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Kapitalkiller Konflikt

20 Manager packen aus - Aussteigen aus der Streitspirale

AutorClaudia Daeubner, Ernst Pavlovic
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2002
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783864147838
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Gerade zurzeit löst die unsichere wirtschaftliche Lage Ängste aus. Das führt zu geringerer Diskussionsbereitschaft bei vielen Mitarbeitern und Managern, Führungskräfte zeigen mehr Autorität. Konflikte sind an der Tagesordnung! Millionen Euro werden durch unter den Teppich gekehrte oder aber unnötig eskalierende Konflikte in Unternehmen verbrannt. Im wahrsten Sinne des Wortes wird das Thema in diesem Wende-Buch von beiden Seiten betrachtet: Aus Unternehmenssicht schildern Führungskräfte von namhaften Konzernen ihre Erfahrungen und aus Beratungssicht erklären die Autoren Taktiken und Instrumente im effektiven Umgang mit Konflikten - von der Abwehr der Kampfrhetorik bis zur diplomatischen Abwicklung von Stellvertreterkonflikten.

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Leseprobe

„Man sollte sich nie gegen den eigenen Bauch entscheiden.“

1 Emotionen, die kosten

Wenn in einem Unternehmen ein seit langem schwelender Konflikt zwischen Führungspersonen wie ein blockierter Geysir vergeblich auf seinen Ausbruch wartet und unter der Oberfläche von geschäftlichen Erfolgen zunehmend Druck aufbaut, ist die Eruption am Tag X umso verheerender. Eine unbedachte, emotionsgeladene Äußerung, und die Arbeit von Jahren ist verloren. Künftige Aktivitäten werden dann auf jenes karge Feld gezwungen, auf dem manche ihr halbes Leben lang arbeiten, um Zustände wiederherzustellen, die schon einmal erreicht worden sind – Reparatur statt Weiterentwicklung, Instandsetzen statt Fortkommen. Einziger Vorteil: Man kann daraus lernen.

„Ich hätte von Anfang an auf meinen Bauch hören sollen“, weiß heute Hans-Joachim Bäurle. Der grau melierte elegante Herr ist Berater des Schweizer Aufzug-Konzerns Schindler, für den er nach der Ostöffnung in den Reformstaaten Firma um Firma aufbaute.

Zuvor war er Mitglied des Vorstandes bei einem italienischen Klimatechnik-Multi mit Niederlassungen rund um die Welt. Das Verhältnis zwischen Bäurle und den Besitzern des Familienunternehmens war ausgezeichnet bis herzlich, Voraussetzung waren die guten Italienischkenntnisse des gebürtigen Münchners. Er hatte in Wien studiert und in der Firma seines Vaters dessen italienische Geschäftspartner betreut – so konnte er seinen Kenntnissen der Sprache der südlichen Nachbarn den letzten Schliff geben. Nachdem er anschließend als Geschäftsführer die österreichische Niederlassung des italienischen Klimatechnik-Konzerns aufgebaut hatte, übersiedelte er in die Zentrale nach Mailand, wo er als Vorstand für Marketing und Verkauf auf internationaler Ebene zuständig war. „Es gab keine offensichtliche Hierarchie, die Kommunikation war sehr emotional und von Vertrauen und Freundschaft geprägt.“

Das Unternehmen hatte „eine gute globale Präsenz“, war aber auf dem lukrativen Markt in Deutschland nicht vertreten. Eine maßgeschneiderte Herausforderung für Hans-Joachim Bäurle also, der als gebürtiger Deutscher wie kein anderer geeignet schien, diese Lücke auf dem europäischen Markt zu schließen. Er suchte mit Hilfe eines Headhunters einen Co-Geschäftsführer für die viel versprechende neue Tochter in München, da er seinen Vorstandspflichten weiterhin von Mailand aus nachkommen wollte. „Wir stießen auf einen Spezialisten, der für einen deutschen Mitbewerber tätig war.“ Der junge einheimische Fachmann war dort eine ehrgeizige Nummer zwei, wollte an die Spitze und griff mit beiden Händen zu, als ihm der neue Job angeboten wurde.

Der Start der Münchner Niederlassung entwickelte sich äußerst erfreulich, wobei der deutsche Co-Geschäftsführer Kunden und Aufträge wohl auch aus dem Pool seines vorangegangenen Arbeitgebers fischen konnte. Bäurle lebte mit seiner österreichischen Frau weiter in Mailand, besuchte dann und wann München, war viel auf Reisen und „ließ dem Partner in Bayern eine lange Leine“. Auch dessen Kontakte zur Familie des Besitzers in Mailand entwickelten sich mit Bäurles Unterstützung, wenngleich fortwährend eine gewisse Reserviertheit blieb – „der junge Deutsche konnte nur in seiner Muttersprache kommunizieren“. Er wurde zu Meetings eingeladen, nahm zunehmend am Konzernleben teil und „machte eine gute Figur, trotzdem war von seiner Seite stets eine gewisse Abwehrhaltung zu spüren“. Bäurle wurde mehr und mehr bewusst, dass zwischen ihm und seinem Partner die Chemie nicht stimmte. Er spürte die Distanz, diagnostizierte Neid und Eifersucht und vermutete, dass sein Kollege die Grenzen erkannte, die ihm durch mangelnde Kenntnis der Sprache und damit der italienischen Kultur und Lebensart gesetzt waren. „Ich beruhigte mich mit dem Argument, dass ich ihn ja nicht heiraten müsse.“ Außerdem entwickelte sich der deutsche Markt besser und besser, der Münchner arbeitete hart und die Italiener bewunderten ihn. „Das habe ich ihm wahrscheinlich zu wenig vermittelt“, weiß Bäurle heute, der Kollege könnte den Verdacht gehabt haben, dass die Lorbeeren in Mailand geerntet würden. „Ich war eine Art von Aufsichtsrat, der ihm ganz einfach lästig war.“

