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Sterben ohne Leiden. Selbstbestimmt dank Patientenverfügung

Selbstbestimmt dank Patientenverfügung

AutorAndreas Otto, Daniel Fischer, Swenja Rolfes
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl193 Seiten
ISBN9783656498407
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
In Würde zu sterben ist der Wunsch eines jeden Menschen. Und möglichst frei von Leiden soll es sein. An Maschinen angeschlossen zu sein und so am Leben erhalten zu werden, ist für viele Menschen eine Horrorvorstellung, gepaart mit der Angst, das Selbstbestimmungsrecht bei der Behandlung zu verlieren. Mit einer Patientenverfügung können Sie selbst festlegen, wie Sie sterben möchten. Doch wie funktioniert das genau? Für wen und wann ist sie sinnvoll? Dieses Buch klärt die wichtigsten Fragen rund um Patientenverfügungen und ihre rechtlichen Grundlagen. Aus dem Inhalt: Definition der Patientenverfügung, Historische Entwicklung, Rechtliche Grundlagen, Anforderungen an eine Patientenverfügung, Autonomie des Patienten.

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Leseprobe

Problemstellung und Vorgehensweise

Der enorme Fortschritt in der Medizin hat es möglich gemacht, Krankheiten in kürzester Zeit z.B. mittels Antibiotika zu heilen, die noch vor einhundert Jahren tödlich verliefen. Magnetresonanztomographie und ähnliche Verfahren helfen, minimal invasiv Gewebeanomalien oder Verletzungen zu lokalisieren, wo früher ein Einblick nicht möglich war, wie z.B. innerhalb des Gehirns. Strahlen- und Chemotherapie werden immer wirksamer im Kampf gegen Krebs. Die Lebenserwartung konnte erheblich verlängert werden. Moderne Intensivmedizin erlaubt es auch, den Ausfall ganzer Organe durch Maschinen zu kompensieren und einen Menschen noch über Jahre hinweg am Leben zu erhalten, während er früher noch innerhalb von Tagen oder Stunden verstarb.

Allerdings beunruhigt die künstliche Lebensverlängerung mittels Intensivmedizin die Menschen zunehmend. Viele fürchten sich vor Übertherapie und einer aus ihrer Sicht sinnlosen Verlängerung des Sterbeprozesses verbunden mit einer Verlängerung des Leidens.[3] Daher beschäftigen sich mehr und mehr Bürger mit der Frage, wie sie ihr Lebensende und ihr Sterben gestalten wollen sowie der Frage, wie sie ihren Willen durchsetzen können, wenn sie ihn nicht mehr nach außen kundtun können.[4] In diesem Zusammenhang wurden sogenannte Patientenverfügungen zuletzt heftig im Bundestag diskutiert – wie man an den drei Gesetzentwürfen erkennen kann – die auch nach Verlust jeglicher Kommunikations- und/oder Einwilligungsfähigkeit den in gesunden Tagen gefassten Willen überbringen sollen. Dabei kam ein „Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts“ heraus, womit die Patientenverfügung ab 01.09.2009 im BGB geregelt sein wird.

Diese Arbeit soll einen Einblick in die Dimensionen jener Problematik geben. Am Anfang stehen die Grundlagen wie Begriffsdefinition und Abgrenzungen. Nach dieser Grundlagenarbeit wird der medizinische Hintergrund der Diskussion anhand von zwei Krankheitsbildern aufgezeigt, die typischerweise Anlass für die Abfassung einer Patientenverfügung sind. Schließlich soll diese Thematik aus der Sicht der betroffenen Grundrechte, des Straf- sowie des Zivilrechts beleuchtet werden. Ein Exkurs in die rechtliche Lage des Lebensendes in Belgien wird gegeben. Es erfolgt eine Darstellung der bisherigen Rechtslage im Zivilrecht, sodann die Präsentation der künftigen Rechtslage ab 01.09.2009. Auch das Arzthaftungsrecht spielt eine Rolle. Zusammenfassung und Ausblick bilden den Abschluss. Bei den §§ des „Dritte[n] Gesetz[es] zur Änderung des Betreuungsrechts“ wird auf Drucksache 593/09[5] Bezug genommen. Zur Vereinfachung wird bei den §§ das Kürzel „n.F.“ angefügt.

