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Plastizität und Bewegung

Körperlichkeit in der Musik und im Musikdenken des frühen 20. Jahrhunderts

AutorTim Becker
VerlagFrank & Timme
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl271 Seiten
ISBN9783865960269
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR

Musik vermag es, Körperlichkeit in neuer Weise für die Kulturwissenschaften fruchtbar zu machen. Zu oft missverstanden als klingendes Beiwerk bewegter Körper in Tanz oder szenischer Aktion, gilt es nun, die in der Musik selbst wirksam werdende Körperlichkeit aufzuzeigen.

Mit dieser Untersuchung werden kulturgeschichtliche und produktionsästhetische Diskurse des frühen 20. Jahrhunderts - einer Blütezeit des Körpers in der Musik und im Musikdenken - grundlegend neu beleuchtet. Die bedeutsame Veränderung der Wahrnehmung und Darstellung von Körperlichkeit durch die Musik wird vor dem Hintergrund maßgeblicher Schriften Arthur Schopenhauers ud Georg Simmels diskutiert. Ästhetische Modelle sind: Alban Bergs Lyrische Suite für Streichquartett sowie Béla Bartóks Der wunderbare Mandarin.

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Kapitelübersicht
  1. Inhalt
  2. I. Der Körper in der Musik?
  3. II. Bruchstücke einer Kulturgeschichte des Körpers
  4. III. Körperlichkeit im Musikdenken des frühen 20. Jahrhunderts
  5. IV. Plastizität und Bewegung
  6. V. Der Körper in der Musik
  7. Literaturverzeichnis
  8. Personenregister
Leseprobe

III. Körperlichkeit im Musikdenken des frühen 20. Jahrhunderts (S. 95-96)

Dem Spieler ist es gegönnt, sich des Gefühls, das ihn beherrscht, unmittelbar durch sein Instrument zu befreien und in seinen Vortrag das wilde Stürmen, das sehnliche Ausbrennen, die heitere Kraft und Freude seines Innern zu hauchen. Schon das körperlich Innige, das durch meine Fingerspitzen die innere Bebung unvermittelt an die Saite drückt oder den Bogen reißt oder gar im Gesange selbsttönend wird, macht den persönlichsten Erguß der Stimmung im Musiciren recht eigentlich möglich.

Eduard Hanslick


Dass sich gerade Eduard Hanslick, der Verfechter einer Musik tönend-bewegter Form, die bekanntlich aus der Arbeit des Geistes in geistfähigem Material hervorgeht, solcherart emphatisch zu einer Wirksamkeit musikalischer Körperlichkeit bekennt, mag auf den ersten Blick erstaunen. Bei eingehender Betrachtung scheint jedoch die Ursache dieser Verwunderung einer über Generationen fortgewirkten Rezeption zu entstammen, die sich der Ästhetik des Wiener Kritikers zunehmend einseitig bemächtigt und sie schlagwortartig auf lehrbuchtaugliche Klischees reduziert. Jene zumeist überakzentuierte und darüber hinaus überschätzte Geist-Fähigkeit trägt für Hanslick selbst Spuren des Körperlichen als konstitutives Merkmal in sich, die für ihn evident, aber in ihrer vollen Bedeutung noch nicht erklärbar erscheinen. So widmet er innerhalb seiner Revision der Ästhetik der Tonkunst von 1854 der physiologischen Dimension der Musik ein ganzes Kapitel, in welchem die bisherigen Erkenntnisse, vor allem jedoch jene Merkwürdigkeiten der Beziehung zwischen Körper und Musik, ausführlich zur Darstellung gelangen. Es ist gerade jener Zwiespalt einer konstatierten Körperlosigkeit der Musik und ihrer offensichtlichen Wirkung auf Regungen des Körpers, der Hanslick irritiert und welchen er aufzulösen versucht, um die Korrespondenz zwischen den zwei wesentlichen – und in ihren Extremen unzureichenden – Formen der Wahrnehmung, derjenigen des Verstandes (Logos) und derjenigen des Gefühls (Pathos), in eine Beziehung der Ausgewogenheit und somit in eine ästhetische zu überführen:

„Die Musik, durch ihrer körperloses Material die geistigste, von Seite ihres gegenstandslosen Formenspiels die sinnlichste Kunst, zeigt in dieser geheimnisvollen Vereinigung zweier Gegensätze ein lebhaftes Assimilationsbestreben mit den Nerven, diesen nicht minder räthselhaften Organen des unsichtbaren Telegraphendienstes zwischen Leib und Seele."

In bildhafter Anlehnung an die von Samuel Morse rund zehn Jahre zuvor revolutionierte Form einer weite Distanzen überwindenden Kommunikation, offenbart der Musikkritiker seinen Hang zu den Errungenschaften der Technik und in einem weiteren Schritt überdies zu den modernen Wissenschaften, die das im Verborgenen auf unerklärliche Weise wirksam Werdende eines Tages zu entschlüsseln vermögen. Insbesondere die medizinische Seite einer Physiologie erlangt die Aufmerksamkeit Hanslicks, der sich nun ausgiebig mit Fragestellungen einer Heilungsfähigkeit durch Musik befasst und somit das Problem einer Körperlichkeit der Musik auf ihre somatische Resonanz im Nervensystem zurückführt.

Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
I. Der Körper in der Musik?8
II. Bruchstücke einer Kulturgeschichte des Körpers28
Masken, Maschinen, Identität36
Körper, Geist, Geschichte45
Abirrungen52
Niedergang61
Traum, Körper, Persönlichkeit63
Fécondité67
Genus tertium76
Intermediäre Körper80
Charakterologie, Physiognomik, Graphologie, Morphologie84
Zu einer Physiognomie der Musik91
III. Körperlichkeit im Musikdenken des frühen 20. Jahrhunderts96
Physiologische Musik99
Tanz ohne Musik105
Körperlichkeit und Musikwissenschaft107
Ästhetik des Faustschlags115
Vibrationen118
Soziologische Ästhetik123
Eros und Weltkrise134
Kontroversen149
Tanz der Maschinen153
IV. Plastizität und Bewegung162
Laokoon166
Schopenhauer177
Simmel182
Körper und Musik188
V. Der Körper in der Musik194
1. Aspekte einer Körper-Fähigkeit der Musik194
2. Alban Bergs Lyrische Suite für Streichquartett206
3. Béla Bartóks234
Literaturverzeichnis254
Personenregister268
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