Inzwischen gab es ein halbes Dutzend Filialen in Deutschland, und Bäurle, der mit dem Näherrücken seines fünfzigsten Geburtstags immer öfter überlegte, ob er in seinen besten Jahren nicht genug von Mailänder Mode, Dom und Oper hatte, verspürte gemeinsam mit seiner Frau den dringlich werdenden Wunsch, nach Wien zurückzukehren. Die Heimkehr sollte allerdings über München führen, wo Bäurle einige Zeit neben seinem Partner, der für Technik und Vertrieb zuständig war, die kaufmännische Führung vor Ort besorgen sollte. Zumal die Aufgabe mit den sechs Niederlassungen gewachsen war und der Wettbewerb zunehmend härter wurde. Die Ankündigung seiner örtlichen Veränderung löste bei seinem Kollegen vorerst keine großen Kommentare aus, bis es zur entscheidenden Aussprache kam. Ab da war klar, dass der junge Geschäftsführer allein bleiben wollte und überdies ein Angebot eines US-amerikanischen Mitbewerbers in der Tasche hatte. Als Bäurle auf den Wunsch des Eigentümers verwies, die Sache wie geplant ab nächstem Jahr über die Bühne zu bringen, lenkte er letztlich ein.

Danach erbat sich Bäurle bei der italienischen Familie eine persönliche Auszeit und zog mit seiner Frau nach Wien. Gleichzeitig passierte in Deutschland Seltsames: Während immer weniger Aufträge einlangten, wanderten immer mehr Beschäftigte ab. Konnte man diese Entwicklung anfangs noch dem wachsenden Konkurrenzdruck oder einer schwierigeren Marktlage zuschreiben, war nach einiger Zeit klar, dass hier die generalstabsmäßige Strategie eines Masterminds dahinter steckte. Die Büros wurden zunehmend menschenleer, in Frankfurt war nicht einmal mehr eine Sekretärin zu erreichen. Der Notruf der Mailänder Zentrale erreichte Bäurle in Wien – Kunden gingen verloren, Aufträge wurden storniert, Gelder zurückgehalten: „Der deutsche Geschäftsführer vernichtet die Firma.“ Und der Verdacht lag nahe, dass in Absprache mit dem US-Konkurrenten Mitarbeiter und Kunden langsam die Firma wechseln sollten, um den Chef nachkommen zu lassen.

Der Showdown in München wurde unausweichlich, Bäurle stellte seinen Kollegen an einem frostigen Dezembertag zur Rede: „Was passiert hier im Haus? Stehlen Sie dem Konzern die Firma unterm Hintern weg?“ Der überrumpelte Kontrahent ging nicht näher auf solche Vorhaltungen ein und antwortete mit einem knappen: „Ich kündige.“ Es gibt Momente, die man wie in Zeitlupe immer wieder erlebt, in der die Szene wie in einem grobkörnigen Schwarzweißfilm von Mal zu Mal immer reduzierter und eindringlicher abläuft, entkleidet von unwichtigen Details und mit dem formatfüllenden Gesicht des Gegenübers vor Augen, dem man jene Antwort entgegenschleudert, für die man sich noch Jahre danach lieber die Zunge abgebissen hätte: „Sie sind entlassen!“

Denn das sind genau jene Sachverhalte, die von gut verdienenden Anwälten so geliebt werden. Statt den guten Mann ziehen zu lassen, die Scherben aufzukehren und zu retten, was zu retten war, gingen die Emotionen durch. „Ich wollte ihn bestrafen und die Felle zurückholen.“ Was dann folgte, waren jahrelange Streitereien vor dem Arbeitsgericht – Klagen gegen Entlassung und Rufschädigung auf der einen, Klagen wegen Geschäftsschädigung und unlauterem Wettbewerb auf der anderen Seite.

Dass sämtliche Verfahren verloren wurden, war noch das geringste Problem. „Rache im Geschäftsleben nützt niemandem und kostet nur Geld.“ Bäurle musste in München praktisch von null beginnen, die Glaubwürdigkeit der Firma wiederherstellen sowie Kunden und Lieferanten, die zwischenzeitlich die Köpfe eingezogen hatten, wieder überzeugen. Außerdem war seiner Frau klarzumachen, dass auf der Adresse des Haushaltes für die nächsten Jahre nicht Wien, sondern München stehen werde. „Es war die härteste Zeit meines Lebens.“ Was zuerst spielerisch von Mailand aus über die Bühne gehen sollte, war dann nur mehr mit doppeltem bis dreifachem Einsatz möglich. Fazit: „Man kann nichts halb machen, entweder man tut es ganz oder gar nicht.“

Nach fünf Jahren war schließlich die marktbeherrschende Stellung wieder geschafft, der US-Konkurrent samt übergelaufenem Geschäftsführer blieb bedeutungslos. Bäurle hatte alle seine Ziele erreicht, seinen Nachfolger aufgebaut und zog mit seiner Frau endgültig nach Wien. Dort trat er in den Schweizer Aufzug-Konzern Schindler ein, um von Budapest bis Warschau Niederlassungen zu...

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