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Koloniale Begegnungen

Deutschland und Großbritannien als Imperialmächte in Afrika 1880-1914

AutorUlrike Lindner
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl533 Seiten
ISBN9783593412276
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis62,99 EUR
Kolonialherrschaft betraf nie nur Afrikaner und Kolonialherren, sie entwickelte sich vielmehr in einer Welt der Konkurrenz, des Austauschs und der Kooperation zwischen den europäischen Imperialmächten. Ulrike Lindner untersucht daher die Interaktionen zwischen Deutschland und Großbritannien in deren benachbarten afrikanischen Kolonien. Sie schildert die Begegnungen der Kolonialherren im Alltag und den jeweiligen Umgang mit der afrikanischen Bevölkerung. Ihre Verflechtungsgeschichte zeigt den deutschen Kolonialismus erstmals in globaler Sicht als Teil eines gemeinsamen, imperialen europäischen Projekts.

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Leseprobe
Kolonialismus in Afrika war während der Phase des Hochimperialismus in vielen Aspekten ein gemeinsames Projekt der europäischen Kolonialnationen. Mit wachsender Aufmerksamkeit verfolgten die Kolonisierenden die Politik ihrer europäischen Konkurrenten. Der Vergleich untereinander entwickelte sich zu einer imperialen Strategie, die für die Ausformung der eigenen Kolonialherrschaft eine entscheidende Rolle spielte. Der Globalisierungsschub in den Dekaden vor dem Ersten Weltkrieg, der eine technische Vernetzung und rascheren Austausch zwischen den Kolonialmächten ermöglichte, begünstigte diese Entwicklung. Im Prozess der Kolonisierung Afrikas standen sich die beiden hier untersuchten Kolonialmächte Großbritannien und Deutschland als erfahrene Kolonialmacht und als 'Nachzügler' gegenüber. Für Deutschland, das sich erst ab 1884 in Kolonien engagierte, galt Großbritannien stets als Bezugspunkt kolonialer Überlegungen. Insofern bietet es sich geradezu an, den deutschen Kolonialismus in Bezug auf den britischen Kolonialismus zu untersuchen - das Vorbild, an dem sich die Deutschen abarbeiteten, nachahmend und abgrenzend. Beim Britischen Empire liegt Deutschland als Vergleichspunkt weniger nahe, da das Vereinte Königreich überall auf der Welt den verschiedensten Kolonialmächten begegnete. Wendet man sich allerdings Afrika in der Zeit des Hochimperialismus zu, so gewinnt der Austausch mit Deutschland an Bedeutung. Gerade nach 1900 engagierten sich die Deutschen stark in ihren afrikanischen Kolonien, die in ihrem Kolonialreich den wichtigsten Platz einnahmen. Deutsche Kolonien wurden so für das britische Empire über strategische Überlegungen hinaus als Wissenslieferanten wichtig, auch wenn man sich stets vom unerfahrenen 'Kolonialneuling' abzugrenzen suchte. Der britische Publizist Louis Hamilton schrieb 1912 in der Zeitschrift United Empire über deutschen und britischen Kolonialismus: 'The Germans are willing to learn where they can from us: let us be equally open-minded and learn where we can from them.' Die Interaktionen über die Grenzen der Kolonien hinweg sowie zwischen den Mutterländern intensivierten sich in den nächsten Jahren. So stand Wilhelm Solf, Staatssekretär des deutschen Reichskolonialamtes ab 1911, noch im Juni 1914 mit Frederick Lugard, dem einflussreichen britischen Kolonialpolitiker und Gouverneur von Nigeria, in enger Korrespondenz über Fragen kolonialer Administration in Westafrika. Wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs würde man einen solchen Austausch zwischen Politikern zweier Nationen, die sich in den Jahren zuvor zu den größten Rivalen in Europa entwickelt hatten, nicht erwarten. Das