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Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens

AutorJacob Burckhardt
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl505 Seiten
ISBN9788026815907
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens ist ein 1855 veröffentlichtes Werk von Jacob Burckhardt, in dem er die italienische Kunstwelt von der Antike bis zur Gegenwart schildert. Jacob Christoph Burckhardt (1818-1897) war ein Schweizer Kulturhistoriker mit Schwerpunkt Kunstgeschichte. Burckhardt widersprach entschieden geschichtsphilosophischen Spekulationen, die Geschichte als zeitliche Entwicklung eines übergeordneten, ewigen Geschichtsprozesses auffassten. Das einzig konstante Phänomen der Geschichte war für ihn die Natur des Menschen. Das Ziel des Daseins und der ganzen Geschichte blieb für Jacob Burckhardt rätselhaft. Aus dem Buch: 'Die Baukunst beginnt in Italien viel früher als bei den Tempeln von Pästum, mit welchen wir hier den Anfang machen. Schon die Urvölker, dann das durch Einwanderung entstandene Mischvolk der Etrusker haben Bauten hinterlassen, welche nicht bloß durch Massenhaftigkeit, sondern auch schon durch Anfänge eines höhern Formgefühles ausgezeichnet sind. Allein in ihrem jetzigen Zustande gehören sie doch mehr der Archäologie an; sie liegen meist seitab von den üblichen Straßen und sind auch dem Verfasser dieses Buches größtenteils unzugänglich geblieben...'

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Leseprobe

Zweiter Teil
Skulptur




Nur schwer und allmählich öffnet sich dem Laien das Verständnis für die Skulptur. Die Gesetze und Bedingungen, unter welchen sie das Schöne hervorbringt, sind so vielfältig und liegen zum Teil so versteckt, daß sehr viel Zeit, Übung und Verkehr mit Bildhauern dazu gehört, um sich auch nur in den Vorhallen dieser Kunst zurechtzufinden. Viele unter den antiken Werken sprechen freilich so laut und von selbst, daß auch der gleichgültigste Beschauer auf irgendeine Art davon angeregt wird; daneben bleibt aber vielleicht das Allertrefflichste unbemerkt, wenn Auge und Sinn nicht eine gewisse Vorschule durchgemacht und nach bestimmten Vorsätzen suchen und forschen gelernt haben.

Es gibt einen Weg zum Genuß an der Hand der antiken Kunstgeschichte. Sie lehrt epochenweise, wie das Schöne geworden, welchen Zeiten, Schulen und Künstlern die Schöpfung und Ausbildung der wichtigsten Elemente desselben angehört; sie weist in den wenigen vorhandenen Urbildern und in den zahlreichern Wiederholungen diese ihre Resultate oft mit völliger Sicherheit nach. Allein diese setzt beträchtliche Studien und einen bereits sehr geschärften Blick voraus. Wer unvorbereitet aus dem Norden in die Galerien Italiens tritt, wird sich die Schätze derselben auf eine andere Art aneignen müssen.


Die Griechen verlangten von ihren Künstlern nicht Originalität im heutigen Sinne, d. h. nicht ewig abwechselnde Aufgaben und Darstellungsweisen; wenn für irgendeinen Gegenstand der höchste Ausdruck einmal gefunden war, so genügte es Jahrhunderte hindurch, diesen frei zu reproduzieren oder auch ohne weiteres zu wiederholen. Es bildeten sich stehende Typen oder Darstellungsweisen, und (was momentane Stellung oder Bewegung anbetrifft) stehende Motive. An diese halte sich der Laie, ihnen suche er zunächst das Mögliche abzugewinnen. Das geschichtliche Interesse wird sich mit der Zeit von selbst hinzufinden, wenn man unter den verschiedenen Exemplaren derselben Darstellung das Bessere und das Geringere, das Frühere und das Spätere miteinander vergleichen gelernt hat. Eine Anzahl glänzender Ausnahmen abgerechnet, besteht der ungeheure Vorrat der Museen Italiens nicht aus Originalwerken altgriechischer Künstler, sondern aus Werken der römischen Zeit vom letzten Jahrhundert der Republik abwärts. Zum Teil sind es Originalarbeiten der betreffenden Zeit, wie z. B. die Bildnisstatuen und Brustbilder von Römern, die Bildwerke der Triumphbogen und Ehrensäulen usw.; in weit überwiegender Masse aber finden sich die Wiederholungen älterer idealer Typen und Motive, meist von griechischer Erfindung. Die ausführenden Künstler selbst sind fast sämtlich unbekannt, doch gibt man sich gerne der Vermutung hin, daß bis tief in die Kaiserzeit hinein eine treffliche Kolonie griechischer Skulptoren in Rom und Italien geblüht habe. Immerhin müssen wir uns darein fügen, aus der Blütezeit der griechischen Kultur eine Menge bloßer Künstlernamen fast ohne Denkmäler, aus den letzten Zeiten des Altertums dagegen eine gewaltige Menge von Denkmälern fast ohne Künstlernamen zu kennen. – Der Unterschied zwischen griechischer und römischer Kunst wird, wie aus dem Gesagten erhellt, zwar im ganzen sehr bemerklich, an dem einzelnen Denkmal aber nicht immer leicht nachzuweisen sein.


