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E-Book

Paul McCartney

AutorPhilip Norman
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl976 Seiten
ISBN9783492976503
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Fünf Grammys, elf Mal als Solokünstler in den deutschen Album-Top Ten und Autor von über eintausend Songs - Paul McCartneys Karriere ist in jeder Hinsicht von Superlativen geprägt. Nun schreibt der renommierte Rock-Biograf Philip Norman seine Geschichte auf - erstmals mit McCartneys Einverständnis und unter Einbezug von Freunden und Familie. So entsteht ein kenntnisreiches Portrait von Pauls oftmals nicht ganz einfachen Beziehung zu John Lennon, der tragischen Zeit nach der Auflösung der Beatles und des Kampfs zurück in den Pop-Olymp mit den Wings, der fast dazu geführt hätte, dass McCartney in Afrika ermordet worden wäre. Norman legt hier mit bisher unveröffentlichten Details und kritischen Erkenntnissen die umfassende Biografie einer der größten musikalischen Legenden unserer Zeit vor.

Philip Norman, Jahrgang 1943, war als Musikjournalist u.a. für die Sunday Times tätig. Sein erstes Buch, die Beatles-Biografie SHOUT!, war auf Anhieb ein Bestseller, weitere erfolgreiche Werke über John Lennon, Elton John und Mick Jagger folgten. Norman trat außerdem als Autor von Romanen und Theaterstücken in Erscheinung. Er lebt mit seiner Familie in London.

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Leseprobe

PROLOG


All Our Yesterdays


Am 4. Dezember 1965 traten die Beatles in der City Hall von Newcastle-on-Tyne auf. Es war, wie sich später herausstellen sollte, ihre letzte Großbritannientournee. Ich war zweiundzwanzig und arbeitete als Reporter für die Redaktion des Northern Echo, einer im Nordosten Englands weitverbreiteten Tageszeitung. Mein Auftrag lautete schlicht: »Geh hin und sieh zu, dass du ein paar Worte mit ihnen wechselst.«

Ohne einen Funken Hoffnung machte ich mich an meine scheinbar aussichtslose Aufgabe. Die Beatles waren seit zwei Jahren das Allergrößte in der Popmusik – und sollten zu Giganten werden, wie sie die Welt zuvor nie gekannt hatte. Welche neuen Einsichten sollte ich aus meiner bescheidenen Ausgangslage dazu beisteuern? Und von wegen »Worte wechseln« – die Tournee folgte direkt auf die Veröffentlichung des Albums Rubber Soul, ihren ungeheuer erfolgreichen zweiten Kinofilm Help!, den geschichtsträchtigen Auftritt vor 55 000 Menschen im New Yorker Shea Stadium und die Verleihung des Ordens Member of the British Empire durch die Königin. Ich würde nicht nur mit den hochkarätigsten Vertretern der Medienlandschaft von ganz Tyneside konkurrieren, sondern auch mit denen sämtlicher nationaler Zeitungen und Sender. Selbst wenn es mir gelingen würde, an die Beatles heranzukommen, warum sollten sie auch nur eine Sekunde mit einem so kleinen Licht vom Northern Echo verschwenden?

Wie fast alle jungen Männer der westlichen Welt damals stellte ich mir vor, wie es wäre, ein Beatle zu sein. Es gab keinen Zweifel daran, mit welchem ich mein Leben hätte tauschen wollen. Paul war ein Jahr älter als ich und sah auf den ersten Blick am besten aus; über John ließ sich das trotz seiner magischen Anziehungskraft nicht behaupten, während George zwar ein hübsches Gesicht hatte, aber unansehnliche Zähne, und Ringo … na ja, Ringo war eben Ringo. Der linkshändige Bassist aber, dessen zarte Gesichtszüge und Rehaugen nur dank eines leichten Bartschattens nicht mädchenhaft wirkten, machte nachvollziehbar, weshalb junge Frauen beim bloßen Anblick der vier schon in Ekstase verfielen.

