In einigen Bundesländern kommt der Widerspruchsklausur neben der Urteilsklausur eine bedeutende Rolle zu. In Nordrhein-Westfalen wurde der Widerspruch nun Übergangsweise ebenfalls im Wesentlichen abgeschafft. Allerdings gibt es auch hier einige Konstellationen, in denen ein Widerspruchsverfahren durchlaufen werden muss. Das Gutachten stellt keine vollständige Darstellung aller Probleme dar, die bereits Teil des ersten Staatsexamens sind. Bei der Darstellung wird vielmehr auf die Probleme hingewiesen, die sich insbesondere in der Widerspruchsklausur stellen können. Ansonsten werden nur die wichtigsten Aspekte aufgezeigt.
ein Gutachten ist der Ausformulierung des Widerspruchsbescheides voranzustellen, soweit dies nach der Aufgabenstellung gefordert ist
es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz[8] gem. § 24 VwVfG, § 86 VwGO
der Widerspruch ist ein förmlicher Rechtsbehelf; alle anderen Rechtsbehelfe, wie z.B. die Dienstoder Fachaufsichtsbeschwerde, sind formlos, fristlos und kostenlos aber meist auch erfolglos (§ 80 VwVfG gilt nur für den Widerspruch)
die Abgrenzung zum Widerspruch erfolgt analog § 69 VwGO i.V.m. §§ 133, 157 BGB; insb. bei § 54 I BeamtStG ist die Auslegung des Willens kein Problem
im Zweifel will der Bürger den Rechtsbehelf wählen, der ihn am Besten schützt und mit dem er in der Sache Erfolg haben wird,[9] also grds. den Widerspruch
Fachaufsichtsbeschwerde ist gerichtet gegen den sachlichen Inhalt einer Maßnahme, insb. sofern Widerspruch nicht mögl. ist, da kein VA vorliegt, die Widerspruchsbefugnis fehlt oder ein Widerspruch unstatthaft oder verfristet ist
die Dienstaufsichtsbeschwerde richtet sich gegen das persönliche Verhalten des Beamten und ist gerichtet an den Dienstvorgesetzten
die Gegenvorstellung stellt sich dar als Anregung zur Aufhebung/Änderung einer Maßnahme, insb. falls Bürger eine Maßnahme selbst für rechtmäßig hält oder ein VA bestandskräftig ist, und die Eingabe des Bürgers daher als bloße Anregung zu verstehen ist
ein gemischter Rechtsbehelf ist auch möglich, z.B. gleichzeitige Dienstund Fachaufsichtsbeschwerde oder daneben ein Widerspruch
grds. ergeben sich hier keine Probleme; daher muss nur kurz festgestellt werden, dass der Widerspruch den Bürger am besten schützt, insb. wenn der Bürger seine Eingabe selbst als Widerspruch bezeichnet, da dies auch auf den Widerspruch hinweist, auch wenn eine falsche Bezeichnung nicht schadet (falsa demonstratio)
die Widerspruchsbehörde ist zuständig, sofern das Abhilfeverfahren bereits durchgeführt wurde; ohne Verfahren ist der Widerspruchsbescheid rechtswidrig;[10] das Verfahren vor der Ausgangsbehörde ist aber nicht nötig, falls Ausgangsund Widerspruchsbehörde zusammenfallen, in diesen Fällen ergeht immer ein Widerspruchsbescheid selbst wenn dem Widerspruch abgeholfen wird
ein Spezialgesetz geht immer vor: so z.B. § 54 III BeamtStG oder § 99 I, II SGB XII
sonst gilt die Zuständigkeitsregelung des § 73 I 2 Nr. 1-3 VwGO:
nach Nr. 2 und 3 ist die Ausgangsbehörde zuständig, sofern die nächsthöhere Behörde eine oberster Behörde ist oder es sich um Angelegenheiten der Selbstverwaltung handelt; ansonsten ist nach Nr. 1 die nächsthöhere Behörde zuständig
die Ausgangsbehörde entscheidet gem. § 73 I 3 VwGO, sofern dies durch das Gesetz zugelassen ist
ggf. hat bei erstmaliger Beschwer durch den Widerspruchsbescheid muss vor der Entscheidung eine Anhörung erfolgen
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges analog § 40 I 1 VwGO
grds. bereits gegeben, da ein VA vorliegen wird, gegen den sich der Widerspruchsführer wendet
ggf. gelten Sonderzuweisungen z.B. gem. § 54 I BeamtStG
II. Statthaftigkeit des Widerspruch nach § 68 I bzw. II VwGO
sofern sich eine Anfechtungsoder Verpflichtungsklage anschließen kann, d.h. sofern ein VA beanstandet wird
es dürfen keine Gründe nach § 68 I 2 VwGO vorliegen, die zur Unstatthaftigkeit führen; dies gilt allerdings nicht bei Beamten, hier ist auch in den Fällen des § 68 I 2 VwGO ein Widerspruchsverfahren durchzuführen
