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Die Geschichte meines Lebens (Autobiografie)

Memoiren des deutschen Ägyptologe und Schriftstellers, des Autors von 'Kleopatra', 'Eine ägyptische Königstochter', 'Homo sum' und 'Der Kaiser'

AutorGeorg Ebers
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl429 Seiten
ISBN9788026845409
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Die Geschichte meines Lebens (Autobiografie)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Georg Ebers (1837-1898) war ein deutscher Ägyptologe und Schriftsteller. Mit seinen historischen Romanen und populärwissenschaftlichen Büchern trug er zur großen Popularität der Ägyptologie im ausgehenden 19. Jahrhundert bei. Beginnend mit Eine ägyptische Königstochter (1864) verfasste Ebers zahlreiche historische Romane, die auf großes Leserinteresse stießen. Neben Felix Dahn gilt er als der bedeutendste Vertreter des 'Professorenromans'. Die Themen der Romane wählte er teilweise aus dem Umfeld seiner wissenschaftlichen Arbeit, also der ägyptischen Geschichte, aber auch aus anderen Epochen (Mittelalter). Aus dem Buch: 'Im Sommer wurden wir nicht selten in den jungen zoologischen Garten geführt und hatten besonders an der Possirlichkeit der Affen große Freude. Den Rehen und Hirschen im Zwinger und den Raubtieren im Käfig gegenüber empfand ich schon damals ein gewisses Mitleid, das sich später so sehr steigerte, daß mir dadurch mancher Besuch eines zoologischen Gartens verleidet wurde. In Keilhau fing ich einmal ein ganz junges Rehlein im Walde und freute mich sehr der schönen Beute. Es sollte mit unseren Kaninchen auferzogen werden, und ich hatte es auch schon ein gut Stück fortgetragen, als es mir plötzlich leid that und mir einfiel, wie seine Mutter sich über seinen Verlust grämen würde. Da trug ich es zu der Stelle zurück, wo ich es gefunden, und lief spornstreichs in die Anstalt zurück. Dort verschwieg ich anfangs diese 'Eselei'; denn ich schämte mich ihrer.'

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Leseprobe

Märchen und Wahrheit

Was damals im Allerheiligsten des Hauses, im Schlafzimmer der Mutter geschah, hat sich mir mit besonders dauerhaften, bis ins einzelne deutlichen Zügen in die Seele gegraben.

Ein Mutterherz ist wie die Sonne, die, so vielen sie auch Licht spendet, doch nicht ärmer wird an Glanz und Wärme, und wenn sich auch ein überreicher Strom von Liebe auf mich ergoß, so sind die anderen Geschwister dadurch nicht benachteiligt worden. Aber ich war das jüngste, das Trostkind, das Nesthäkchen, und zu keiner Zeit ist mir dies so oft zu gute gekommen wie dort und damals.

In dem grünen Schlafzimmer mit dem bunten Teppich stand das Ehebett der Eltern. Es stammte aus Holland und war von einer Größe und Breite, wie man sie jetzt nimmer kennt. Die Mutter hatte es behalten. Es breitete sich eine seidene Steppdecke darüber hin, die sich schön weich anfühlte, und unter der es sich köstlich ruhte. Wenn die Zeit des Aufstehens kam, rief die Mutter mich zu sich. Jubelnd kletterte ich auf das warme Lager, und dort zog sie den Liebling zu sich heran, trieb mit ihm allerlei Kurzweil, und nie und nirgends wurden mir schönere Märchen erzählt als eben dort. Da sind sie mir recht und für immer lebendig geworden; denn die Mutter gab ihnen die Gestalt von Dramen, in denen ich als handelnde Person mitwirken durfte.

Am schönsten war es, wenn wir Rotkäppchen spielten. Ich stellte immer das kleine Mädchen dar, das in den Wald geht, sie aber den Wolf. Wenn sich das böse Tier dann mit der Haube der Großmutter unkenntlich gemacht hatte, richtete ich nicht nur die vorgeschriebenen Fragen: »Großmutter, was hast Du für große Augen?«, »Großmutter, wie rauh ist Dein Fell?« und so weiter an sie, sondern erfand auch neue, um den großen Schlußeffekt hinauszuschieben, und der bestand darin, daß nach der Frage: »Großmutter, was hast Du für große, scharfe Zähne?« und nach der Antwort: »Damit ich Dich gut beißen kann,« der Wolf sich auf mich stürzte, um mich zu fressen. Statt der Bisse gab es dann aber nur Küsse, und statt der Zähne brauchte das Untier, das eine zärtliche Mutter war, nur Lippen und Hände, um mich bald neckisch fortzustoßen, bald an sich zu ziehen.