Paul trug seine Beatle-Kleidung mit der größten Eleganz: die Rollkragenpullover und Button-down-Hemden, die Cordstoffe, die einst Landarbeitern vorbehalten gewesen waren, die schwarzen Lederjacken oder die Stiefel mit dem Gummibandeinsatz an der Seite, die vor langer Zeit bei edwardianischen Lebemännern beliebt gewesen waren. Auch schien er derjenige zu sein, der den (vermeintlich) wachsenden Reichtum der Band am besten zu genießen wusste; ich erinnere mich, wie ich den Klatschspalten des New Musical Expresss neidisch entnahm: »Auf Bestellung von Beatle Paul McCartney – der Aston Martin DB5.«

Dank seines Charmes, seiner guten Laune, seiner tadellosen Manieren und der Gewandtheit, die er ausstrahlte, galt er als der PR-Mann der Band – noch bevor überhaupt jemand wusste, was ein PR-Mann war. Anscheinend war ihm so etwas wie ein sozialer Aufstieg gelungen, was sich auch daran zeigte, dass er mit der eleganten jungen Schauspielerin Jane Asher zusammen war. Trotzdem machten die unbekümmert chaotischen Live-Auftritte der Beatles offensichtlich keinem der drei anderen so viel Spaß wie ihm. Ein Freund von mir, der sie in Portsmouth in der Guildhall gesehen hatte, erzählte mir, gleich in den ersten wilden Minuten des Konzerts habe jemand einen Teddybär auf die Bühne geworfen. Paul habe ihn aufgehoben, am Hals seiner Bassgitarre befestigt und ihn für die gesamte Dauer des Auftritts dort sitzen lassen.

Nun wartete ich also an diesem nasskalten Dezemberabend in Newcastle vor dem Hintereingang der City Hall inmitten einer Gruppe von Reportern, zu denen auch mein Freund David Watts von der Abendausgabe des Northern Echo, dem Northern Despatch, zählte. Fünfundvierzig Minuten vor Auftrittsbeginn fuhr eine schwarze Limousine vor, ein Austin Princess, der durch den dichten Schnee aus Glasgow gekommen war, und heraus sprangen die vier jungen Männer mit den berühmtesten Frisuren der Welt. In diesem Moment nahm uns nur John überhaupt zur Kenntnis, rief uns einen sarkastischen Gruß entgegen. Trotz der Kälte trug er keinen Mantel, nur Jeans und ein weißes T-Shirt, auf dem etwas geschrieben stand – das erste mit einem Schriftzug bedruckte T-Shirt, das ich je sah. Ich konnte den Spruch nicht lesen, war aber davon überzeugt, dass es ebenfalls ein sarkastischer war.

In jener unschuldigen Zeit damals gab es außer einem einzigen, schon etwas älteren Bühnenpförtner keinerlei Sicherheitspersonal. Dave und mir gelang es relativ schnell, ihn zu überreden, uns hereinzulassen, und wenige Minuten später standen wir im Gang vor der – vollkommen unbewachten – Garderobe der Beatles. Ein paar andere Kollegen hatten es ebenfalls bis hierhin geschafft, aber niemand wagte es, an die geschlossene Tür zu klopfen, geschweige denn, einfach hereinzuplatzen. Während wir ein bisschen ratlos herumstanden, signalisierte uns das anwachsende Crescendo der Schreie und stampfenden Füße im angrenzenden Konzertsaal, dass die Zeit für Interviews knapp zu werden drohte.

Plötzlich kam Paul in einem schwarzen Rollkragenpullover, genau wie auf dem Cover von With the Beatles, durch den Gang auf uns zu, wickelte dabei ein Juicy-Fruit-Kaugummi aus. Als er die Tür öffnete, sagte Dave: »Das Gesicht kenne ich doch!« Und als Paul grinsend innehielt, fragte ich: »Dürfen wir reinkommen und uns mit euch unterhalten?«

»Klar«, erwiderte er mit einem Liverpooler Akzent, der bei ihm auffallend feiner und weicher klang als bei den anderen. Wir konnten unser Glück kaum fassen und folgten ihm.

Eigentlich war es keine Garderobe, sondern ein geräumiger Salon mit grünen Ledersofas, Sesseln und bodentiefen Fenstern, allerdings ohne Aussicht. Die Beatles hatten gerade Steak und Pommes und zum Nachtisch Trifle gegessen, und jetzt räumten flinke Kellnerinnen in schwarzen Kleidern und weißen Schürzen die Teller ab. Andere Frauen waren nicht zu entdecken, ebenso wenig wie Alkohol oder Drogen. Die einzige Ablenkung bot ein Fernseher, auf dem eine Folge The Avengers lief, die aber nur George blass und ungerührt verfolgte.