Kaiserreich war zur wichtigsten kontinentalen Macht in Europa aufgestiegen und provozierte Großbritannien durch seine intensive Flottenaufrüstung, das Britische Empire wiederum sah sich in der edwardianischen Ära mit zahlreichen Problemen konfrontiert, die die britische Vormachtstellung in der Welt in Frage stellten. Der nur mühsam errungene Sieg gegen die Buren im Südafrikanischen Krieg 1899-1902 galt in den Augen vieler britischer Zeitgenossen als Zeichen eines beginnenden Niedergangs. Trotz dieser Differenzen erschien eine koloniale Verständigung in Afrika selbstverständlich. Innerhalb dieses Spannungsverhältnisses von Konkurrenz und Kooperation, Globalisierung sowie nationalen Rivalitäten und Abgrenzungen wird die britische und deutsche Kolonialherrschaft in Afrika in den Dekaden vor dem Ersten Weltkrieg in den Blick genommen. Kolonialherrschaft in Afrika definiert sich in erster Linie als Gewaltherrschaft kolonisierender Europäer über kolonisierte Ethnien und als Geschichte kolonialer Ausbeutung. Sie stellt sich aber genauso als die gemeinsame, verflochtene Geschichte eines Austauschs und einer Begegnung dar - in erster Linie zwischen Afrikanern und Europäern, aber auch zwischen den beiden europäischen Kolonialherren. Die Studie widmet sich den Begegnungen der kolonisierenden Nationen, die stets im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen und Abgrenzungen von den kolonisierten Gesellschaften analysiert werden, sowie der gegenseitigen Rezeption kolonialer Praktiken in Metropole und Kolonie. Die Praktiken der verschiedenen kolonialen Administrationen, Kooperationen und Abgrenzungen zwischen den Kolonisierenden, die gemeinsamen europäischen Ziele, aber auch die unterschiedlichen politischen und rassistischen Regimes in den Kolonien lassen sich auf diese Weise genau in den Blick nehmen. Mit diesem thematischen Ansatz verfolgt die Arbeit das Ziel, den deutschen Kolonialismus, der oftmals lediglich vor dem Hintergrund der deutschen Entwicklung des 20. Jahrhunderts gesehen wird, stärker in den Rahmen eines europäischen Imperialismus einzufügen und gleichzeitig zu verdeutlichen, dass sich auch das Britische Empire ab 1900 für andere europäische Imperien zu interessieren begann. Es wird zweitens untersucht, wie in der kolonialen Situation nicht nur die Auseinandersetzung mit den Kolonisierten ein wichtiges Mittel für die Selbstdefinition der Kolonisierenden war, sondern sich auch die Positionierung gegenüber dem imperialen Nachbarn zu einem signifikanten Bestandteil der Identitätsfindung entwickelte. Drittens soll demonstriert werden, dass diese Abgrenzungsbemühungen gegenüber dem anderen Kolonialherrn in der letzten Dekade vor dem Ersten Weltkrieg in den Hintergrund traten und ein gemeinsames imperiales Projekt die Kolonisierung Afrikas dominierte, das von einem intensivierten Wissensaustausch begleitet wurde. Die globale Vernetzung funktionierte stets parallel zu nationalistischen Abgrenzungen. Wenn man die Interaktionen zwischen den Kolonialmächten betrachtet, kann man viertens ein sonst wenig beachtetes Phänomen erkennen: Die Versuche der afrikanischen Bevölkerung, die Spielräume 'zwischen den Kolonialherren' zu nutzen. Die Studie versucht somit, eine Verflechtungsgeschichte der kolonialen Situation zu schreiben und geht gleichzeitig dem wenig erforschten Thema der vergleichenden Kolonialgeschichte nach. Sie weist darüber hinaus generell darauf hin, dass die Zeit vor 1914 von komplexen Beziehungen in einer von Imperien dominierten globalen Welt gekennzeichnet war, die sich keineswegs auf europäische Rivalitäten reduzieren lässt.
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