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E-Book

Nationales oder kosmopolitisches Europa?

Fallstudien zur Medienöffentlichkeit in Europa

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl278 Seiten
ISBN9783531914077
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR


Dr. Melanie Tatur ist Professorin am Institut für Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt.

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Leseprobe
Die öffentliche (Nicht-)Wahrnehmung der EU als Akteur in der Außen- und Sicherheitspolitik (S. 211-212)

Matthias Hofferberth

1 Einleitung

Das Projekt einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik scheint (spätestens) seit den gescheiterten Koordinierungsversuchen im Winter 2002/Frühjahr 2003 für oder gegen eine militärische Intervention im Irak für viele Beobachter in Frage gestellt bzw. sogar gescheitert. In den Verhandlungen traten die konträren Positionen der verschiedenen Mitgliedsstaaten deutlich hervor und ließen sich nicht miteinander vereinbaren. Die gegensätzlichen Positionen – Frankreich und Deutschland auf der einen Seite, welche eine militärische Intervention strikt ablehnten und England, Spanien und Polen als Befürworter einer militärischen Intervention auf der anderen Seite – konnten während den Verhandlungen nicht ausgeglichen werden.

Während England, Spanien und Polen sich aktiv am Irakkrieg beteiligten, betrieben die Franzosen und die Deutschen eine Strategie der „Totalopposition" (Müller 2004: 43). Zu einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik ist es nicht gekommen. Ähnliche Gegensätze hinsichtlich der Frage nach einer gemeinsamen Außenpolitik taten sich erneut während der Vertragsverhandlungen in Brüssel im Rahmen des EU-Gipfels 2007 auf. Während zahlreiche Staaten das Projekt einer gemeinsamen EU-Außenpolitik begrüßten, verhinderte eine (primär britische) Intervention die weitere Institutionalisierung eines gemeinsamen europäischen Außenministers.

Nicht zuletzt wegen dieser deutlichen Divergenzen hat die schon lange geführte Debatte über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eine zentrale Bedeutung für das „Projekt Europa" und für eine gemeinsame „europäische Identität". Der Maßstab für ein erfolgreiches europäisches Projekt liegt neben der wirtschaftlichen Integration auch in der Herausbildung einer überzeugenden politischen Einigung, deren Kern eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik darstellt. Wiewohl der Posten eines europäischen Außenministers nicht in Brüssel eingeführt wurde, wird eine „gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik […] auf der Agenda der europäischen Tagesordnung bleiben und könnte das nächste große Projekt der europäischen Einigung bilden" (Woyke 2001: 18).

Daher geht dieser Beitrag davon aus, dass die öffentliche Wahrnehmung der EU als außenpolitischer Akteur eine kritische Rolle für Euro- pa einnimmt. Nur wenn jenseits der wirtschaftlichen Integration eine politische Integration in der öffentlichen Wahrnehmung eine Rolle spielt, kann das „Projekt Europa" erfolgreich sein und sich eine europäische Identität entwickeln. Von dieser Bedeutung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ausgehend, möchte der Beitrag die (Nicht-) Wahrnehmung der Europäischen Union als eigenständiger Akteur in den deutschen Printmedien im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik untersuchen. Konkret soll analysiert werden, ob und wie die EU als Akteur während zwei großer Konflikte in Afrika – Somalia 1993/95 und Westsudan 2004/05 – in den deutschen Medien präsentiert wurde.

Fokus dieses Beitrages ist somit die Rekonstruktion von Öffentlichkeit und Wahrnehmung der EU innerhalb des nationalen Kommunikationsraums Deutschlands. Konkret werden dabei zwei Ebenen der Konflikte untersucht. Zum einen wird analysiert, aus welcher Perspektive der Konflikt betrachtet und gelöst werden soll („Akteursebene"), zum anderen wird untersucht, auf welcher Ebene der Konflikt als Bedrohung wahrgenommen wird („Problemebene"). Der Zeitraum von zehn Jahren zwischen den Konflikten ermöglicht dabei die Frage nach einem möglichen Wandel im deutschen „Wissensvorrat" über die EU als außenpolitischer Akteur.

