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Bruno Kreisky -Transformation der SPÖ

Bruno Kreisky wird Parteiobmann

AutorHarald Pesendorfer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl135 Seiten
ISBN9783640083619
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1996 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nachkriegszeit, Kalter Krieg, Note: sehr gut, Universität Wien, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Sommersemester 1995 befasste ich mich im Rahmen des Seminars 'Politische Kultur in Österreich 1945-1983' mit dem Thema 'Die SPÖ in der Ära Klaus'. Den Schwerpunkt bildete dabei der Weg der SPÖ von der Opposition zur Minderheitsregierung und der Aufstieg Bruno Kreiskys zum Bundeskanzler. Mein Interesse wurde geweckt, als ich auf die großen innerparteilichen Widerstände stieß, mit denen Kreisky zu kämpfen hatte. Vor seiner erfolgreichen Zeit als Parteiobmann und später auch als Regierungschef war er bei weitem nicht so unumstritten, wie sich dies oft darstellte. Bis zu den verlorenen Wahlen 1966 wäre ein Bruno Kreisky an der Spitze der Partei eine unrealistische Vorstellung gewesen. In der einschlägigen Literatur wird diese Tatsache meist nur am Rande erwähnt. Hier soll deshalb die Frage behandelt werden, welche Umstände dazu führten, dass Kreisky Parteiobmann wurde. Im ersten Kapitel wird zunächst die Entwicklung der SPÖ in den Jahren 1958 - 1966 dargestellt. Das besondere Augenmerk gilt den Auflösungserscheinungen der Großen Koalition und den Krisen innerhalb der SPÖ, vor allem den Auseinandersetzungen rund um Innenminister Franz Olah. Das Ergebnis der Nationalratswahlen 1966, bei denen die ÖVP die absolute Mehrheit erreichte, war die Konsequenz dieser Missstände. Das zweite Kapitel behandelt das Ende der Großen Koalition, das Scheitern der Regierungsverhandlungen und die Bemühungen der SPÖ, die Niederlage aufzuarbeiten. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Landesorganisationen und der Zentrale in Wien. Die Ablösung Pittermanns und die Suche nach einem Nachfolger begannen sich anzukündigen. Kreisky, der sich nicht ganz freiwillig in die niederösterreichische Landespolitik zurückgezogen hatte, wurde immer häufiger als Alternative genannt, sehr zum Missfallen der Parteispitze. Der Parteitag 1967 und die Wahl Bruno Kreiskys zum Parteiobmann bilden den Schluss der Arbeit. Beschrieben werden die Ereignisse im Vorfeld des Parteitages, die Versuche, Kreiskys Wahl zu verhindern, und die Kür des neuen Parteivorsitzenden. Die Forschung hat sich mit diesem Zeitraum in den letzten Jahren ausführlicher beschäftigt, doch behandelt die Literatur den Aufstieg Kreiskys nicht schwerpunktmäßig. Wichtige Informationen lieferten das Kreisky-Archiv, Parteitagsprotokolle, Tageszeitungen und Parteipresse sowie der Broda-Nachlaß. Ergänzend wurden mehrere Interviews mit ehemaligen Politikern geführt.

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Leseprobe

1     Zeittafel


2     Der Weg in die Niederlage


 

2.1     Die innenpolitische Situation vor den Wahlen 1962


 

Die wilden Sechziger Jahre begannen in Österreich eher beschaulich. Seit über zwanzig Jahren gab es nun schon die Große Koalition zwischen ÖVP und SPÖ, und unter den beiden Regierungsparteien war man sich einig, dass diese auch die beste Regierungsform für das Land sei. Dabei war die Notwendigkeit für eine derartige Regierung der Großparteien spätestens seit dem Staatsvertrag 1955 nicht mehr gegeben. Die Besatzungsmächte hatten das Land verlassen, die Wirtschaft florierte und auch in der Innenpolitik würde ohne den so oft beschworenen gemeinsamen Konsens nicht das Chaos ausbrechen. Auch die Theorie, es gäbe eine Opposition in der Regierung hielt nicht der Wirklichkeit stand, ernsthafte Kritik kam faktisch nur von den unabhängigen Zeitungen; Fernsehen und Radio waren fest in der Hand der Parteien. Die Bevölkerung reagierte immer ungehaltener auf die Auswüchse der Proporzregelung. Nicht zu Unrecht hatten die Menschen das Gefühl, die Großparteien teilten unverfroren das Land untereinander auf, ohne Widerstand erwarten zu müssen. Unübersehbar wurden jedoch die Schwierigkeiten mit denen die Regierung zu kämpfen hatte, die beiden Parteien fanden nicht mehr die Kraft und auch oft nicht mehr den Willen, größere Entscheidungen oder Reformen anzugehen, geschweige denn sie zu verwirklichen.[1]