Patientenverfügung im Detail

Der Begriff „Patientenverfügung“ war bislang gesetzlich nicht normiert. Auch ist der Wortlaut „Verfügung“ unscharf. Folglich ist es erforderlich, zunächst die neue gesetzliche Definition des Begriffes „Patientenverfügung“ zu betrachten und von anderen rechtlichen Termini abzugrenzen.

Definition „Patientenverfügung“

Gemäß § 1901a I S.3 BGB n.F. wird in der schriftlichen Patientenverfügung antizipiert von einem Volljährigen in gesunden Tagen der Wille geäußert, was später medizinisch in bestimmten Situationen geschehen oder unterlassen werden soll, wenn man zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr einwilligungsfähig ist. Sie umfasst Fragen der Behandlung der Haupterkrankung, z.B. künstliche Beatmung im Koma, wie auch von auftretenden Nebenerscheinungen, z.B. Antibiotikabehandlung gegen eine Lungenentzündung, wer den Patientenwillen durchsetzen soll, sofern man dies nicht bereits separat z.B. in einer Betreuungsverfügung geregelt hat, etc.[6] So soll eine selbstgestaltete Kontrolle des Lebensendes gewährleistet und der Patientenautonomie aus Art. 2 I GG Ausdruck verliehen werden. Mit „bestimmte“ kommt zum Ausdruck, dass die konkrete Behandlungssituation zu schildern ist. Formulierungen wie „wenn ich nur noch daliege, will ich nicht mehr behandelt werden“, sind davon nicht umfasst.[7]

Abgrenzung von der Willenserklärung

Wichtig ist die Unterscheidung von Patientenverfügung und Willenserklärungen, da sich dies auf die Bindungswirkung auswirkt. Unter einer Willenserklärung ist eine auf Erreichung einer bestimmten Rechtsfolge abzielende Willensäußerung einer Person zu verstehen.[8] Es muss also ein Rechtsbindungswille[9] vorliegen. Eine Willenserklärung kann gem. § 130 I S. 2 BGB nur bis zum Zugang selbiger widerrufen werden. Dies dient dem Vertrauensschutz im Rechtsverkehr.[10] Schließlich ist für den Widerruf Geschäftsfähigkeit gem. § 104 BGB nötig, da sie sonst gem. § 105 BGB nichtig ist.

Eine Patientenverfügung hingegen zielt nicht auf eine Rechtsfolge ab, sondern stellt tatsächliches Handeln dar, ist mithin also kein Rechtsgeschäft.[11] Auch muss der Rechtsverkehr nicht geschützt werden, weil es nur den Patienten höchstpersönlich betrifft. Weiterhin ist davon auszugehen, dass sich der Patient aufgrund der möglicherweise tödlichen Folgen nicht binden lassen will. Schließlich ist allgemein[12] anerkannt und nun auch unter § 1901a I S.3 BGB n.F. normiert, dass eine Patientenverfügung jederzeit widerruflich sein soll. Dies ergibt sich bereits aus dem Lebensschutz gem. Art. 2 II S. 1 GG. Es ist aufgrund des Lebensschutzes auch keine Geschäftsfähigkeit für den Widerruf erforderlich. Stattdessen genügt die Einsichtsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, Umfang und Folgen seines Handelns erkennen zu können.[13] Auch Gesten, Handzeichen oder Anzeichen von Lebensfreude können den Willensumschwung zum Ausdruck bringen.[14] Eine Patientenverfügung ist daher als reine Willensäußerung[15] zu verstehen.

