In diesem Kapitel wird die Entwicklung der Massenmedien beschrieben und mit der heutigen Kommunikation verglichen. Außerdem wird untersucht, ob die einzelnen vorgestellten Kommunikationsmodelle in der Plattform YouTube angewandt werden können.
Diese Bachelor-Thesis betrachtet Videoinhalte, die letztendlich ein Produkt des Massenkommunikationsmittels Internet sind. Anhand der Darlegung verschiedener kommunikationstheoretischer Ansätze und Theorien soll zunächst eine Grundlage geschaffen werden, um zu prüfen, ob es eine allgemeingültige Aussage darüber gibt, nach welchen Kategorien diese Form der Massenkommunikation eingeordnet wird und welche Beweggründe es gibt, “Let’sPlay”-Videos zu anzusehen.
Dazu wird eine bekannte Definition von Massenkommunikation des Medientheoretikers Gerhard Maletzke (1963; aus der Vor-Internet-Zeit) aufgeführt:
„Unter Massenkommunikation verstehen wir jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft) durch technische Verbreitungsmittel (Medien) indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zw. Aussagenden und Aufnehmenden) an ein disperses Publikum vermittelt werden.“
Aus dieser Definition von Maletzke geht hervor, dass Massenkommunikation als einseitig beschrieben wird und insbesondere keine unmittelbare Rückmeldung oder Interaktion zulässt; weiterhin, dass erst durch ein technisches Medium Aussagen einseitig massenhaft verbreitet werden. Der Rundfunk ist nach dieser Definition ein bekanntes Beispiel, denn es gibt keine direkte Möglichkeit der Interaktion. Eine zeitlich verzögerte Interaktion bzw. Rückmeldung wäre in Form eines Telefonanrufs oder eines Leserbriefs an die jeweilige Rundfunkanstalt möglich.
Mit der Entwicklung des Internets und der damit verbundenen Möglichkeiten von Austausch, Interaktion und Rückmeldung ist diese Definition nach Maletzke zu hinterfragen. Neben den herkömmlichen Medien ist das Internet ein Massenmedium, in dem eine zwei- und mehrseitige Kommunikation stattfindet. Blogs, Chats, Soziale-Netzwerke, Foren und auch YouTube bieten die Möglichkeit, den Inhalt unmittelbar zu kommentieren. Am Beispiel der Kommentarfunktion in sozialen Netzwerken entsteht nun die Möglichkeit einer Interaktion die Maletzkes Definition von Massenmedien überholt. Seit Beginn der 1970er Jahre wandelte sich die bislang vorherrschende Betrachtungsweise von einer „medienzentrierten“ in eine „Rezipienten orientierte“ -Perspektive[12]. Dieser Perspektivenwechsel erzeugt aufgrund des interdisziplinären Charakters der Cultural Studies unterschiedliche Definitionsansätze verschiedener Theoretiker zu diesem Bereich[13]. Es gibt bislang kein eindeutiges Modell um das Feld der Medientheorie zu definieren. Jedes Modell beschränkt sich in seiner eigenen Reichweite, ist vom Zeitraum her begrenzt haltbar und weist demnach nur eine eingeschränkte Tragweite in dem untersuchten Forschungsgebiet[14] auf.
In Bezug auf die Definition von Maletzke und in Bezug auf die Massenkommunikation formuliert der Kulturtheoretiker Raymond Williams, dass eine Medienanalyse immer im Kontext erfolgen muss und nicht als abgeschlossenes System betrachtet werden kann[15].
Die mehrschichtige Betrachtungsweise (nach technischen, quantitativen und inhaltlichen Vorgaben) dieser Bachelor-Thesis vermeidet eine einseitige Betrachtungsweise. Dieser kommunikationstheoretische Teil dient dazu, etablierte Modelle im Bereich der Medienwirkungsforschung zu deuten und aufzuzeigen.
Im Nachfolgenden wird der „Uses-and-Gratification-Approach“ (dt: Nutzenansatz) vorgestellt und anhand von YouTube und “Let’s Play” erläutert. Außerdem wird in diesem Zusammenhang überprüft, ob trotz der sogenannten „Informationsfreiheit“ im Internet die Videoplattform YouTube eine „Agenda-Setting-Funktion“ (dt: Thematisierungsfunktion) einnimmt, und wie diese in Form von “Let’s Play” angewandt wird.
Neben dem Uses-and-Gratification-Approach und der Agenda-Setting-Theorie existieren noch eine Vielzahl an Modellen, die ebenso zu würdigen wären. Aufgrund der Zielsetzung und zeitlichen Begrenzung dieser Bachelor-Thesis wird dazu keine weitere Betrachtung vorgenommen.
