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E-Book

Franz von Assisi

AutorHermann Hesse
VerlagInsel Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783458756767
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR

Hesse schildert die Lebensgeschichte des Heiligen bewußt im legendären Tonfall der Überlieferung, wie er sie u.a. in der mittelalterlichen Franziskus-Biographie des Thomas de Celano, Bonaventuras und den damals neuesten Darstellungen von Henry Thode und Paul Sabatier vorfand.



<p>Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/W&uuml;rttemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines w&uuml;rttembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.</p> <p>Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis f&uuml;r Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchh&auml;ndlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zun&auml;chst in Gaienhofen am Bodensee, sp&auml;ter im Tessin.</p> <p>Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. </p>

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Leseprobe

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Sankt Franziskus erklärt dem Bruder Leo, was vollkommene Freude ist


Es wanderte einstmals St. Franziskus, da es Winterszeit war, mit dem Bruder Leo des Weges von Perugia nach Santa Maria zu den Engeln, und litt nicht geringe Not von der strengen Kälte. Da rief er den Bruder Leo an, welcher ihm vorauswandelte, und sprach zu selbigem: »Bruder Leo, wenn auch unsere Brüder allerorten ein großes Vorbild der Heiligkeit und Erbauung geben, trotzdem schreibe Du und bewahre es wohl im Geiste, daß hierin nicht vollkommene Freude zu finden sei.« Und nach einer Strecke Weges rief er abermals: »O Bruder Leo, wenn unsere Brüder die Blinden und Krüppel heilten und die Dämonen austrieben und den Tauben zu hören, den Lahmen zu gehen und den Stummen zu reden verliehen, ja, wenn sie, was noch mehr ist, Gestorbene nach vier Tagen auferweckten – schreibe, daß auch dieses nicht vollkommene Freude ist.« Und abermalen nach einer Weile rief er laut: »O Bruder Leo, wenn die Minoriten sich auf alle Sprachen und Wissenschaften verstünden, so daß sie weissagen könnten und nicht allein die zukünftigen Dinge, sondern auch die Geheimnisse der Herzen und Gewissen zu offenbaren vermöchten – schreibe, daß auch dieses nicht vollkommene Freude ist.« Und nochmals weiterschreitend rief St. Franziskus: »O Bruder Leo, Du Schäflein Gottes, wenn unsere Brüder auch der Engel Sprache redeten und wenn sie den Gang der Sterne und die Kräfte der Gewächse kennten, wenn ihnen alle Schätze der Erde offenbar wären und wenn sie die Kräfte der Vögel und der Fische, auch aller Tiere und Menschen, der Bäume und Gesteine, Wurzeln und Gewässer wüßten – schreibe, daß dies nicht die vollkommene Freude ist.« Und wiederum ging er weiter und rief wiederum: »Bruder Leo, wenn unsere Brüder auch so gut zu predigen verstünden, daß sie alle Ungläubigen bekehrten – schreibe, daß auch dies nicht die vollkommene Freude ist.«

Unter solchem Gespräche waren sie wohl zwei Meilen gewandert, da sprach Bruder Leo, mit großer Verwunderung fragend, zu ihm: »Vater, ich flehe Dich um Gottes willen, daß Du mir sagst, was denn die vollkommene Freude sei.« Und St. Franziskus antwortete ihm: »Wir werden in Santa Maria ankommen, durchnäßt vom Regen und steif von der Kälte, mit Schmutz bedeckt und von Hunger verzehrt, und werden anklopfen, und der Pförtner wird zornig sein und sagen: Wer seid Ihr? – Und wir antworten: Zwei von Euren Brüdern. Und wenn er dann erwidert: Was Ihr sagt, ist gelogen, Ihr seid vielmehr zwei Landstreicher, welche umherziehen und die Welt betrügen und die Armen um ihre Almosen bringen, geht fort von hier! – Und wenn er uns alsdann nicht öffnet, sondern läßt uns draußen stehen in Schnee und Regen, auch Hunger und Frost bis in die Nacht – und wenn wir alsdann solches Unrecht und Mißhandlung in Geduld ertragen, ohne zu zürnen, und wenn wir denken, daß der Pförtner recht habe, uns als so Unwürdige zu erkennen, und daß Gott ihn so reden heißt – o Bruder Leo, schreibe, daß dieses vollkommene Freude ist. Denn höre, Bruder Leo! Höher als alle Gaben und Segnungen des Geistes, welche Christus den Seinen verleiht, ist dieses: sich selbst überwinden und gern aus Liebe zum Heiland Strafe und Schimpf und Leiden erdulden.«