Abgrenzung von der Verfügung

Unter einer Verfügung versteht man ein Rechtsgeschäft, das auf die unmittelbare Übertragung, Veränderung oder Aufhebung eines bestehenden Rechts gerichtet ist.[16] Allerdings wurde bereits festgestellt, dass eine Patientenverfügung keine Willenserklärung, mithin auch kein Rechtsgeschäft darstellt. Der Begriff „Verfügung“ ist somit rechtlich irreführend, hat sich jedoch in der Laiensprache eingebürgert.

Abgrenzung von der Vorsorgevollmacht

Wird eine Vollmacht zur Vornahme von Rechtshandlungen im Namen und mit Wirkung für den Vollmachtgeber für den Fall erteilt, dass man nicht mehr geschäftsfähig ist, bezeichnet man dies als Vorsorgevollmacht.[17] Sie kann alle Lebensbereiche, wie z.B. auch Wohnung[18] oder Familie[19] umfassen. Somit ist sie weiter als eine Patientenverfügung. Im Gegensatz zur Patientenverfügung bedarf es für einen Widerruf einer Vorsorgevollmacht jedoch der Geschäftsfähigkeit.[20]

Medizinischer Hintergrund

Um die Bedeutung der Thematik zu verstehen, ist es erforderlich die Patientenverfügung nicht nur rein juristisch, sondern zunächst medizinisch zu begutachten. Es soll daher ein kurzer Einblick in mögliche Krankheitsszenarien und der Folgen für die Beteiligten gewährt werden.

Bedeutung der Patientenverfügung anhand von Krankheitsbildern

Am Deutlichsten wird die Sachlage, wenn man sich ein Bild von denjenigen Krankheiten macht, die typischerweise mit der Abfassung einer Patientenverfügung verbunden sind. Das apallische Syndrom sowie Demenz sind Beispiele für Situationen, in denen alle in Mustervorlagen abgefragten Punkte zum Tragen kommen können.

Apallisches Syndrom

Das apallische Syndrom ist der Ausfall der Großhirnrinde aufgrund eines Hirnabbauprozesses, z.B. in Zusammenhang mit Sauerstoffunterversorgung, unter weiterhin bestehender Funktionalität des Hirnstammes.[21] Die Betroffenen sind zwar wach, können jedoch nicht mehr mit der Umwelt verbal oder durch Zeichen kommunizieren.[22] Jedoch sind sie durchaus häufig noch in der Lage, ihre Umwelt zumindest teilweise wahrzunehmen.[23] Ca. 20 % der Leidenden erwachen meist mit Folgeschäden innerhalb von drei Monaten.[24] Nur ca. 10 % der Betroffenen erwachen noch nach einem längeren Zeitraum als drei Monate und bleiben zeitlebens ein Pflegefall.[25] Die moderne Intensivmedizin ermöglicht ein Weiterleben in diesem Zustand für Jahre. Dass man bis zum Todeseintritt womöglich über Jahre oder Jahrzehnte hinweg auf der Intensivstation verbleibt, dabei die Möglichkeit zur Wahrnehmung der Umwelt besteht und man, bildlich gesprochen, bis an sein Lebensende die weiße Decke anstarren muss, stellt für viele Menschen ein nachvollziehbares Horrorszenario dar, welchem sie mittels einer Patientenverfügung entgehen möchten.

Demenz

Die Demenz ist ein über einen langen Zeitraum verlaufender Hirnabbauprozess.[26] Hierbei können sich die Patienten aufgrund der Betroffenheit des Kurzzeitgedächtnisses zunehmend nicht mehr an kürzlich vorgefallene Ereignisse erinnern und leben stattdessen in ihren vergangenen Erinnerungen.[27] Die Prozesse des Denkens, Verarbeitens von Informationen und intellektuell gesteuerten Handelns sind beeinträchtigt und nehmen mit Fortschreiten der Krankheit...

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