in der Häufigkeit, mit der ihre grundlegenden Arbeiten zitiert werden, aber auch in der Vielzahl der in bedeutenden Fachzeitschriften veröffentlichten Studien und besonders darin, dass Elemente des Neo-Institutionalismus immer häufiger in andere Organisationstheorien integriert und mit diesen kombiniert werden, wider (vgl. ebd.)[2]. Wie das Präfix „Neo“ bereits andeutet, sind institutionalistische Betrachtungsweisen in der Organisationssoziologie kein neues Thema. Beide Theoriestränge (Neuer und Alter Institutionalismus) betrachten klassische „rational-actor models”[3] der Organisationstheorie mit Skepsis und stellen ein dazu divergierendes Modell vor. DiMaggio und Powell - zwei der wichtigsten Vertreter des Neo-Institutionalismus - erklären, dass Institutionalisierungsprozesse rationale Verhaltensweise von Akteuren limitieren: „each [approach] views institutionalization as a state-dependent process that makes organizations less instrumentally rational by limiting the options they can pursue“ (DiMaggio/Powell 1991, S.12). Zwar sind beide Ansätze unter dem Dach des „open systems views“[4] zu subsumieren und nehmen jeweils den Umweltbegriff in ihr Erkenntnisinteresse auf, dennoch unterscheiden sie sich in der Konzeptualisierung ebendieser. Autoren älterer Werke[5] interpretieren Organisationen als „embedded in local communities, to which they are tied by the multiple loyalities of personnel and interorganizational treaties“ (DiMaggio/Powell 1991, S.13). Die neo- institutionalistische Argumentationsfigur wiederum betont die Existenz von Organisationen in “nonlocal environments, either organizational sectors or fields roughly conterminous with the boundaries of industries, professions or national societies” (ebd.). Diesem Argument liegt die Annahme zugrunde, dass die Umwelt in subtiler Weise Einfluss auf die Organisationen ausübt.

 

„Rather than being co-opted by organizations, they [environments] penetrate the organization, creating the lenses through which actors view the world and the very categories of structure, action, and thought“ (ebd.)[6].

 

Die , für alle Folgeargumentationen elementare Begrifflichkeiten und Denkweisen des soziologischen Neo- Institutionalismus herauszuarbeiten und für die weiteren Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit darzulegen. Die neo-institutionalistische Perspektive erklärt die Entstehung organisationsstruktureller Elemente sowie deren Verbreitung und Verwendung divergierend zur Argumentation der klassisch betriebswirtschaftlichrationalen Organisationstheorie. Die im folgenden vorgestellten Begriffe und Werke dienen einerseits der Veranschaulichung der institutionalistischen Idee, sie sollen es dem Leser ermöglichen über geronnene ökonomische Selbstverständlichkeiten hinaus Organisationen in ihrem umweltbezogenen Dasein, als Konglomerat standardisierter Elemente, „institutionalistisch“ zu „erleben“. Andererseits sind sie zwingend notwendig, um der Argumentationskette dieser Arbeit zu folgen und die im Titel verankerte „kritische Würdigung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente“ anhand neo-institutionalistischer Argumente auf einer wissenschaftlich-theoretischen Ebene nachvollziehen, sowie gegebenenfalls kritisch hinterfragen zu können.

 

2.2 Institutionen und Institutionalisierung


 

Seit der Entstehung der „Soziologie“, wird diese immer wieder mit dem Begriff der Institution assoziiert. Emile Durkheim (1895), als einer der Gründer der Disziplin, definiert Soziologie bereits wie folgt:

 

„On peut [...] appeler institutions, toutes les croyances et tous les modes de conduite institués par la collectivité. La sociologie peut être alors définie comme la science des institutions, de leur genèse et de leur fonctionnement“ (Durkheim 1895, S. XXII-XXIII).

 

Er bezeichnet die Soziologie als Wissenschaft der Institutionen, ihrer Entstehung und Wirkungsart[7]. Die Auseinandersetzung mit dem Institutionenbegriff als Wesensmerkmal ihrer Disziplin, wird besonders von Neo-Institutionalisten selbst als auch von Wissenschaftlern mit neo-institutionalistischem Forschungsinteresse aufgegriffen und ausgearbeitet. „Sociologists have all along argued, that institutions have consequences for social and economic action“ (Nee 1998, S. 1).

