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E-Book

Bonhoeffer

Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet

AutorEric Metaxas
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2014
ReiheGroße Glaubensmänner 
Seitenanzahl768 Seiten
ISBN9783775170802
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
30. Januar 1933: Adolf Hitler wird deutscher Reichskanzler. Noch ahnt niemand, dass sein Regime Deutschland zerstören wird. Doch schon zwei Tage später warnt der junge Pastor Dietrich Bonhoeffer im Rundfunk vor dem 'Ver-Führer'. Nach langem inneren Ringen entscheidet er sich schließlich, als Doppelagent gegen Hitler zu arbeiten. Das kostet ihm 1945 im KZ Flossenbürg das Leben. Metaxas erzählt Bonhoeffers Geschichte und lässt ihn in zum Teil wenig bekannten Briefen zu Wort kommen. Sein entschiedener Glaube an Jesus Christus gab ihm die Kraft für sein mutiges Handeln. Für eine möglichst gute Lesbarkeit der Ahnentafel ist ein E-Book-Reader mit Zoom-Funktion erfoderlich. Inklusive vieler s/w-Bilder. Stand: 7. Auflage 2017

Eric Metaxas studierte an der Yale University und ist in Deutschland vor allem für seine Biografie über Bonhoeffer bekannt, die auf Deutsch in der siebten Auflage vorliegt. Seine Beiträge als Journalist erschienen u.a. in der New York Times, auf CNN und im Wall Street Journal.

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Leseprobe

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2. Kapitel


Tübingen

1923

Schon seit meinem 13. Lebensjahr war mir mein späteres Studium der Theologie klar.

Dietrich Bonhoeffer

Ein »Igel« in den Fußstapfen des »Alten Herrn«

Das Jahr 1923 brachte große Veränderungen für die Bonhoeffers, unter anderem die erste Heirat unter den Kindern. Die älteste Tochter Ursula ehelichte Rüdiger Schleicher, einen brillanten Juristen. Dessen Vater, ein Stuttgarter Arzt, war ein Freund und ehemaliger Kommilitone Karl Bonhoeffers aus seiner Tübinger Zeit. Auch Rüdiger studierte dort. Er war wie sein Vater Mitglied des »Igel«, einer studentischen Verbindung, zu der auch Karl Bonhoeffer gehörte. Er lernte seine zukünftige Frau kennen, als er in Berlin Karl Bonhoeffer als »Altem Herrn« des »Igel« einen Besuch abstattete. »Alter Herr« werden auch heute noch Mitglieder studentischer Verbindungen nach Abschluss ihres Studiums genannt.

Auch Maria Horn heiratete 1923. Ihr Mann, Richard Czeppan war ein beliebter Studienrat für klassische Sprachen am Grunewald-Gymnasium, der schon seit Jahren aus dem Leben in der Wangenheimstraße 14 nicht mehr wegzudenken war. Er hatte Klaus unterrichtet, spielte auf Familienfesten oft Klavier und war 1922 mit Dietrich durch Mecklenburg gewandert.

Karl-Friedrich wurde 1923 Assistent am renommierten Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie, wo er bald zwei Molekülzustände von Wasserstoffatomen nachweisen und voneinander trennen und so die intellektuelle Messlatte für seine ehrgeizigen Geschwister noch höher legen würde. Sein Erfolg als Physiker brachte ihm Einladungen von Spitzenuniversitäten in der ganzen Welt ein, darunter auch aus den USA. Sein Besuch dort sollte den Weg für Dietrichs Amerikareise einige Jahre später ebnen.

Und schließlich ging Dietrich 1923 aus dem Elternhaus, obwohl in dieser so eng zusammengewachsenen Familie niemand wirklich »ging«. Schon ein paar Jahre später zogen Christine und ihr Mann in ein Haus, das Christines Elternhaus gegenüberlag. In den Dreißigerjahren zogen Ursula und Rüdiger direkt neben das Bonhoeffer'sche Elternhaus in Charlottenburg. Besuche, Gegenbesuche und Telefonate waren so zahlreich, dass Dietrichs Freunde ihn damit aufzogen. Bereits 1924 sollte Dietrich nach Berlin zurückkehren, um dort weiterzustudieren und zurück ins Elternhaus zu ziehen. Einen großen Teil der nächsten zwanzig Jahre würde er unter dem Dach seiner Eltern wohnen, bis zu seiner Verhaftung 1943. Und doch: Sein Studium in Tübingen war für ihn und für seine Lieben ein einschneidendes Ereignis.

