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Parteiensystem und Wahlen in Sachsen

Kontinuität und Wandel von 1990 bis 2005 unter besonderer Berücksichtigung der Landtagswahlen

AutorUlrich H. Brümmer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783531902982
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Die Studie untersucht das Parteiensystem des Freistaates Sachsen von der Formierung der demokratischen Kräfte im Herbst 1989 bis zum Jahr 2005. Mit der Landtagswahl vom 19. September 2004 veränderten sich die politischen Verhältnisse im bisherigen ostdeutschen 'Musterland' radikal: Die Christdemokraten verloren ihre absolute Mehrheit und mussten eine Koalition mit der SPD eingehen. Die rechtsextremistische NPD zog in den Landtag ein und wurde zweitstärkste Oppositionspartei. Vorangegangen war ein Wahlkampf, in dem PDS und NPD die etablierten Parteien wegen der 'Hartz-IV'- Reformen massiv attackiert hatten. Das Parteiensystem Sachsens hat sich, auch im Hinblick auf den antiextremistischen Konsensus, grundlegend gewandelt.

Dr. Ulrich Brümmer arbeitet als leitender Fernsehredakteur in Sachsen.

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Leseprobe
2 Parteien und Parteiensysteme: Dimensionen des Wandels (S. 32)

2.1 Definitionen und Typoiogien von Parteien

Der in der Parteienforschung zentrale Begriff „Partei entzieht sich in der Literatur einer allgemein anerkannten Definition. Klassische Begriffsbestimmungen beziehen sich vor allem auf die Funktionen der Parteien. Minimaldefinitionen, die Parteien (lateinisch: pars) als Teil eines Ganzen beschreiben, als Zusammenschlüsse Gleichgesinnter, die politische Ziele durchsetzen wollen, sind wenig aussagekraftig. Zu viele Gruppierungen lassen sich darunter subsumieren.

Da sich der Untersuchungsgegenstand im wesentlichen auf das Bundesland Sachsen bezieht, bieten sich die, auch in der Literatur konsensfähigen, Legaldefinitionen an. Das Grundgesetz weist in Art. 21 den Parteien zwar normative Funktionen zu, enthalt sich aber einer näheren Begriffsbestimmung.

Diese erfolgt im Parteiengesetz von 1967: „Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für langere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang oder Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öflfentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.

Nach dieser Legaldefinition gelten poiltische Gruppierungen, die lediglich bei Kommunalwahlen antreten, die sogenannten „Rathausparteien (Freie Wahlergemeinschaften) somit nicht als Parteien. Das Parteiengesetz misst den Parteien eine aus Art. 21 GG abgeleitete besondere Stellung zu: Sie seien „ein verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Verfassung des Freistaates Sachsen verzichtet auf eigene Definitionen oder Funktionsbestimmungen der Parteien. Diese werden nur einmal im Abschnitt über die Verwaltung erwähnt.

Sind Parteien zugleich Staatsorgane? Das Bundesverfassungsgericht präzisiert die im Grundgesetz und auch im Parteiengesetz nicht abschließend definierte Stellung der Parteien im politischen System der Bundesrepublik Deutschland in seinen Entscheidungen. Danach seien Parteien keine Staatsorgane in dem Sinne wie Regierungen und Parlamente.

Doch da Wahlergruppen, die Wahlvorschläge machen, Staatsorgane sein können, seien auch die durch sie repräsentierten Parteien Staatsorgane. So nehmen die politischen Parteien eine Sonderstellung ein. Sie gelten als Faktoren des Verfassungslebens als Körperschaften im Rang einer verfassungsrechtlichen Institution.

Das Konzept der catch-all-party, zu deutsch „Allerweltspartei, ist erstmalig umfassend von Otto Kirchheimer formuliert worden. Sein historischer Ansatz greift zurück auf Max Webers Parteiensoziologie und erweitert die Parteientypologie von Sigmund Neumann. Für Weber, wie später für Kirchheimer, entwickeln sich Parteien aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen und Konflikte, insbesondere der Ausweitung des Wahlrechts.