 

Ende der Fünfziger kam es zum Generationswechsel in der SPÖ. Bruno Pittermann übernahm die Posten des Parteiobmanns und Vizekanzlers von Adolf Schärf, der 1957 Bundespräsident wurde. Mit dem neuen Obmann rückt eine neue Generation von Politikern in die erste Reihe vor. Die alten Granden Oskar Helmer, Johann Böhm und Karl Maisel zogen sich zurück, an ihre Stelle traten Bruno Kreisky, Franz Olah, Christian Broda und Felix Slavik, um nur die wichtigsten zu nennen.[2] Pittermann stürzte sich sofort in die Arbeit, und eines seiner ersten Ziele war ein neues Parteiprogramm.

 

2.1.1     Das Wiener Programm von 1958


 

Ein neues Parteiprogramm war eigentlich schon lange überfällig. Die Partei folgte offiziell noch immer dem „Linzer Programm“ von Otto Bauer, erstellt 1926. Diese Grundsatzerklärung basierte natürlich auf den Gegebenheiten der Zwischenkriegszeit und war restlos veraltet. Abgesehen von den vielen Irrtümern die Entwicklung Österreichs betreffend, stand der Austromarxismus im Vordergrund.[3] Die “Diktatur des Proletariats“, die Verstaatlichung und der Kampf gegen die Katholische Kirche gehörten damals zum guten Ton der Partei. Als nicht mehr zeitgemäß konnte man auch die Zweifel an der Lebensfähigkeit und Eigenstaatlichkeit Österreichs sehen.[4] Nach Kriegsende 1945 hätte die SPÖ eigentlich sehr bald ein neues, den veränderten Zeiten angepasstes Programm erarbeiten müssen. Doch die großen Probleme des Landes und die beginnende Zusammenarbeit mit den früheren Feinden aus der Volkspartei führten zu einer politischen Entideologisierung, und pragmatisches Handeln war wichtiger als sozialistische Grundsätze. Entscheidend für diese Entwicklung war auch die Gruppe der führenden Funktionäre; Adolf Schärf, Oskar Helmer, Theodor Körner und Paul Speiser kamen vom rechten Flügel der Partei, und sie hatten von der Vergangenheit gelernt. Niemand wollte eine Radikalisierung in der Innenpolitik, der Wiederaufbau stand im Vordergrund.[5] 1947 erstellte Julius Deutsch ein Aktionsprogramm, dass das Linzer Programm zwar nicht ablösen, aber einige überarbeitete Grundsätze klarstellen sollte. Die Lebensfähigkeit von Österreich wird darin nicht mehr angezweifelt, die Privatindustrie nicht generell verteufelt und die Religion zur Privatsache erklärt. Im großen und ganzen aber bewegt es sich auf der Basis des Austromarxismus und den Ideen Otto Bauers. Am Parteitag 1947 kam es deswegen zu heftigen Diskussionen.[6] Für den Pragmatiker Adolf Schärf hingegen waren solch theoretische Spitzfindigkeiten nur lästig, er passte die Ideologie der jeweiligen Situation an und handelte so, wie er es für richtig hielt. Ein neues Programm würde nur unnötige Probleme schaffen und war somit entbehrlich.[7]

 

Nach seiner Wahl zum Parteiobmann beauftragte Pittermann eine kleine Gruppe von Funktionären mit der Erstellung eines Entwurfes für ein neues, modernes Parteiprogramm. Die SPÖ hatte sich zu einer Massenpartei mit weit über 600 000 Mitgliedern entwickelt, und mit Hilfe des neuen Programms sollten die Ziele der Partei und ihre ideologischen Grundlagen deutlich gemacht werden.[8] Beteiligt waren Zentralsekretär Alois Piperger, Bruno Kreisky, Fritz Klenner; später kam auch noch Benedikt Kautsky, ein Universitätsdozent dazu.[9] Diese sollten die Vorarbeiten leisten und am Parteitag 1957 einen Vorentwurf präsentieren. Kautsky fiel im Laufe der Monate die Hauptarbeit zu, und so war er es auch, der den Delegierten am Salzburger Parteitag den Entwurf vorstellte.[10]