Wie St. Franziskus dem Bruder Masseo antwortete


Einstmals verweilte St. Franziskus in dem Kloster Portiuncula mit dem Bruder Masseo von Marignano, welchen er überaus liebhatte. Eines Tages nun, da St. Franziskus aus dem Walde heimkehrte, wo er gebetet hatte, und am Rande des Waldes stand, wollte eben jener Bruder Masseo seine Demut auf eine Probe stellen. Also trat er gegen ihn hin und rief scheltenderweise ihm zu: »Warum Dir? Warum Dir? Warum Dir?« Antwortete St. Franziskus: »Was will diese Deine Rede bedeuten?« Sprach Bruder Masseo: »Das bedeutet: warum läuft denn Dir alle Welt nach, so daß, wie es scheint, jedermann danach verlangt, Dich zu sehen, Dich zu hören und Dir zu dienen? Dein Körper ist nicht so sonderlich schön und reizend, auch bist Du nicht in Wissenschaften gelehrt, noch auch von hohem Adel, warum denn also geschieht es, daß gerade Dir alle Welt nachläuft?«

Da St. Franziskus dieses vernahm, ward sein Geist höchlich erfreut, und er wendete sein Angesicht gen Himmel und blieb also eine Weile stehen, indem seine Seele bei Gott einkehrte. Alsdann kniete er nieder, pries Gott mit Danken und Loben und hernach wendete er sich mit großer Freudigkeit zu dem Bruder Masseo und sprach zu ihm: »Willst Du erfahren: Warum mir? Warum mir? Warum mir? Warum alle Welt mir nachlaufe? Das gab mir der höchste Gott, dessen Augen überall die Guten und die Bösen erkennen, und seine heiligen Augen erfanden unter allen Sündern keinen schlimmeren, keinen geringeren und keinen ärmeren denn mich. Gott hat, um sein Wunderwerk zu vollbringen, kein schwächeres Wesen auf der Erde gefunden. Dieserhalb hat er mich erwählt, um die Herrlichkeit und Weisheit der Welt zu beschämen, auf daß man nämlich erkenne, daß alle Macht und alles Gute nur von ihm komme, nicht von dem Geschöpfe, und damit niemand sich rühmen und überheben möchte.« Da verwunderte sich Bruder Masseo und erkannte mit Gewißheit, daß St. Franziskus von echter und lauterer Demut wäre.

St. Franziskus gebietet den Schwalben und predigt den Vögeln


St. Franziskus kam zu dem Schloß Savurniano und schickte sich an, daselbst zu predigen. Es sangen aber und lärmten im Hofe sehr viele Schwalben. Da befahl er ihnen, sie sollten so lange schweigen, bis er gepredigt hätte, und die Schwalben gehorchten ihm.

Und danach gelangte er in die Gegend zwischen Cannajo und Bevagno, und während des eifrigen Wanderns hob er seine Blicke auf und sah Bäume am Wege stehen, auf denen saßen sehr große Scharen von Vögeln. Darob erstaunte St. Franziskus und redete so zu seinem Gefährten: »Warte hier an der Straße auf mich, ich will hingehen und meinen lieben Geschwistern, den Vögeln, predigen.« Also ging er in das Feld hinein und begann zu den Vögeln zu reden, welche sich dort befanden. Da kamen allsogleich auch jene Vögel von den Bäumen herbei, und alle verhielten sich sehr still, bis er seine Predigt endete, und flogen erst dann hinweg, nachdem er sie auch noch gesegnet hatte. Und, wie Bruder Masseo später erzählt hat, ging St. Franziskus unter den Vögeln umher und berührte ihre Köpfe und streichelte sie, ohne daß einer davonflog.