Ein anderesmal war ich das Schneewittchen, sie die böse königliche Stiefmutter und dazu auch der Jäger und die Zwerge und der schöne Königssohn, der es heimführt.

Wie ist mir bei diesem fröhlichen Spiele die Not der verfolgten Unschuld, das Bangen, die Hoffnung, die Freude und der Dank, wenn das Werk gelungen war, wie sind mir die Schrecknisse und der Zauber des Waldes, die Wonnen und Herrlichkeiten des Feenreiches so lebendig geworden. Wenn die Blumen des Gartens die Stimmen erhoben und Lieder gesungen, wenn die Vögel in den Zweigen mich angerufen und gesprochen hätten, ja wenn sich ein Baum in eine holde Fee und die Kröte auf dem feuchten Wege unseres Laubganges in eine Hexe verwandelt hätte, es wäre mir damals nur natürlich erschienen.

Wie früh ich anfing, mir eine eigene Märchenwelt zu bilden und in Worte zu kleiden, wie ich mir das Reich der Feen, die Burgen der Ritter und die Schachte und Werkstätten der Zwerge und Gnomen vorstellte, davon kann Bruder Ludo Kunde geben, der meine Bilder aus einer erträumten Zauberwelt sinnig zu ergänzen verstand und nicht selten selbst neue Phantasiegemälde erdachte.

Unzähligemale kehrten diese freundlichen Gemälde, die damals meine Einbildungskraft bevölkerten, mir wieder in die Vorstellung zurück, wenn sich die Welt um mich her verfinstert hatte, und in ihrem Gefolge erschien dann auch das Bild der geliebten Frau, von der mir die ersten Märchen erzählt worden waren.

Merkwürdig!

Was sich in jenen frühen Tagen Thatsäckliches um mich her begeben hatte und mir selbst begegnet war, vergaß ich fast alles; die Märchen aber, die ich da mals gehört und innerlich mit erlebt hatte, prägten sich mir fest ins Gedächtnis.

Die Schule und das Leben sorgten dafür, daß mir das Wirkliche mit all seinen Härten und Ecken, seinen Flecken und Schäden vertraut genug wurde; wer aber hätte mir in späteren Jahren die Thore des Reiches wieder geöffnet, worin alles schön ist und gut, und wo dem Häßlichen so sicher die Vernichtung bevorsteht wie dem Bösen die Strafe? Selbst die Muse weicht ja in unseren Tagen vom kastalischen Quell, dessen kristallklares Wasser zum unsauberen Pfuhl wurde, und, wenn auch widerstrebend, folgt sie doch dem Zwange, sich im Staub des Wirklichen heimisch zu machen. Deswegen erhebe ich gern in Wort und Schrift die Stimme für das Märchen, darum drängt es mich, den Kindern und Enkeln solche zu erzählen, und ich gab ja auch einige der selbst gedichteten heraus.5

Den Gegnern des Märchens aber lege ich die Frage vor, ob sie sich für berechtigt halten, der Kindheit etwas des Allerherrlichsten zu rauben, wofür es im späteren Leben keinerlei Ersatz gibt, ja, dem der ganze spätere Bildungsgang des einzelnen Menschen feindlich in den Weg tritt?

Nur das Nächste und das Allerfernste ist dem Kinderherzen teuer. Es liebt die, die es auf den Arm nehmen und küssen, es liebt sein Spielzeug, die Blumen im Rasen, den Kiesel auf dem Wege, die Muschel am Strande, den Schmetterling, dem es folgt, den Hund, den es zaust und streichelt, und daneben nur noch die Wunderdinge aus der Märchenwelt, die sich nie und nirgends begaben, und auch die Engel, – in denen es das eigene oder das Ebenbild derer sieht, denen es gut ist.

Das andere, was zwischen der Thür des elterlichen Hauses oder dem Zaun seines Gartens und den äußersten Grenzen des Erdballes liegt, kümmert es nicht. Darum raubt derjenige, welcher dem Kinde das Märchen nimmt, ihm die Hälfte, und zwar die schönere und größere der seiner Neigung und seinem Auffassungsvermögen geöffneten Welt.