 

Sein Referat sorgte für aufgeregte Diskussionen. Kautsky ging auf die Unterschiede zwischen Kommunismus und Sozialismus ein und griff die kommunistische Ideologie frontal an. Er verglich sie mit dem Nationalsozialismus und stellte beide als Todfeinde des Sozialismus dar. Einen wunden Punkt unter den linken Funktionären traf er mit der Feststellung: „Die moderne Gesellschaft hat sich ganz anders entwickelt, als Marx es im Kommunistischen Manifest voraussagte.[11] Kautsky will eine Abkehr vom Austromarxismus, jedoch nicht vom Sozialismus. Er bekräftigt das auch mit klaren Aussagen wie: „Aber es gibt für den Sozialismus ebenso wenig einen Kompromiss mit dem Kapitalismus, selbst nicht in Form des Wohlfahrtsstaates.   ...   Eine Rücküberführung verstaatlichter Betriebe in private Hände darf es in diesem Land nicht mehr geben.“ Außerdem will er eine Neubestimmung des Sozialismus, die er wie folgt formuliert: „Sozialismus ist eine Gesellschaftsordnung, also eine Ordnung der Lebensverhältnisse und der Beziehungen der Menschen zueinander, deren Ziel die freie Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit ist.[12] Nicht vorhanden ist auch das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft. Ein weiterer heikler Punkt ist das Verhältnis zur Religion, hier im speziellen natürlich zur Katholischen Kirche. Der Antiklerikalismus der Ersten Republik ist überholt und damit der Kampf gegen die Kirche obsolet geworden. Die Partei soll sich öffnen und ideologischen Ballast abwerfen, denn nur so könnten neue Wählerschichten angesprochen und gewonnen werden. Die Entwicklung zu einer Partei aller Arbeitenden ist erstrebenswert.[13] Damit war die Programmdiskussion eröffnet.

 

In den Wochen nach dem Parteitag gingen die Wogen der Erregung innerhalb der SPÖ hoch. Die Auseinandersetzung wurde vor allem in der „Zukunft“ geführt. Themen gab es ja genug, im Vordergrund standen aber das Verhältnis zum Austromarxismus und die Begriffsbestimmung der sozialistischen Gesellschaftsordnung.[14] Christian Broda besteht auf die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, da er in diesem Punkt den wesentlichen Unterschied einer sozialistischen Partei zu einer liberalen Reformpartei sieht.[15]Josef Hindels, ein prononcierter Linker, empört sich über diesen Angriff auf traditionelle Werte. Er wirft den Verfassern vor, sich radikal vom „Linzer Programm“ entfernt zu haben und einen Rechtsruck der Partei einleiten zu wollen, in der naiven Hoffnung, eine Aussöhnung mit dem Klassenfeind erreichen zu können. Fritz Klenner hingegen meint, die SP müsse sich von einer Arbeiterpartei zu einer sozialen Volkspartei entwickeln, sich das Vertrauen von Randschichten erarbeiten, um hier Stimmengewinne zu erringen. Gruppen wie Kleinbauern, Intellektuelle und Gewerbetreibende könnten gewonnen werden. Im übrigen sei die Partei schon auf dem besten Weg dorthin, und dies müsse sich auch im Programm widerspiegeln.[16] Großen Widerstand rief auch die Idee nach einer Versöhnung mit der Kirche hervor. Die alten Kader wehrten sich mit Händen und Füßen gegen eine Verständigung, denn ein wahrer Sozialist bekannte sich zum Atheismus, und die katholische Kirche war nichts anderes als ein Hilfsorgan des Kapitalismus.[17] Einen anderen Standpunkt nahm interessanterweise der Chefideologe Karl Czernetz ein. Er wollte eine Entkrampfung zwischen Partei und Kirche erreichen, da der Kampf gegen diese immer schlecht für die Partei war: „Es ist für den Sozialismus nicht gut, wenn die Kirche gegen ihn Stellung bezieht.“ Insgesamt wurden über tausend Abänderungsanträge eingebracht. Die endgültige Ausformulierung übernahm zum...

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