darüber hinaus kann eine spezielle Norm, für Beamte folgt dies wieder aus § 54 II BeamtStG, vorschreiben, dass selbst in Fällen einer Feststellungsoder Leistungsklage erst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist; dies gilt dann selbst für den ansonsten nicht zulässigen Fortsetzungsfestellungswiderspruch, als Vorverfahren zur Fortsetzungsfeststellungsklage
ein Widerspruch ist auch statthaft gegen einen feststellenden VA oder einen Zweitbescheid (dieser enthält einen neuen Inhalt oder eine neue Regelung)
dieser ist auch statthaft gegen einen VA der eine Erlaubnis (nicht) gewährt, mit der Begründung, dass die beabsichtigte Tätigkeit erlaubnisfrei sei; obwohl für die Feststellung der Erlaubnisfreiheit eine Feststellungsklage nötig wäre, da der Widerspruch gegen den ganzen VA gerichtet ist und die Behörde bei einem stattgebenden Urteil an die Auffassung des Gerichts auch bzgl. der Erlaubnisfreiheit wegen der Rechtskraft nach § 121 VwGO gebunden ist
dagegen ist ein Widerspruch nicht statthaft gegen die bloße Wiederholung eines VA (dieser enthält meist nur einen Verweis auf den ersten Bescheid), eine öffentlich-rechtliche Aufrechnungserklärung oder die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (da dies zivilrechtlich und nicht hoheitlich ist), sowie gegen nicht eigenständige Regelungen nach § 44a VwGO oder vorbeugend gegen einen noch nicht erlassenen VA
III. Widerspruchsbefugnis analog § 42 I VwGO
im Widerspruchsverfahren wird sowohl die Rechtsverletzung als auch die Beeinträchtigung seiner Interessen durch Zweckwidrigkeit geprüft[11]
dies erfolgt auch hier nach der Adressatenformel bei einem Anfechtungswiderspruch, der Möglichkeitstheorie bei einem Verpflichtungswiderspruch bzw. nach der Schutznormtheorie bei Drittbetroffenheit
die Befugnis liegt auch vor, auch falls ein begünstigenden VA eine Erlaubnis erhält, wenn der Widerspruchsführer der Meinung ist, dass das Verhalten erlaubnisfrei ist (s.o.) oder durch eine gewährte Sondernutzungsgenehmigung zusätzliche Kosten entstehen
IV. Form § 70 I 1 VwGO
grds. ist der Widerspruch zu unterschreiben, außer es ist eindeutig erkennbar, dass ein Entäußerungswille vorliegt und wer der Urheber ist, dies gilt insb. wenn ein vertiefte Kenntnis des Sachverhalts zu erkennen, aus der auf die Urheberschaft des Widerspruchsführers zu schließen ist, z.B. bei Tatsachen die nur der Adressat des Ausgangsbescheids kennen kann
bei einem Fax muss zumindest Original unterschrieben sein
bei einem Computerfax ist der Widerspruch sogar ohne eine Unterschrift gültig; wegen §§ 79 VwGO i.V.m. § 3a II VwVfG genügt eine elektronische Signatur, sofern die Behörde nach § 3a I VwVfG eine Möglichkeit anbietet, auf diesem Wege elektronische Dokumente einzurechen
bei einer E-Mail ist ebenfalls eine elektronische Signatur erforderlich
V. Frist § 70 I 1 VwGO
Ablauf der Fristprüfung: wurde eine Frist in Gang gesetzt, wann ist der Fristbeginn, wann ist die abgelaufen, kommt ggf. eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in Betracht
1. Frist in Gang gesetzt:
es gilt keine Frist für einen beamtenrechtlichen Widerspruch, wenn dieser nicht gegen VA gerichtet ist, da die Frist nach dem Wortlaut des § 70 VwGO nur bei einem VA gilt; daher greift ggf. nur Verwirkung ein; für eine Klage gilt dann allerdings wiederum die Klagefrist, da diese immer ab Zustellung des Widerspruchsbescheid läuft gem. § 74 VwGO
ohne eine Bekanntgabe bzw. Zustellung läuft überhaupt keine Frist; dann gilt nicht mal nach die Jahresfrist nach § 58 II VwGO, sondern wieder nur die Verwirkung
a) Bekanntgabe nach § 43 VwVfG:[12]
formlos und grds. mit der Fiktion des Zugangs nach § 41 II VwVfG ab Abgabe zur Post; für die Fiktion ist es aber unerheblich, ob der Fristbeginn auf einen Sonnoder Feiertag fällt, da dies nur für das Fristende gilt; ist der Bescheid tatsächlich erst später zugegangen gilt dies gem. § 41 II 3 VwVfG nicht und es gilt der tatsächliche Zugang
bei einer formlosen Bekanntgabe kann der Bescheid zulässigerweise auch an den Bürger gesendet werden,...