 

Die definitorische Auslegung von „Institutionen“ divergiert deutlich zwischen Wissenschaft und Alltagssprache. Die in den Medien und Alltagssituationen verwendete Bedeutung versteht unter einer „Institution“ all das, was mehr oder weniger zu einer regelmäßigen oder festen Einrichtung geworden ist. Angefangen bei einem Handschlag zum Gruß bis zum Feuerwerk am Jahreswechsel ist der Alltagsbegriff „Institution“ sehr weit gefasst (vgl. Hasse/Krücken 2005a, S. 14). Für wissenschaftliche Untersuchungen hingegen ist eine genauere Begriffseinschränkung unumgänglich (vgl. Kieserling 2004, S. 291f). Doch zeigt sich auch bei wissenschaftlichen Definitionsversuchen, dass der Begriff oftmals abhängig vom verwendeten Zusammenhang und je nach Fachspezifität andere Nuancen und Gewichtungen enthält[8].

 

Eine klassische Definition von Institutionen findet sich bei Durkheim (1895). In ihrer Funktion als soziologischer Tatbestand[9] kann man „alle Glaubensvorstellungen und durch die Gesellschaft festgesetzte Verhaltensweisen Institutionen nennen“ (Durkheim 1950 [1895], S. 100). All diesen Definitionen ist gemein, dass sie Institutionen als verbundene Verhaltensweisen von Akteuren beschreiben, die allerdings nicht dem Belieben der Akteure obliegen, sondern von der Gesellschaft geregelt und erzwungen werden können (vgl. Esser 2000, S. 4). Damit unterscheiden sich Institutionen einerseits von Regelmäßigkeiten des Handelns, die nicht an Erwartungen gekoppelt sind oder durch Sanktionen erzwingbar werden. Andererseits sind Institutionen nicht Synonym für Organisationen. Zwar sind Institutionen - bspw. formell geregelte Mitgliedschaften - integraler Bestandteil aller Organisationen, diese beinhalten allerdings, neben institutionellen Strukturen und Regelungen, auch informelle Vorgänge und Machtverteilungen, welche die Geltung institutioneller Regelungen innerhalb der Organisation beeinträchtigen können (vgl. ebd.).

 

Am fruchtbarsten für den reflektierten Zusammenhang erscheint die Beschreibung einer Institution im organisationswissenschaftlichen Sinne nach DiMaggio und Powell. Sie beschreiben institutionalisierte Elemente der formalen Organisationsstruktur - die eine branchenweite, nationale oder internationale Verbreitung aufweisen - eine Institution (vgl. DiMaggio/Powell 1991, S.9). Um hier den Verdacht einer Tautologie zu unterbinden, muss zunächst geklärt werden, was unter Institutionalisierung zu verstehen ist.

 

Institutionalisierung ist ein Begriff, der in zweierlei Hinsicht gedeutet werden kann. Zum einen nimmt er Bezug auf einen Prozess und zum anderen auf einen Zustand. In seiner Bedeutung als prozessuales Konzept, versteht man Institutionalisierung als den Vorgang, durch den sich soziale Beziehungen und Handlungen zu Selbstverständlichkeiten entwickeln, die nicht mehr hinterfragt werden (vgl. Walgenbach 2006, S. 355). Schreyögg formuliert dies als einen Vorgang, der kognitive und habituelle Muster an Verbindlichkeit gewinnen lässt und ihnen somit den Charakter von geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetzen verleiht (vgl. Schreyögg 2003, S.64). Institutionalisierung als Zustand „bezeichnet Situationen, in denen die in einer Gesellschaft bestehenden Vorstellungen bestimmen, was welche Bedeutung besitzt und welche Handlungen möglich sind“ (ebd.).

 

„Institutionalized rules are classifications built into society as reciprocated typifications or interpretations. Such rules may be simply taken for granted or may be supported by public opinion or the force of law” (Meyer/Rowan 1977, S. 341).

 

Eine anschauliche Interpretation von Institutionalisierung nach Walgenbach beschreibt einen Tatbestand dann als institutionalisiert, wenn es jedem mit standardisierten Argumenten möglich ist, dessen Existenz zu erklären und seinen Zweck zu erläutern (vgl. Walgenbach 2006, S. 355).

 

Ferner soll - in Anlehnung an Türk - auf die Gefahr der inflationären Verwendung des Institutionsbegriffs hingewiesen werden. Würde man jegliche habitualisierte Konversation, jede geronnene Gewohnheit, der die Fähigkeit innewohnt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben[10], als Institution bezeichnen, wäre der Institutionsbegriff kongruent zu sozialen Tatsachen nach Durkheimischer (1895) Lesart. Ein differenzierend-analytischer Umgang mit Institutionen wäre innerhalb der soziologischen Disziplin nicht mehr möglich, es würde lediglich eine terminologische Abgrenzung zu anderen...

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