Ich fing an, mich mit Ringo zu unterhalten, der auf einem der grünen Ledersessel saß, dann schaltete sich John ein, der sich auf die Armlehne hockte. Inzwischen trugen auch sie beide ihre Bühnenkleidung mit schwarzem Rollkragenpullover, und waren erstaunlich freundlich und unkompliziert: Ich hatte das Gefühl, mich mit ebenso gutem Recht dort aufzuhalten wie das hohe Tier vom Melody Maker, das eigens aus London angereist war. Johns Gelassenheit scheint mir jetzt, da ich weiß, unter welchem Druck er zu jener Zeit stand, noch bemerkenswerter. George wendete den Blick nicht vom Fernseher ab, und Paul ging unruhig herum, kaute Kaugummi und suchte jemanden von den Moody Blues, die ebenfalls an diesem Abend auftreten sollten. »Hat jemand die Moodys gesehen?«, fragte er immer wieder. Ich erinnere mich, wie ich seine Jeans anstarrte und mich fragte, ob es sich wirklich, so wie es den Anschein hatte, um eine ganz gewöhnliche handelte oder doch eher um eine Maßanfertigung mit verstärkten Nähten, die sich von ekstatischen Händen nicht so leicht zerreißen lassen würde.

Auf einem Sofa lag der Höfner-Violin-Bass, der mit seinem langen Hals und der an eine Stradivari erinnernden Silhouette zu Pauls Markenzeichen geworden war. Auch ich hatte einst Gitarre gespielt, in einer erfolglosen Band auf der Isle of Wight, und um den Beatles die von mir empfundene Geistesverwandtschaft zu beweisen, fragte ich, ob der Bass auf der Bühne schwer zu tragen sei. »Nein, der ist leicht«, antwortete Paul. »Hier … probier selbst.« Er nahm ihn und warf ihn mir zu. Ich bin ein sehr schlechter Fänger, aber irgendwie gelang es mir, Griffbrett und Schultergurt zu fassen. Kurz fuhr ich mit den Fingern über dieselben Bundstäbe wie Paul McCartney, schlug dieselben Stahlsaiten an wie er. Dann erkundigte ich mich, ob Violin-Bässe teurer seien als normale. »Hat nur zweiundfünfzig Guineas gekostet«, sagte er. »Ich bin ein Geizhals.«

Auch als ich eine freie Seite in meinem Notizbuch suchte und die drei um ein Autogramm für meine kleine Schwester bat, blieben sie furchtbar nett. »Du bist ihr Lieblings-Beatle«, platzte es aus mir heraus, als Paul seine erstaunlich erwachsen wirkende Unterschrift dazusetzte. »Dann ist ja gut«, murmelte er, »wenn ich ihr Lieblings-Beatle bin.« Es war die sanfteste Abfuhr überhaupt.

Wie alle Interviewer hatte auch ich das Gefühl, mich besser mit ihnen zu verstehen als alle anderen je zuvor. »Ist es okay, wenn ich noch ein bisschen bleibe?«, fragte ich Paul und sah anschließend John an. »Klar«, nickten beide. Doch in diesem Moment betrat ein hohlwangiger Mann in einem gelben Hemd mit Keulenärmeln den Raum und entdeckte mich. Es war Neil Aspinall, der Roadie der Beatles, dessen Hauptaufgabe unterwegs darin bestand, Journalisten zu sagen, was die liebenswürdigen Fab Four unmöglich selbst sagen konnten. Höchstwahrscheinlich hatten sie ihm per Geheimsignal mitgeteilt, dass ein Besucher allmählich lästig wurde.

»Du«, sagte er und deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Raus!«

»Aber … die haben gesagt, ich darf bleiben«, protestierte ich.

»Und ich sage dir, dass du gehst«, fuhr er mich an, dann entdeckte er eine Zeitung und vergaß, dass ich existierte.

Während ich schmachvoll abzog, tröstete ich mich damit, dass ich eine einzigartige Einsicht gewonnen hatte: Paul McCartney hatte mir seinen Violin-Bass...

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