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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Probleme bei der Umsetzung in der betrieblichen Personalpraxis

AutorMarkus Paulinger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl125 Seiten
ISBN9783638785747
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Führung und Personal - Sonstiges, Note: 1,3, FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule (FOM), Veranstaltung: Personalmanagement, 120 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Auf Grund der fortschreitenden Globalisierung und Internationalisierung rücken Güter-, Dienstleistungs-,Kapital- und Arbeitsmärkte seit einigen Jahren zunehmend zusammen. Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit heterogenen soziodemografischen Hintergründen treffen verstärkt aufeinander. Sie treten z. B. als Geschäftspartner oder in Folge der wachsenden Mobilität im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses miteinander in Kontakt. Zudem weist die Altersstruktur der erwerbstätigen Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt eine steigende Tendenz auf. Dies liegt insbesondere an der zunehmenden Alterung der geburtenstarken Jahrgänge und dem fehlenden Ausgleich durch die nach-folgenden Generationen. Folge dieser Alterung ist ein Rückgang der Zahl an erwerbstätigen Personen, welcher aktuell durch Zuwanderungen und eine steigende Erwerbstätigkeit von Frauen abgefedert wird. Als Folge der dargestellten Entwicklungen, steigt die Gefahr der Diskriminierung einzelner Personen oder Personengruppen. Der Rat der Europäischen Union hat diese Gefahr erkannt und von seinem Recht aus Art. 13 Abs. 1 EGV Gebrauch gemacht und vier Richtlinien erlassen. Die Bundesrepublik Deutschland war gefordert, diese im Rahmen des Sekundärrechtes erlassenen Richtlinien innerhalb gewisser Fristen verbindlich und wirksam in nationales Recht zu überführen. Nach zwei erfolglosen Umsetzungsversuchen und der Beantragung von Zwangsgeldern durch die EU-Kommission wegen zum Teil abgelaufener Umsetzungsfristen wurde am 29.06.2006 das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom Bundestag verabschiedet. Am 07.07.2006 hat der Bundesrat dieses Gesetz gebilligt. Mit diesem Gesetz hat der deutsche Gesetzgeber sich dazu entschieden, zur Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben ein eigenständiges Gesetz zum Schutze vor Benachteiligungen zu schaffen. Die vorliegende Arbeit zeigt dabei beispielhafte Handlungsempfehlungen auf, mit deren Hilfe der Arbeitgeber die ebenfalls dargestellten und mit dem Gesetz verbundenen Risiken mindern kann. Den Schwerpunkt des praktischen Teils stellen die präventiven Maßnahmen sowie die Auswirkungen des Gesetzes auf den Personalrekrutierungsprozess dar. Gleichfalls wird abschließend untersucht, inwieweit das AGG auch Anwendung auf die Kündigung von Arbeitsverhältnissen findet. Die Arbeit endet mit einem Fazit, welches eine Zusammenfassung sowie eine Darstellung der aktuellen Entwicklungen enthält.

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Leseprobe

3 Handhabung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in der betrieblichen Personalpraxis


 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bringt in der Praxis zahlreiche Risiken für den Arbeitgeber mit sich. Diese Risiken lassen sich jedoch reduzieren, wenn der Arbeitgeber sich mit den wesentlichen Inhalten des AGG auseinandersetzt und in der betrieblichen Praxis alle relevanten Prozesse und Bestimmungen auf ihr Benachteiligungs­po­tenzial hin untersucht und diese ggf. an die neue Rechtslage anpasst. Dabei sollte der Arbeitgeber ein besonderes Augenmerk auf die Inhalte und Vorgehensweisen im Personalrekrutierungsprozess legen, da dort die haftungsrechtlichen Risiken, allein schon auf Grund der Vielzahl möglicher Bewerbungen, besonders hoch sind.[243]

 

Über die Regelungen der §§ 11, 12 AGG, die dem Arbeitgeber zur Vermeidung und Unterbindung von Benachteiligungen bestimmte organisatorische Pflichten auferlegen, unterstreicht der Gesetzgeber die Bedeutung des aktiven Schutzes vor Benachteiligungen. Darüber hinaus steht es dem Arbeitgeber in der betrieblichen Praxis jederzeit frei, zusätzliche freiwillige Maßnahmen zu ergreifen, die die Einhaltung des Benachteiligungsverbotes unterstützen und zugleich die aus dem AGG resultierenden Risiken minimieren.