Wie verkehrt und ungerecht ist es auch, das Märchen aus dem Leben des Kindes zu verbannen, weil die Hingabe an seinen Zauber ihm als erwachsenem Menschen vielleicht zum Nachteil gereichen könnte! Hat denn nicht jenes die gleiche Rücksicht zu fordern wie dieser? Auch kindliches Spiel steht dem Manne nicht an, und wer möchte es den Kleinen verkümmern oder gar vorenthalten, um den Mann vor Vergeudung der Zeit und den Ernst seiner Lebensführung vor Beeinträchtigung zu bewahren? Der Amerikaner Bellamy führte den Gedanken aus, daß die unsterbliche Seele in mehrfacher, verschiedener Gestalt an den Schauplatz ihres Fortlebens im Jenseits gelange. Dort werde die Seele des abgeschiedenen Greises einem Wesen begegnen, das seine Kinderseele, einem andern, das seine Knaben-, einem dritten, das seine Männerseele gewesen war und so weiter, und in der That sind diese alle Sonderindividuen, die in grundverschiedener Weise denken, empfinden und sich zu den wichtigsten Lebensfragen verhalten. Die Seele des Fünfzigers, der diese Worte an die Seinen richtet, würde die Seele, die ihn als neunzehnjährigen Jüngling so stürmisch bewegte, bei der Begegnung in einer andern Welt fremd genug anmuten.

Jedes Kind ist berechtigt, eine andere Behandlung und Beurteilung zu verlangen, und daß ihm ungeschmälert zukomme, was ihm gebührt. Darum ist es ein Unrecht, das Kind zum Besten des Mannes zu beeinträchtigen und zu berauben. Weiß man denn, ob es dem Knaben bestimmt ist, überhaupt zum zweiten und dritten, zum Jüngling oder Erwachsenen zu werden? Es gibt ja karge Vorsichtsapostel, die sich in guten Jahren jede Freude des Lebens versagen, um mit grauem Haar in einem Ueberflusse zu leben, der doch sehr häufig keinem zu gute kommt als ihren Erben. Was aus dem Menschen wird, dem die Erzieher so wenig als Kind wie in den späteren Stadien der Entwicklung die Wunder der Märchenwelt eröffneten, damit er im Gebiet des Wirklichen sich um so ungestörter heimisch mache, das hat Dickens in seinem Roman »Harte Zeiten« so anschaulich und überzeugend geschildert, daß ich ihm die eingehende Begründung der eigenen Meinung gern überlasse.

In den ersten Jahren fällt es dem Kinde freilich schwer, Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden; ist es doch die Einbildungskraft, auf der sich der größte Teil seines inneren Lebens und ganz gewiß seiner Freuden aufbaut. Der Stock, auf dem es reitet, wird ihm zum Pferde, das Blättchen, das es von einem Fliederzweige abriß, zum Goldstücke, womit es Zahlungen leistet. Einen sehr gutherzigen, doch lebhaften Knaben sah ich sein geliebtes Schwesterchen kratzen und beißen, weil er sich in einen Tiger verwandelt zu haben meinte, und in unserem Bekanntenkreise ereignete sich der niedliche Vorfall, daß ein kleines Mädchen, das einer Besucherin seine Puppe zeigen sollte, an deren Bette es eben saß, in bittere Thränen ausbrach und, von der Mutter deswegen gescholten, schluchzend ausrief: »Meine Nelly hat das Scharlachfieber, und sie war eben etwas eingeschlafen, als ich sie aus dem Bett nehmen sollte.«

Wer von dieser Art der Verwechslung üble Folgen für die Zukunft des Kindes, besonders aber für seine künftige Stellungnahme zu den wirklichen Dingen und die Wahrhaftigkeit fürchtet, der hat sich sicherlich nie die Mühe genommen, das Wesen der sich entfaltenden Menschenknospe näher ins Auge zu fassen.

Wie die unsere, so wird ohnehin jede verständige Mutter Sorge tragen, daß die Kinder die Märchen, die sie ihnen erzählt, nicht für wahre Geschichten halten. Mir fehlt die Erinnerung an die Zeit, in der ich, sobald der Geist aufgerufen wurde, darüber zu entscheiden, selbst Erdichtetes für wirklich Geschehenes gehalten hätte; wohl aber weiß ich noch, daß wir manchmal nicht zu entscheiden vermochten, ob die wahrscheinlich klingende Erzählung eines andern in das Reich der Märchen oder der Wirklichkeit gehöre. Dann aber fragten wir die...

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