Den Honoratiorenparteien und den Parlamentariern alten Typs „stehen nun die modernsten Formen der Parteiorganisationen gegenüber. Sie sind Kinder der Demokratie, des Massenwahlrechts, der Notwendigkeit der Massenwerbung und Massenorganisation, der Entwicklung höchster Einheit der Leitung und strengster Disziplin.

Nach Kirchheimer dominieren zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei grundverschiedene Parteitypen: die individuellen Repräsentationsparteien des Bürgertums und die von Max Weber beschriebenen, neu entstandenen Massenparteien sozialistischer Prägung, getragen von der industriellen Arbeiterschaft. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs werden die Massenparteien zu Massenintegrations- parteien auf Klassen- oder Konfessionsbasis.

Die alteren bügerlichen Parteien hingegen sind nicht in der Lage, sich zu Integrationsparteien weiterzuentwickeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in einer Phase der zunehmenden Entideologisierung, wandeln sich die noch von Klassengegensätzen und Konfessionszugehörigkeiten geprägten Massenintegrationsparteien zu Allerweltsparteien oder auch „catch-all parties.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort7
Vorwort11
Inhalt13
1 Einleitung17
1.1 Untersuchungsgegenstand17
1.2 Problemstellung20
1.3 Stand der Forschung21
1.4 Aufbau und Abgrenzung29
2 Parteien und Parteiensysteme: Dimensionen des Wandels32
2.1 Definitionen und Typoiogien von Parteien32
2.2 Quantitative und qualitative Strukturmerkmale von Parteiensystemen37
2.3 Elemente und Bestimmungsgründe von Kontinuität und Wandel46
3 Entstehung des sächsischen Parteiensystems im revolutionären Umbruch50
3.1 Ausgangslage: Politisches System der DDR vor dem Umbruch50
3.2 Phase der Bipolarisierung: Erosion des SED-Hegemonialanspruches55
3.3 Phase der Ausdifferenzierung: Reformen und Neugründungen59
3.4 Phase der Angleichung: Funktionslogik von Wahlen und Wahlkämpfen64
3.5 Phase der Vereinigung: Staatliche Einheit als prägender Faktor71
3.6 Zusammenfassung74
4 Erste Legislaturperiode (1990 -1994)77
4.1 Landtagswahl vom 14. Oktober 199077
4.2 Quantitative Strukturelemente des Parteiensystems: Format, Fragmentierung, Asymmetrie und Volatilität108
4.3 Polarisierung und Segmentierung115
4.4 Stabilität124
4.5 Zusammenfassung129
5 Zweite Legislaturperiode (1994 -1999)134
5.1 Landtagswahl vom 11. September 1994134
5.2 Quantitative Strukturelemente des Parteiensystems: Format, Fragmentierung, Asymmetrie und Volatilität152
5.3 Polarisierung und Segmentierung156
5.4 Stabilität161
5.5 Zusammenfassung163
6 Dritte Legislaturperiode (1999 - 2004)167
6.1 Landtagswahl vom 19. September 1999167
6.2 Quantitative Strukturelemente des Parteiensystems: Format, Fragmentierung, Asymmetrie und Volatilität188
6.3 Polarisierung191
6.4 Stabilität193
6.5 Zusammenfassung200
7 Vierte Legislaturperiode (seit 2004)205
7.1 Landtagswahl vom 19. September 2004205
7.2 Quantitative Strukturelemente des Parteiensystems: Format, Fragmentierung, Asymmetrie und Volatilität234
7.3 Polarisierung und Segmentierung235
7.4 Stabilität239
7.5 Zusammenfassung245
8 Sächsischer Weg248
9 Schlussbetrachtung260
9.1 Zusammenfassung260
9.2 Perspektiven267
Quellen- und Literaturverzeichnis272
Quellenverzeichnis272
Verzeichnis der interviewten Personen275
Literaturverzeichnis275
Unselbständig erschienene Literatur281
Anhang288
Abkürzungsverzeichnis288
Tabellenverzeichnis290

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