 

3.1 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers


 

§ 12 Abs. 1 S. 1 AGG verpflichtet den Arbeitgeber, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 AGG enthaltenen Merkmals er­forderlich sind. Dabei kommt der Gesetzesbegründung zufolge insbesondere dem Punkt der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Die Frage, welche Maßnahmen unter objektiven Gesichtspunkten als erforderlich zu betrachten sind, kann pauschal nicht beantwortet werden. Sie ist in der Praxis u. a. in Abhängigkeit von der Größe des jewei­li­gen Betriebs zu beantworten.[244] Bei der Bestimmung der Größe eines Betriebs ist dabei auch auf die Komplexität der Organisation abzustellen. Je umfangreicher die Organisation eines Betriebes ist, desto höher werden in der Praxis die Anforderungen an die Schutzmaßnahmen sein, die vom Arbeitgeber zu treffen sind.[245] Nachfolgend werden beispielhaft mögliche organisatorische Maßnahmen sowie Pflichten des Arbeitgebers dargestellt.

 

3.1.1 Besetzung und Organisation von Beschwerdestellen


 

Wie im Gliederungspunkt 2.8.1 dargestellt, haben Beschäftigte gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 AGG das Recht zur Beschwerde, wenn sie sich wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlen. Der Arbeitgeber sollte daher frühzeitig klären, wer die Funktion der Beschwerdestelle ausfüllt und die Einrichtung eines betrieblichen Beschwerdeverfahrens in Erwägung ziehen.

 

3.1.1.1  Besetzung von Beschwerdestellen

 

Bei der personellen Besetzung der Beschwerdestellen sollte der Arbeitgeber diverse Aspekte berücksichtigen. Dazu zählt zunächst das erforderliche Qualifikationsprofil des Beschwerdestelleninhabers, welches sich aus dem Anforderungsprofil einer Beschwerdestelle ergibt. Inhaber einer Beschwerdestelle werden mit Beschwerden wegen vermeintlichen oder tatsächlichen Benachteiligungen wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals konfrontiert. Sofern die Beschwerdestelleninhaber auch mit der Prüfung der Beschwerde beauftragt sind,[246] haben sie der Beschwerde nachzugehen und eine Aufklärung zu erzielen. Dabei besteht die Gefahr, dass es im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zu Konflikten kommt. Dies erfordert die Fähigkeit zum Konfliktmanagement, gute kommunikative Fähigkeiten sowie die Kenntnis bestimmter Fragetechniken. Förderlich ist es zudem, wenn die mit der Sachverhaltsaufklärung betrauten Personen bei der Belegschaft ein gewisses Vertrauen genießen und als zuverlässige, objektive und vorurteilsfreie Menschen wahrgenommen werden, die sich an moralischen und ethischen Werten orientieren.[247] Des Weiteren sind bei der Auswahl auch fachliche Kenntnisse von Bedeutung, wie z. B. über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die bei der Sachverhaltsaufklärung zu beachten sind.[248]

 

Aus rein fachlicher Sicht eignen sich vor allem Mitarbeiter aus der Personal- oder Rechtsabteilung für die Besetzung einer Beschwerdestelle.[249] Damit kann jedoch die Gefahr verbunden sein, dass der Arbeitgeber nicht frühzeitig von einer Benachteiligung erfährt. Dies ist auf die unmittelbare Nähe der Personal- oder Rechtsabteilung zum Arbeitgeber und die damit verbundenen Ängste der Beschäftigten vor negativen Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis zurückzuführen.[250] Der Arbeitgeber kann daher alternativ oder zusätzlich Mitarbeiter aus anderen Funktionsbereichen zur Beschwerdestelle ernennen. Neben Führungskräften eignen sich vor allem auch Betriebsratsmitglieder als Beschwerdestelle.[251] Die Besetzung der Beschwerdestellen sollte mit Personen unterschiedlichen Geschlechts erfolgen.[252] Daneben ist dem Arbeitgeber im Interesse einer einheitlichen Vorgehensweise bei der Sachverhaltsaufklärung zu empfehlen, insgesamt möglichst wenige Personen mit den entsprechenden Aufgaben zu betrauen. Zu unterschiedlich könnte ansonsten der Umgang der jeweiligen Beschwerdestelleninhaber mit Beschwerden der Mitarbeiter sein.[253]

 

Die DGFP e.V. hat in ihrer Befragungsreihe „AGG - Wie reagiert das Personalmanagement“ vor allem mittelständische Unternehmen dazu befragt, wer in der Unter­neh­mens­praxis als Beschwerdestelle eingesetzt wird.

