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E-Book

Schwestern der Revolution

Aktivistinnen im Kampf gegen Diktatur und Unterdrückung

AutorArabelle Bernecker, Susanne Glass
VerlagHerbig
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783776682120
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Furchtlos in der ersten Reihe standen Frauen bei Revolutionen seit jeher, doch sichtbar haben sie erst die neuen Medien gemacht. Als 'das Mädchen mit dem blauen BH' in Ägypten oder die von Wasserwerfern beschossene 'Frau im roten Kleid' in der Türkei gingen ihre Bilder um die Welt - und haben unseren Blick auf die Frauen, vor allem auch die aus arabischen Ländern, für immer verändert. Doch wer sind diese unerschrockenen Frauen aus völlig unterschiedlichen Kulturen, die jede für sich die mutige Entscheidung getroffen haben, sich gegen Diktatur und Ungerechtigkeit aufzulehnen, obwohl sie dafür einen hohen Preis zahlen müssen? In eindrucksvollen Porträts ziehen diese 'Schwestern der Revolution', wie die Straßenschlacht-erprobte Ola aus Kairo oder die international vernetzte Aktivistin Breza aus Serbien, Bilanz.

Arabelle Bernecker, Politologin und Journalistin, hat in Albanien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo gelebt und für Internationale Organisationen im Nahen Osten und in Nordafrika gearbeitet. Die Frauen, die sie dort traf, haben sie zum Buch 'Schwestern der Revolution' inspiriert. Sie lebt und arbeitet in Wien. Susanne Glass, promovierte Politologin, ging mit 29 Jahren als Kriegsberichterstatterin für die ARD ins Kosovo. Heute ist sie Studioleiterin des ARD-TV-Studios Wien/ Südosteuropa und Präsidentin des Verbands der Auslandspresse, Wien. Ihre Reportagen wurden mit diversen Preisen ausgezeichnet. Bernd Kolb lebt in Berlin, Marrakesch und Ubud (Bali) und gilt weltweit als renommierter Visionär und Vordenker. Seit 2012 ist er mit seiner 'Wisdom Expedition' auf den Spuren alter Weisheitstraditionen. In seiner Arbeit als Fotograf zeigt er mit außergewöhnlichen Portraits den Menschen 'hinter der Maske'.

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Leseprobe

Frauen kämpfen für Veränderung, Männer um die Macht

»Wenn das Volk eines Tages zu leben beschließt
Muss das Schicksal sich beugen
Muss die Finsternis weichen
Müssen die Ketten aufbrechen.«

Abu al-Qasim asch-Schabbi, tunesischer Nationaldichter (1909–1934)

Wie würden wir handeln? In die Schusslinie der Polizei springen, um einen schwer verletzten Freund zu retten? Was wäre, wenn wir im Gefängnis brutal zusammengeschlagen oder sexuell misshandelt würden oder eine SMS mit einer Todesdrohung auf dem Handy aufblinkt? Ein naher Verwandter plötzlich verschwindet – und unauffindbar bleibt? Würden wir trotzdem, wie Ola in Ägypten oder Zaheena auf den Malediven, für unsere Überzeugungen weiterkämpfen? Unser Leben, vielleicht auch das unserer Familie, für Menschenrechte und Demokratie, gegen Unterdrückung und Willkürherrschaft riskieren?

Bei der Arbeit an diesem Buch haben wir uns viele, oft sehr persönliche Fragen gestellt. Die meisten sind unbeantwortet geblieben. Zum Glück, denn wir leben in einem Rechtsstaat. Aber eines wurde uns dadurch klar: Dies ist ein großes Privileg. Und die Fragen sind geblieben, genauso wie die Bilder und Geschichten dieser außergewöhnlichen Frauen. Sich mit ihren Schicksalen auseinanderzusetzen, hat schließlich auch unser Leben verändert. Nicht dass wir das so geplant hätten. Im Gegenteil, damit hätten wir nicht gerechnet.

Die Themen Revolution, Krisen, Bürgerkrieg, Staatswillkür sind ja nicht neu für uns. Wir beschäftigen uns beide seit vielen Jahren damit. Susanne ist mit 29 Jahren ins Kosovo gegangen, um für die ARD über den Krieg zu berichten. Später hat sie in Belgrad verfolgt, wie es der oppositionellen Bewegung gelang, das Regime des serbischen Diktators Milosevic friedlich zu stürzen. Inzwischen ist sie seit mehr als 15 Jahren als Korrespondentin in Südosteuropa unterwegs.