Die ehemalige Bestimmung und Aufstellung dieser Bildwerke war eine sehr verschiedene und entsprach wohl im ganzen ihrem Werte oder ihrer äußern Beschaffenheit, Die Kolossalstatue gehörte ins Freie, wo sie sich herrschend selbst zwischen mächtigen Bauten geltend machen konnte. Selten kommen eigentliche Kultusbilder vor, während der übrige Schmuck der Tempel, die Reliefs ihrer Friese, die Statuen ihrer Giebel und Portiken in Menge übriggeblieben sind. Die Bildnisse stammen wohl aus den Vorhallen der Reichen und Vornehmen, zum Teil auch von öffentlichen Plätzen, während das ganze Privathaus und die Villa des Wohlhabenden noch außerdem reiche Fundorte von Göttern, Heroen, Brunnenfiguren und andern idealen Gestalten geworden sind. Bei Altären und Sarkophagen ergibt sich die Herkunft schon aus der Bestimmung; marmorne Kandelaber und Vasen mochten ebensowohl zu heiligem Gebrauch in Tempeln als zur Zierde in Palästen dienen; Hermen standen wohl meist im Freien, namentlich in Gärten. Endlich lieferten die römischen Thermen das Köstlichste, selbst Prachtarbeiten griechischer Kunst, wie z. B. den Laokoon; nur mit Mühe kann sich die Phantasie ein Bild entwerfen von der Fülle plastischen Schmuckes, welche diese Stätten des öffentlichen Vergnügens, welche auch Theater, Zirken und öffentliche Hallen verherrlichte. – Für so verschiedene Zwecke wurden begreiflicherweise auch sehr verschiedene Kräfte in Anspruch genommen, und es ist ein großer Unterschied der Behandlung zwischen dem Hauptwerk eines wichtigen Saales in kaiserlichen Thermen oder Palästen, und der Statue, welche für das hohe Dach eines Portikus oder die entfernten Laubgänge eines bescheidenen Gartens geschaffen wurde. Zu gleicher Zeit meißelten vielleicht der Künstler und der Steinmetz nach demselben Vorbilde, und der eine brachte ein Werk voll des edelsten Lebensgefühles, der andere eine auf die Ferne berechnete Dekorationsfigur zum Vorschein. Und dennoch wird auch die letztere, so roh und so spät sie sei, den göttlichen Funken des griechischen Genius, der in der Erfindung waltet, nie ganz verleugnen können.