 

 

Quelle: o. V. (2006), S. 11.

 

Abbildung 2: Beschwerdestellen in der betrieblichen Praxis

 

Wie der Abbildung 2 zu entnehmen ist, findet in der Praxis die Empfehlung, die Beschwerdestelle im Bereich des Personalwesens einzurichten, breite Zustimmung. Der Befragung zufolge ist das Personalmanagement in 84 von 100 Unternehmen als betriebliche Beschwerdestelle eingesetzt, bei fast der Hälfte aller Unternehmen (44%) sogar in alleiniger Verantwortung. Der Betriebsrat hingegen nimmt in knapp einem Drittel aller befragten Unternehmen mit die Rolle der Beschwerdestelle wahr, ist aber nur in ca. 3% der befragten Unternehmen die ausschließliche Anlaufstelle für sich benachteiligt fühlende Beschäftigte. Neben Führungskräften sind auch andere Personen mit den Aufgaben der Beschwerdestelle betraut. Hierzu zählen die Geschäftsleitung, ein Om­buds­mann, eine Telefonhotline oder eine Gleichstellungsbeauftragte. Diese sind nur in ca. jedem achten Unternehmen als Beschwerdestelle vorgesehen.[254] Externe Stellen außerhalb des Betriebs, wie z. B. eine externe Telefonhotline, sind allerdings nur als Ergänzung möglich und können eine im Betrieb eingerichtete Beschwerdestelle nicht ersetzen.[255] Es steht dem Arbeitgeber jedoch frei, den internen Beschwerdestellen lediglich das Recht zur Entgegennahme der Beschwerde zu erteilen und eine externe Stelle mit der anschließenden Sachverhaltsaufklärung zu beauftragen.[256]

 

3.1.1.2  Organisation von Beschwerdestellen

 

Den Inhabern einer Beschwerdestelle kommt, sofern sie seitens des Arbeitgebers auch mit der Sachverhaltsaufklärung beauftragt sind, eine wichtige und nicht zu unterschätzende Aufgabe zu. Sie nehmen Beschwerden entgegen, prüfen diese und haben darüber zu entscheiden, ob der Sachverhalt, welcher der Beschwerde des Beschäftigten zu Grunde liegt, eine unerlaubte Benachteiligung darstellt oder nicht. Da der Ablauf des Beschwerdeverfahrens gesetzlich nicht näher geregelt ist, ist dem Arbeitgeber anzuraten, sich mit den Inhabern einer Beschwerdestelle über die wesentlichen Punkte eines solchen Verfahrens zu verständigen und diese Punkte vertraglich zu fixieren.[257]

 

Eine solche vertragliche Vereinbarung sollte dokumentieren, mit welchen Kompetenzen die Beschwerdestelleninhaber zum Zwecke der Sachverhaltsaufklärung ausgestattet sind und welche Personen unter Beachtung zuvor definierter Voraussetzungen mit in das Verfahren einbezogen werden dürfen.[258] In diesem Zusammenhang sind die Inhaber einer Beschwerdestelle auf ihre Verpflichtung zur Neutralität[259], zur Vertraulichkeit, zur Wahrung des Datenschutzes[260] sowie des Persönlichkeitsrechtes der beteiligten Personen[261] hinzuweisen. Ferner sollte geregelt werden, ab welchem Zeit­punkt die Beschwerdestelle den Arbeitgeber über die Beschwerde zu informieren hat[262], damit dieser im Falle einer Benachteiligung geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung ergreifen kann. Sofern eine festgestellte Benachteiligung auf eine generelle betriebliche Ursache zurückzuführen ist, sollten die Maßnahmen des Arbeitgebers sich nicht nur auf den Benachteiligenden beziehen. Weiterhin empfiehlt sich eine Vereinbarung mit den Beschwerdestelleninhabern dahingehend, dass eine schriftliche Protokollierung...

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