Arabelle hat seit 1999 für internationale Organisationen in Osteuropa, im Nahen Osten und Nordafrika gearbeitet. Hat dabei während des Kosovo-Konflikts in Albanien Flüchtlinge registriert und in Bosnien-Herzegowina zum Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten staatlichen und zivilen Strukturen beigetragen.

Beide sind wir durch unsere Arbeit immer wieder in kritische Situationen geraten. Manches Mal war es noch gefährlicher, weil wir Frauen sind. Manches Mal hat uns genau das gerettet. Wir haben einander diese Erlebnisse erzählt – das schon. Aber viel ausführlicher waren unsere Diskussionen über die Einsatzgebiete: Wie wir die politische Situation vor Ort beurteilten, ob es im Job Probleme gab und wie und wohin wir den nächsten Trip organisieren würden.

Aber dann kam Arabelle eines Tages aus Algerien zurück und konnte nicht mehr aufhören, von Houria Toubal zu sprechen. Dieser charismatischen »Alten Kämpferin« (»ancienne combattante«) des algerischen Unabhängigkeitskriegs, die als Revolutionärin mit ihren Kameraden sechs Jahre in der Wildnis gelebt hat. Eine Frau, die in den Abgrund der menschlichen Seele geblickt und am eigenen Leib erfahren hat, zu welchen Extremleistungen man seinen Körper zwingen kann, wenn man muss – und die dennoch ein außergewöhnlich positiver, warmherziger Mensch geblieben ist.

Uns fiel auf, dass man viel zu wenig von ihr und ihresgleichen weiß, obwohl es doch schon immer Frauen gegeben hat, die in Kriegen, Aufständen und Revolutionen an vorderster Front mitgekämpft haben.

Wir hatten nicht zuletzt auf unseren Reisen immer wieder Frauen getroffen, die sich, wie Houria, auf beeindruckende Weise unter Lebensgefahr gegen Diktatur und Ungerechtigkeit aufgelehnt haben. Frauen, deren Geschichten uns bewegt und in ihren Bann gezogen haben. Weil sie von Mut handeln. Aber auch von Selbstaufgabe. Von Tollkühnheit, Prinzipientreue und Idealismus. Von der Fähigkeit, im Angesicht allergrößter Gefahr und trotz aller Rückschläge immer wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Es hat sie immer gegeben, diese weiblichen Vorbilder. Doch erst jetzt, wo Twitter und Facebook das Monopol der klassischen Medien aufbrechen, beginnen sie endlich sichtbarer zu werden.

Wer sind nun diese »anciennes combattantes«, deren Erbe das Selbstverständnis der Algerierinnen bis heute prägt, oder die Aktivistinnen des Arabischen Frühlings, die unser Bild von der muslimischen Frau für immer verändert haben? – Die Idee für dieses Buch war geboren.

Frauen, die nicht nur ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen, sondern die Zukunft ihres Landes aktiv mitgestalten: Ihre Gesichter wollten wir zeigen und ihre Geschichten erzählen. Auch um zu unterstreichen, dass die alte, leidige Frage: »Ja, kann das denn eine Frau, ist das nicht viel zu gefährlich?« eigentlich längst beantwortet ist. Es geht hier deshalb gar nicht mehr so sehr um das »Ob«, sondern um das »Wie«: darum, wie Frauen Ausnahmesituationen bewältigen. Was sie motiviert und was sie fürchten. Aber auch: Mit welchem Ergebnis sie ihre Vorstellungen umsetzen.

Breza aus Belgrad hat es so formuliert: »Frauen müssen keine Heldinnen sein. Sie haben nicht dieses Testosteron-Dings. Sie stecken ihre Ziele lieber realistisch. Und sind damit oft erfolgreicher als Männer.« Breza muss es wissen. Sie hat Kontakt zu tatsächlichen und potenziellen Revolutionären und Revolutionärinnen auf der ganzen Welt. Vermutlich so viel Kontakt wie niemand sonst. Es ist ihr Job, Seminare für prodemokratische Aktivisten zu organisieren. Daher kennt Breza auch Cecilia, die auf den Philippinen für Rechtsstaatlichkeit kämpft, und Sara aus Ägypten, die extra nach Serbien gereist ist, um einen der CANVAS-Workshops (Centre for Applied Nonviolent Action and Strategies) zu besuchen. So wie auch Nini aus Georgien, die sich in Belgrad Tipps für die Rosenrevolution in Tiflis geholt hat. Inzwischen hält Nini selbst solche Workshops, derzeit unter anderem für Iraner oder Syrer.