Um die Fragestellung nach der (Nicht-)Wahrnehmung der EU als außenpolitischer Akteur beantworten zu können, gliedert sich der Beitrag wie folgt: Im folgenden Abschnitt werden die beiden Krisen als außenpolitische Herausforderung dargestellt. Im Anschluss an die Methode dieses Sammelbandes wird im folgenden Abschnitt die Generierung des Textkorpus dargestellt. Die Ergebnisse der Analyse werden anschließend im vierten Kapitel präsentiert.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Vorwort7
Nationales oder kosmopolitisches Europa? Einleitung zu und Schlussfolgerungen aus den Fallstudien8
1 Demokratie und Öffentlichkeit: Europäisches „Demokratie- und Öffentlichkeitsdefizit“ vs. „europäische Öffentlichkeit in nascendi“10
2 Ansätze und empirische Befunde: Europäische Öffentlichkeit oder europäische Inkorporation?19
3 Kommunikation und Öffentlichkeit: der europäische Kommunikationszusammenhang als para-nationaler „Kommunikationsraum“ oder als kosmopolitische Öffentlichkeit?28
4 Die in diesem Band zusammengestellten Fallstudien: Vorgehen und Gegenstand42
5 Schlussfolgerungen: „Supranationalisierung“ vs. „Internationalisierung“ nationaler Öffentlichkeiten und Diskurse als Durchsetzungsstrategien51
Literaturverweise64
Transnationale Diskursgemeinschaften? – „Europa“ als Hintergrunddebatte der Irakkrise 2003 in linksliberalen Medien in Deutschland und Großbritannien69
1 Europas „ewiges Dreieck“ – die Wahrnehmung der innereuropäischen Konflikte in The Guardian71
2 Antiamerikanismus – die Nichtwahrnehmung der innereuropäischen Konflikte in Le Monde Diplomatique81
3 Der „Riss“ in Europa – die Wahrnehmung der innereuropäischen Konflikte in der Süddeutschen Zeitung83
4 Vergleichende Zusammenfassung91
Diskursive Generierung „europäischer Identität“? Resonanzen auf die Habermas/Derrida Initiative in Deutschland und Polen95
1 Textkorpus und die Resonanz der Debatte in Deutschland und Polen96
2 Ergebnisse der Medientextanalyse97
3 Zusammenfassung106
4 Schlussbetrachtungen108
Literatur111
Anhang111
Getrennt vereint? – Die Debatte um die Europäische Verfassung in den drei großen Ländern der EU117
1 Forschungsfragen und Ausgangsvermutungen118
2 Nationale Verfassungstraditionen120
3 Bedeutung Europas für die nationalstaatliche Identität130
4 Europapolitische Leitbilder134
5 Empirische Analyse141
6 Ergebnisse im Hinblick auf die Ausgangshypothesen162
7 Ausblick: Der EU-Verfassungsvertrag – ein brüchiger Formelkompromiss?166
Literatur167
Zeitungsartikel170
„Europa“ als Gegenstand nationaler Mobilisierung und Demobilisierung – Der Brüsseler Gipfel 2007 zum „Reformvertrag“ in der deutschen, französischen, britischen und polnischen Presse171
1 Hintergrundinformationen zum Verlauf der „Ereignisse“172
2 Sichtbarmachung der Akteure und Positionierungen176
3 Thematisierungen und Framing des Ereignisses „Reformvertrag“182
4 Transnationale kommunikative Interaktion190
5 Zentrum und Peripherie in Europa: der Sonderfall Polen194
6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen197
EU-Erweiterung nach „Kleinasien“? Medien-Debatten um den Türkei-Beitritt in Deutschland und Frankreich200
1 Thema und Fragestellung der Untersuchung200
2 Beschreibung des Textkorpus und Methoden der Analyse201
3 Ergebnisse202
4 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse205
Die öffentliche (Nicht-)Wahrnehmung der EU als Akteur in der Außen- und Sicherheitspolitik207
1 Einleitung207
2 Somalia und Sudan als außenpolitische Herausforderungen und die deutsche (Nicht-)Wahrnehmung der EU208
3 Zur Auswahl und Begründung des Textkorpus210
4 Die Bearbeitung des Textkorpus211
5 Die (Nicht-)Wahrnehmung der EU während des Somalia-Konflikts213
6 Die (Nicht-)Wahrnehmung der EU während des Sudan-Konflikts214
7 Fazit und Ausblick215
Literatur217
Einbettung und Vernetzung? Allgemeine und Expertenöffentlichkeit – in der Debatte über die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP)219
1 Gegenstand und Fragestellung219
2 Vorgehensweise223
3 Ergebnisse226
4 Zusammenfassung229
Literatur230
Das Europäische Sozialmodell in Debatten des Europäischen Parlaments233
1 Fragestellung: Gesagt und gedacht – Europa als Modell233
2 Das Sozialmodell im Europäischen Parlament235
3 Bilanz – Das Sozialmodell bleibt in der Debatte246
Literatur246
Das bulgarische Geschichtsverständnis im Spannungsfeld sowjetischer Vergangenheitsmythen und europäischer Lesart.248
1 Methodische Vorüberlegungen249
2 Ergebnisse252
3 Zusammenfassende Überlegungen257
Zwischen Macht- und Ordnungspolitik: Russländische Mediendiskurse über die „orangene Revolution“258
4 Methodische Konzeption und Durchführung261
5 Ergebnisse266
6 Schlussfolgerungen275
Literatur278

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