Er predigte ihnen aber namentlich solche Worte: »Ihr Vögelein, meine Brüder, ihr sollt immerdar und an allen Orten Gott preisen, denn er hat euch die Freiheit gegeben, daß ihr nach Belieben möget fliegen und schweben, auch gab er euch ein gutes und schönes Gewand. Dazu hat er euch das Element der Luft überlassen, wofür ihr ihm danken sollt. Ihr säet ja nicht und erntet nicht, und Gott ernährt euch und gibt euch zum Trank die Flüsse und die Quellen, auch gibt er euch zur Zuflucht die Berge und Täler und die hohen Bäume, eure Nester darauf zu bauen. Euer Schöpfer hat euch herzlich lieb, darum dankt ihm und seid stets eifrig, ihn zu loben.«

Als St. Franziskus also zu ihnen redete, öffneten alle die Vögel ihre Schnäbel und streckten ihre Hälse, breiteten die Flügel aus, neigten ihre kleinen Köpfe bis zur Erde und sagten ihm durch Gebärden und durch Zwitschern, daß er ihnen sehr große Freude gewähre. Und St. Franziskus freute sich mit ihnen allen, er ergötzte sich sehr an der so großen Vogelschar, an ihrer Schönheit und Mannigfaltigkeit, auch wie sie so zutraulich und aufmerksam waren, worüber er voll Andacht in ihnen den Schöpfer lobte.

St. Franziskus deutet dem Bruder Leo eine Erscheinung


Einmal war St. Franziskus schwer krank, und Bruder Leo bediente ihn. Da geschah es, daß dieser Bruder ein Gesicht hatte und sah im Geiste einen überaus breiten und reißenden Strom. Da er betrachtete, wer über den Strom hinübergehe, sah er mehrere Ordensbrüder in diesen Strom hineingehen, und sogleich wurden sie von der Gewalt der Strömung dahingerissen und ertranken. Einige andere gelangten bis zu einem Drittel des Stromes, andere bis zur Mitte, einige bis nahe an das Gestade, aber alle wurden doch entrissen, sowohl durch die Gewalt des Stromes als auch darum, weil jeder ein Bündel auf dem Rücken trug. Als Bruder Leo solchem zuschaute, empfand er ein tiefes Erbarmen mit den Brüdern. Aber während er noch also dastand, siehe, da kam plötzlich eine Schar von Brüdern, welche keinerlei Last noch Bündel an sich hatten, und gingen in den Fluß hinein und kamen unversehrt hinüber.

Nach diesem Traum erwachte Bruder Leo. Und nachdem er die ganze Erscheinung erzählt hatte, sprach St. Franziskus: »Was Du geschaut hast, ist wahrhaftig so. Der große Strom ist diese Welt. Die Brüder, welche darin ertranken, das sind jene, welche das Gelübde der Armut nicht innegehalten haben. Jene aber, die ohne Not hinübergelangten, das sind die Brüder, welche in dieser Welt keinerlei Güter suchen und besitzen. Darum gehen sie auch leicht aus der Zeit in die Ewigkeit hinüber.«

Franziskus predigt den Vögeln.

Des St. Franziskus Falke auf dem Berg Alverno


Da der selige Franziskus auf dem Berg Alverno verweilte, welches die schmerzlichste und heiligste Zeit seiner Pilgerfahrt gewesen, und daselbst allein in einem Hüttlein wohnte, jedoch krank und sehr schwachen Leibes war, konnte er des Morgens nicht früh genug zum Matutingebet erwachen. Es kam aber jeden Morgen zur rechten Stunde ein Falke und weckte ihn, indem er sang und an die Hütte pochte, und er entfernte sich nicht eher, als bis St. Franziskus sich zum Frühgebet erhoben hatte....

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