Einige der Revolutionärinnen sind also ganz real, über alle Grenzen und Schwierigkeiten hinweg, miteinander verbunden. Bei anderen existiert die Verbindung eher im übertragenen, ideellen Sinne. »Schwestern im Geiste« sind sie alle. Und alle setzen sie für ihre Ziele ihre ganze Existenz aufs Spiel.

Die Frauen selbst sind sich der Gefahr, in der sie schweben, sehr bewusst. Gleichzeitig wollen sie ihre Geschichte teilen, um anderen Mut zu machen. Nicht zuletzt, weil Öffentlichkeit in manchen Fällen schützen kann. Sie kann aber auch extrem schaden. Für unser Buch bedeutete das eine heikle Gratwanderung: Was können wir über die für Außenstehende normalerweise geheimen CANVAS-Workshops erzählen? Welche Details darf man erwähnen, auf welche sollten wir zum Schutz der Frauen verzichten? Unsere Entscheidungen mussten wir immer wieder überdenken, da sich die Situation in den jeweiligen Ländern und damit auch die Bedrohungsszenarien für die Frauen während der Arbeit an diesem Buch ständig änderten. Wir haben uns in jedem Zweifelsfall für die Sicherheit entschieden. Einige Frauen haben wir zu ihrem eigenen Schutz wieder aus dem Fokus genommen.

Die Recherchen für dieses Buch waren dementsprechend abenteuerlich, und immer wieder sind wir auch an unsere eigenen Grenzen gestoßen. (Ein anschauliches Beispiel dafür ist auch der Bericht unseres Fotografen Bernd.) Nicht einmal in Tunesien, das in unseren Köpfen doch als freundliche Urlaubsdestination und Erfolgsgeschichte des Arabischen Frühlings gespeichert ist, liefen die Dinge erwartungsgemäß. Das Interview mit der Bloggerin und Kandidatin für den Friedensnobelpreis Lina Ben Mhenni war zum Beispiel schon vereinbart, es ging nur noch um das Wann und Wo. Plötzlich – Schweigen. Auf unsere Mails kam keine Antwort mehr. Schon knapp vor dem Aufgeben, entdeckten wir im Internet einen offenen Brief, in dem sich die Weltorganisation gegen Folter für Lina einsetzte und einen sofortigen Stopp aller Übergriffe verlangte. 2011 hätte das niemanden erstaunt. Aber im politisch sensiblen Wahljahr 2014, in dem die Regime größtes Interesse daran haben mussten, sich als rechtschaffen zu präsentieren? Ein überraschender Blick hinter die Kulissen des als »Erfolgsmodell« gepriesenen Tunesien. Weitere Recherchen ergaben, dass Lina im Krankenhaus lag, nachdem sie auf einer Polizeistation in Djerba zusammengeschlagen worden war.

Lina – getreu ihrem Motto »Die Arbeit einer Bloggerin endet nie« – war kurz nach ihrer Entlassung schon wieder zu einem Gespräch bereit. Auf zwei andere interessante Tunesierinnen mussten wir allerdings verzichten: Khaltoum Khennou machte just am Tag des geplanten Interviews ihre Präsidentschaftskandidatur publik und war ab diesem Moment nicht mehr Herrin ihrer Zeit. Und eine junge, schillernde Aktivistin mit exhibitionistischen Anwandlungen wollten wir nicht mehr ins Buch aufnehmen, nachdem sie unsere höfliche Anfrage mit exakt fünf Worten beantwortet hatte: »How much do you pay?«

Dies war allerdings das einzige Mal, dass wir diese Frage hörten. Was aber häufiger passierte, war, dass zwei Tage vor dem Abflug in eines der Länder unsere Panik wuchs, weil trotz größter Bemühungen kein einziges Treffen fixiert war, sondern – wenn überhaupt – nur lapidare Nachrichten kamen wie: »Ja, da bin ich wahrscheinlich sowieso da, ruf einfach an, wenn du in Kairo bist, dann machen wir etwas aus.« Das hat mit mediterraner Lässigkeit zu tun – bei der wir offenbar nicht mithalten können. Aber auch damit, dass unsere Frauen wissen, dass jeder ihrer Schritte überwacht und beobachtet wird. Egal über welche Medien sie kommunizieren, keines ist sicher. Zeit und Ort eines Treffens werden deshalb am liebsten so kurzfristig wie möglich fixiert. Manchmal tauchen die Frauen auch ganz bewusst für ein paar Tage ab. Oder sie sind...

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