Ende April fuhr er zum Sommersemester nach Tübingen, begleitet von seiner Schwester Christine, die dort Biologie studierte. Die beiden wohnten bei der Großmutter, Julie Bonhoeffer, in der Neckarhalde 38. Die Eltern kamen oft zu Besuch. Bethge kommentiert: »Dennoch blieb er so fest im Familienkreise verwurzelt, wie das bei seinen Mitstudenten kaum üblich war. So gab es nur wenig, was er jetzt nicht erst recht mit den Eltern beraten hätte, ehe er seine eigenen Entschlüsse fasste.«71 Es war seit Karl Bonhoeffer Familientradition, dass die Bonhoeffers ihr Studium in Tübingen begannen.

Dietrich folgte also den Fußspuren seines Vaters sowie vieler Verwandter und trat der Studentenverbindung »Igel« bei. Der »Igel« war 1871 gegründet worden, im gleichen Jahr wie das Deutsche Reich, das nach dem Deutsch-Französischen Krieg die fünfundzwanzig deutschen Staaten und das neu hinzugewonnene Elsass-Lothringen unter der Führung Preußens vereinigte. Fast fünfzig Jahre lang sollte dieses Reich unter der Hohenzollern-Dynastie mit Kaiser Wilhelm I. und später Wilhelm II. bestehen. Der Kaiser war gegenüber den Oberhäuptern der übrigen Staaten offiziell der Erste unter Gleichen, auch wenn er große Vollmachten besaß und den Vorsitz im Bundesrat innehatte. Reichskanzler war (bis 1890) Otto von Bismarck, der als der »Eiserne Kanzler« bekannt wurde. Die »Igel« waren Patrioten, teilten aber nicht den nach 1871 verbreiteten nationalen Überschwang. So entschieden sie sich für den durchaus eigenartigen Namen der neuen Verbindung, trugen keine Farben und schlugen keine Bestimmungsmensuren.3 Damit fielen sie schon damals völlig aus dem Rahmen des Tübinger Verbindungswesens. Ihre Werte entsprachen denen der politisch moderaten Bonhoeffers, sodass Dietrich der Eintritt nicht schwerfiel. Er blieb jedoch unter seinen Brüdern der einzige »Igel«.

Die »Igel« trugen, wenn überhaupt, Spaß-Mützen aus Igelfellen. Mit ihren Spott-Farben – Hell-, Mittel- und Dunkelgrau – drehten sie den anderen Verbindungen, die sämtlich ein Faible für farbenfrohe Mützen und »Schmisse« hatten, eine Nase.

Die Bonhoeffers waren auch viel zu selbstbewusst, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken, indem sie sich schlugen. Sie waren weder Ultranationalisten noch Monarchisten. Aber Patrioten waren sie, sodass sie den Nationalstolz der »Igel« nicht unattraktiv fanden. Karl Bonhoeffer hat sich immer gerne an die Zeit beim »Igel« erinnert, freilich mit Ausnahme der Übung, dem Bier kräftig zuzusprechen. Zu seiner Zeit waren die meisten »Igel« politisch in der Mitte angesiedelt und hielten es mit dem alten, liberal eingestellten Kaiser und der Politik Bismarcks. Ihr burgähnliches Verbindungshaus lag auf dem Schlossberg auf den Höhen über der Stadt.

Jahre später beschrieb ein Bundesbruder Dietrich als einen »sehr selbstbewussten jungen Menschen … blond, blauäugig, sportlich geübt … gesellschaftlich ungemein gewandt, den meisten, mit denen er nun in Beziehung trat, an allgemeiner Bildung und geistiger Reaktionsfähigkeit überlegen – und dazu eben zum ersten Mal völlig selbstständig und der manchmal doch bedrückenden Tyrannis älterer Geschwister entrückt.«72

Für Deutschland war 1923 ein katastrophales Jahr. Die Reichsmark stürzte ins Bodenlose ab, bis man für ein Brot Millionen zahlen musste. Und das war noch nicht alles. Das Reich war unfähig, den Zahlungsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag nachzukommen. Als es 1922 um Zahlungsaufschub bat, lehnten die Franzosen dies als durchsichtigen Trick ab. Aber es war kein Trick, und Deutschland geriet alsbald in Verzug. Die Franzosen besetzten daraufhin das Ruhrgebiet. Der folgende wirtschaftliche Zusammenbruch ließ die Zustände von ein paar Monaten zuvor bald als gute alte Zeit erscheinen. Anfang November 1923 bekam man für einen Dollar 4,2 Billionen Papiermark.