Wie einleitend erwähnt, verzeichnet das Internet seit Ende der 1990er Jahre einen rasanten Anstieg der Nutzung und bringt dadurch auch neue Nutzungsformen hervor. Der Rezipient interagiert nicht nur mit Medien, sondern erzeugt selbst neue Inhalte oder ist zumindest an deren Entstehungsprozessen beteiligt.
Eine Begründung für die soziale Interaktion von Rezipienten geht nach einer Studie von Lazarsfeld in „The People’s Choice“[16] hervor. Obwohl darin die empirische Erhebung auf der Auswertung einer Wahlwerbung basiert, kann eine Parallele zu der Bewertungsfunktion von YouTube gezogen werden. Lazarfeld weist in seiner Studie selektives Verhalten der Wähler (Rezipienten) in Bezug auf das Verhalten bei der Präsidentenwahl in den USA nach.
Diese rezipientenorientierte Betrachtungsweise brachte die Theorie des Uses-and-Gratification-Ansatz[17] hervor, sowie den Begriff eines „aktiven Publikums“. Der Ansatz vom aktiven Publikum geht davon aus, dass sich Rezipienten Medien aufgrund individueller Bedürfnisse und Motive zuwenden und die Medientexte einen Einfluss auf die Zuschauer ausüben[18]. Die Bewertungsfunktion eines Videos der Plattform YouTube wird durch einen „Bewertungsdaumen“ durchgeführt. Positive Bewertungen erhalten einen Daumen nach oben und negative Bewertungen einen Daumen nach unten. Die Anzahl der positiven und negativen Daumen sind anschließend unter dem Video sichtbar. Am Beispiel des Bewertungssystems zeigt sich, dass es vom User abhängt, ob er mittels Bewertungsfunktion oder auch Kommentarfunktion interagieren möchte. Ein selektives Zuwendungsverhalten der Nutzer wird anhand der Klickzahlen eines erfolgreichen Videos auf YouTube deutlich. Eine Klickzahl von beispielsweise 6 Millionen eines Videos erzeugt keine 6 Millionen Kommentare auf YouTube. Der Kontext des Videoinhalts und das Interaktionsbedürfnis des Zuschauers spielen eine entscheidende Rolle, um einen Kommentar zu schreiben oder ein Video zu bewerten[19]. Unter anderem wird dem Uses-and-Gratification-Approach eine Bedürfnisbefriedigung der Rezipienten zugesprochen. Eine Art der Bedürfnisbefriedigung ist die erwartete Gratifikation, die durch massenmedial vermittelte Inhalte erfolgt. Dabei muss beachtet werden, dass hierbei inhaltsunabhängig gedacht werden muss. Unterschiedliche Zuschauertypen ziehen sich unterschiedliche Gratifikationen aus dem gleichen Video: Eine Person möchte Näheres über die Thematik erfahren, um gegebenenfalls eine Kaufentscheidung zu treffen; eine zweite Person sympathisiert mit dem Videoautor und schaut aus Gewohnheit jedes Video an, weil sie ein Fan ist und den YouTube-Kanal abonniert hat.
Der Gratifikationsansatz, als Teil der Cultural Studies, wurde zwischenzeitlich unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert und kritisiert. Die kommunikationstheoretischen Ansätze wurden immer wieder inhaltlich vertieft und von unterschiedlichen Medientheoretikern und Soziologen ergänzt. Zu den verschiedenen Theorien und Ansätzen kann gesagt werden, dass schwerpunktmäßig weiterhin sowohl die Beobachtung des Rezipienten als auch ein vertiefter Kontext in Bezug auf massenmediale Kommunikation erfolgt[20].
Die bisherigen Beobachtungen zu den Cultural Studies dokumentieren überwiegend die Auswirkungen und nicht die Ursachen. Die Kategorie „Let’s Play“ bildet dabei eine der neueren Ausprägungen des Medienkonsums auf YouTube.
Anhand Kapitel 2.1 wurde deutlich, dass die Definition nach Maletzke überholt ist und die kommunikationtheoretischen Erkenntnisse sich zu einer Rezipienten-orientierten Betrachtungsweise entwickelt haben.
Im Folgenden werden verschiedene Kommunikationsmodelle vorgestellt. Der Begriff “Social Media” (dt: soziale Netzwerke) bildet eine Grundlage für die Kommunikation innerhalb der Plattform YouTube.
Die One-to-One Kommunikation entspringt einer Zeit, in der ein Medium noch nicht technisch reproduzierbar war und Informationen von Person zu Person „händisch“ weitergetragen wurden. Im Bereich von Social Media entspricht dieses Modell einer Einzelansprache einer Person durch eine E-Mail. In der Informationstechnik spricht man auch von Point-to-Point (dt: Punkt-zu-Punkt) Kommunikation.
Die One-to-Many Kommunikation findet ihren Ursprung in klassischen Massenkommunikationsmedien wie Print...