Noch auf eine weitere Verkettung von Umständen, welche den Genuß antiker Bildwerke oft sehr beeinträchtigen, muß hier vorläufig aufmerksam gemacht werden. Nur äußerst wenige Statuen nämlich sind ganz unverletzt gefunden worden; die meisten haben sehr bedeutende Restaurationen aus den letzten Jahrhunderten. Das ungeübte Auge unterscheidet gar nicht so leicht, als man denken sollte, das Neue von dem Alten. Nun gehören gerade die sprechenden Teile, Kopf, Hände, Attribute, oft nur dem Hersteller an, und dieser hat lange nicht immer das Richtige getroffen; er gibt z. B. einer ehemaligen Flora Kornähren und einer ehemaligen Ceres Blumen in die Hand; er restauriert einen Mars als Merkur und umgekehrt. Der Laie darf daher die bessern literarischen Hilfsmittel, welche dergleichen Täuschungen aufdecken, nicht verschmähen, wenn er zu einiger Kenntnis dieses Gebietes gelangen will. Bisweilen mußte nach einem verhältnismäßig geringen, aber an Kunstwert ausgezeichneten Rest das Ganze einer Statue neu gedacht und danach das viele Fehlende ergänzt werden. Dieser Art sind z. B. Thorwaldsens unübertreffliche Restaurationen an mehrern von den äginetischen Figuren sowie am barberinischen Faun in der Münchner Glyptothek: auch der rechte Arm des Laokoon (von wem er auch sein möge) gehörte zu den größten Aufgaben in diesem Fache.

Wie aber, wenn man an vielen Statuen zwar antike, aber nicht ursprünglich dazugehörige, sondern anderswo gefundene Köpfe anträfe? Diese Ergänzungsweise ist z. B. gerade in den römischen Museen sehr häufig und läßt sich insgemein schwer, ja in einzelnen Fällen ohne besondere Nachrichten ganz unmöglich entdecken. Vor dem opfernden Römer z. B., der die Toga über das Haupt gezogen hat (Vatikan, Sala della Bigia); wird niemand von selbst auf einen solchen Gedanken geraten.

Soweit die modernen Galerieverwaltungen und Restauratoren; man kann ihre Tätigkeit und ihr Glück nur bewundern, wenn sie so das Rechte treffen, wie in dem letztgenannten Fall. Allein schon im Altertum kamen Dinge analoger Art vor. Nicht nur wurden bei politischen Umschwüngen und Regierungswechseln die Köpfe von Bildnisstatuen abgeschlagen und neue aufgesetzt, sondern die Bildhauer müssen wenigstens in der römischen Zeit viele kopflose Statuen im Vorrat gearbeitet haben, welchen erst nach geschehener Bestellung ein Porträtkopf aufgesetzt wurde. Dies stimmte trefflich zu der seit Alexander aufgekommenen Sitte vieler Großen, sich in Gestalt einer Gottheit abbilden zu lassen, und vollends zu der spätrömischen Gewohnheit, die Statuen aus mehrern Steinarten zusammenzusetzen. Es war am Ende ganz gleichgültig, welcher Marmorkopf in die alabasterne oder porphyrne Draperie hineingesenkt wurde.

Dies alles darf den Beschauer zu einiger Vorsicht stimmen. Es ist Echtes und Wohlerhaltenes genug vorhanden, um bei fortgesetzter Beobachtung zu einem ausgebildeten Urteil zu gelangen. Wer an irgendeiner Restauration Anstoß nimmt, bemühe sich, eine bessere auszudenken; gewiß eine der edelsten Tätigkeiten, zu welchen der Anblick antiker Werke den sinnenden Geist anregen kann,


Den Restauratoren wird begreiflicherweise ihr Geschäft häufig sehr erleichtert durch das Vorhandensein besser erhaltener Exemplare desselben Werkes. Über die Herstellung z. B. des Satyrs mit dem Beinamen des »Berühmten« (periboetos), der sich in allen Sammlungen, oft mehrfach, vorfindet, kann gar kein Zweifel obwalten. Für manches aber sind die Künstler auf Analogien, namentlich auf die Reliefs beschränkt, wo sich wenigstens der Typus derjenigen Gestalt, die sie unter den Händen haben, vollständig vorfindet. Für Einzelbildung und Bewegung namentlich der Arme und Beine ist natürlich jeder auf sein Gefühl und sein Studium der Alten angewiesen.

Marmorne und andere steinerne Zieraten, wie Kandelaber und Vasen, sind, wie oben bemerkt, oft zu zwei Dritteilen nach irgendeinem Fragment restauriert; von den Vasen ist namentlich der Fuß nur selten alt, die Henkel und der obere Rand meist nach Maßgabe der Ansätze ergänzt. Reliefs sind bisweilen nach geringen Ansätzen von Füßen, Geräten, Gewandsäumen u. dgl. um mehrere Figuren vermehrt worden.

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