Am 8. und 9. November versuchte Adolf Hitler die Gunst der Stunde mit seinem Putschversuch in München zu nutzen, um zunächst in Bayern die Macht an sich zu reißen – zu früh, wie sich zeigte. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und Hitler zu fünf Jahren Festungshaft in Landsberg am Lech verurteilt, die er zum Schreiben des ersten Bandes seines Buches Mein Kampf und für die Planung seiner nächsten Schritte nutzte.

In der Inflationszeit bekam Karl Bonhoeffer eine Lebensversicherung ausbezahlt. Mit den 100 000 Reichsmark, für die er Jahrzehnte eingezahlt hatte, konnte man jetzt nur noch eine Flasche Wein und ein Körbchen Erdbeeren kaufen. (Als das Geld dann da war, reichte es nur noch für die Erdbeeren.) Es war ein Segen, dass Karl Bonhoeffer viele Patienten aus dem Ausland behandelte, die ihm seine Honorare in ihrer eigenen Währung bezahlten. Ende Oktober 1923 schrieb Dietrich aus Tübingen, dass eine Mahlzeit jetzt eine Milliarde Mark koste. Er wolle gerne sein Essen auf zwei oder drei Wochen im Voraus bezahlen, aber: »Soviel Geld habe ich nun natürlich nicht vorrätig. Für Brot habe ich 6 Milliarden geben müssen.«73

Ein neues Mitglied der »Igel« wurde Fux genannt. Jeder Fux musste für das sogenannte Fuxenbuch der Verbindung einen kurzen Lebenslauf verfassen:

Lebenslauf
Am 4. Februar 1906 erblickte ich mit meiner Zwillingsschwester zum erstenmal in Breslau das Licht der Welt als Sohn des damaligen Universitätsprofessors Alter Herr Karl Bonhoeffer und meiner Mutter, geb. von Hase. Mit 6 Jahren verließ ich Schlesien, und wir zogen nach Berlin, wo ich in das Friedrich-Werder’sche Gymnasium eintrat. Durch unseren Umzug in den Grunewald kam ich in die dortige Schule, wo ich Ostern 1923 das Abitur bestand.

Schon seit meinem 13. Lebensjahr war mir mein späteres Studium der Theologie klar. Nur die Musik machte mich in den letzten zwei Jahren noch schwankend. Mein erstes Semester studiere ich hier in Tübingen, wo ich dann auch den üblichen Schritt jedes Altherrensohnes unternahm und Igel wurde. Zum Leibburschen wählte ich mir hier Fritz Schmid; mehr Vorteilhaftes habe ich über mich nicht zu bemerken.

Dietrich Bonhoeffer74

»… heute bin ich nun schon Soldat«

Der Versailler Vertrag traf Deutschland auch deswegen so hart, weil er die Wehrpflicht verbot. Deutschland war nur noch eine Berufsarmee von 100 000 Heeres- und 15 000 Marinesoldaten erlaubt. Dies kam einer Einladung zum nationalen Selbstmord gleich.

So konnte Russland praktisch jederzeit das Land von Osten her überrollen. Oder eine radikale Gruppe (und es gab gleich mehrere Kandidaten) konnte von innen heraus die Macht ergreifen, was beim Hitlerputsch 1923 gut hätte passieren können. Deutschland brauchte ein einsatzbereites Militär, was die Alliierten ihm jedoch nicht zugestanden. Die Deutschen suchten folgerichtig nach Möglichkeiten, das wachsame Auge der Alliierten Kontrollkommission zu umgehen. Eine Möglichkeit war die heimliche militärische Ausbildung von Studenten während des Semesters. Die so gebildeten...

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