Sie sind hier
E-Book

Podcasts. Potenziale und Einsatzmöglichkeiten innovativer Audiomedien in pädagogischen Kontexten und Implikationen für ihre effektive Ausgestaltung

Unter wirtschaftspädagogischer Perspektive

AutorChristian Schmidt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl87 Seiten
ISBN9783640213511
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Pädagogik - Medienpädagogik, Note: 1,3, Universität Leipzig, Sprache: Deutsch, Abstract: In der Diskussion um die Potenziale des Lehrens und Lernens mit neuen Medien werden regelmäßig neue Entwicklungen aufgegriffen. Seufert (2007) sieht in der kritischen Reflexion der aktuellen Trends ('Trend Catching') eine wichtige Aufgabe der Bildungsverantwortlichen verschiedenster Bildungseinrichtungen (S.2). 'Podcasting' stellt einen dieser neuen Trends dar. Nach einer Umfrage des Essener Instituts für Medien- und Kompetenzforschung erwarten vier von fünf Experten eine steigende Akzeptanz von Podcasts in der beruflichen Weiterbildung (MMB, 2006, S.2). Viele erhoffen sich von dieser Entwicklung auch neue Impulse für das Lehren und Lernen mit neuen Medien im Sinne eines so häufig angemahnten 'Paradigmenwechsels im Lernen [...], das heißt hin zu einer lernerzentrierten Perspektive und zum Lernen als aktiven, sozialen Prozess' (Brahm, 2007, S.24). In der wissenschaftlichen Diskussion wird derzeit die Frage thematisiert, welche pädagogischen und ökonomischen Potenziale Podcasts als Medien des Web 2.0 für ein effektiveres Lernen besitzen. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich insbesondere auf den pädagogischen Teil dieser Fragestellung. Sie zielt darauf ab, didaktische Potenziale und Grenzen von Podcasts zu analysieren und darauf aufbauend ein Rahmenkonzept für einen didaktisch-methodisch sinnvollen Einsatze dieser innovativen Audiomedien zu entwickeln. Es wird daher nicht näher auf die offensichtlichen technischen Vorteile von Podcasts eingegangen, wie z.B. die effektive und bequeme Distribution der Lehrmaterialien. Vielmehr geht es darum, aus einer pädagogischen Perspektive zu diskutieren, wie Podcasts Lehr-Lern-Prozesse verbessern können. Dabei wird ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der auf Erkenntnisse der Kognitiven Psychologie, der Pädagogischen Psychologie, der Pädagogik und der Medien- und Kommunikationswissenschaft zurückgreift. Insbesondere wird dabei auf die besonders relevanten Prozesse des Hörens, Zuhörens und Lernens eingegangen.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2 Theoretische Grundlagen für den Einsatz von Podcasts in pädagogischen Kontexten


 

2.1 Kognitionspsychologische Grundlagen – Konzepte auditiver Wahrnehmung, auditiver Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung


 

Bereits Donald Broadbent, einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Hörforschung, beklagte 1958 „how far the study of hearing by psychologists has lagged behind that of vision“ (S.1). Hinsichtlich der Quantität der Veröffentlichungen hat sich daran bis heute wenig geändert. Nicht zuletzt ausgelöst durch die Arbeiten von Broadbent hat die Hörforschung seither dennoch bedeutende Fortschritte gemacht. Das Hören gilt nach dem Sehen als der wahrscheinlich am besten erforschte Sinn (Styles, 2005, S.132).

 

Die Aufnahme von auditiven Sinneseindrücken unterscheidet sich grundlegend von der visuellen Wahrnehmung. Styles beschreibt unter anderem folgende Unterschiede:  

 

„You miss something in the visual environment, you can look again to check [...]. The patterns of acoustic vibrations that produce the sounds we recognise in speech [...] are distributed over time. If we miss them we cannot go back and listen to them again.“ (2005, S.131) 

 

„If we want to ignore a visual stimulus we can shut our eyes, or look away. However, this is not the case with the auditory environment. [...] We cannot shut our ears or move them around.“ (2005, S.185)

 

Diese Besonderheiten der auditiven Wahrnehmung werden im Folgenden näher beschrieben. Sie dienen als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für den Einsatz von Podcasts in der Wirtschaftspädagogik.

 

Phänomene aus dem Alltag des Hörens: Der Cocktail-Party-Effekt

 

Selbst auf einer lauten Feier und umgeben von vielen anderen sprechenden Personen ist es für zwei Menschen gewöhnlich ohne besondere Anstrengungen möglich, sich zu unterhalten und der Stimme des Gesprächspartners zu folgen (Pashler, 1998, S.37). Aus dieser Beobachtung heraus stellt sich eine Frage: Wie ist es möglich, das Hören auf einzelne Objekte oder in einzelne Richtungen der auditiven Umwelt zu richten? Diese Aspekte des Hörens wurden vor allem im Rahmen der Aufmerksamkeitsforschung behandelt. Bevor die Ergebnisse dieses Forschungsfeldes thematisiert werden, sind zunächst dessen zentrale Begriffe Aufmerksamkeit und Konzentration näher zu bestimmen .

 

Aufmerksamkeit und Konzentration

 

Es besteht keine allgemein anerkannte Definition der Konstrukte Aufmerksamkeit und Konzentration. Sie werden zum Teil sogar synonym verwendet, was sicherlich auch darin begründet ist, das in der angloamerikanische Literatur der Terminus „attention“ nicht zwischen Aufmerksamkeit und Konzentration differenziert (Imhof, 1995, S.23). Rapp (1982) unterscheidet in Anlehnung an Moray allein sechs Bedeutungen für den Begriff Aufmerksamkeit (S.11-13). Für den Einsatz und die Gestaltung von Audiomedien für das Lernen werden davon drei als besonders wichtig erachtet:

 

Selektive Aufmerksamkeit. Eine Person ist einem ständigem Strom von Informationen ausgesetzt und muss entscheiden, welche davon weiterverarbeitet werden und wie gegebenenfalls reagiert wird.

 

Aktivierung.[8] Dieser Zustand der neuro-physischen Wachheit oder Erregung wird auch mit dem angloamerikanischen Terminus „arousal“ beschrieben. Eine aktivierte Person ist bereit, (erwartete) Informationen aufzunehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

 

Geistige Konzentration. Eine Person arbeitet konzentriert, wenn sie alle ihre Tätigkeit möglicherweise störenden inneren und äußeren Reize ausschaltet.

 

Bereits in diesen Begriffsbestimmungen werden die Termini Aufmerksamkeit und Konzentration nicht klar getrennt. Rapp ist  der Meinung, dass aufgrund der engen Verwandtschaft der Begriffe eine eindeutige Trennung nicht endgültig gelingen kann (Rapp, 1982, S.23). Dennoch soll hier der Versuch gemacht werden, die Konstrukte zumindest in eine Beziehung zu setzen.

 

Im Versuch einer Definition bezeichnet Rapp Aufmerksamkeit als einen „Prozess der Auseinandersetzung mit realen oder vorgestellten Objekten, der durch externe Reizmerkmale (Neuigkeit, Überraschung) oder durch interne Prozesse (Einstellungen, willentliche Entscheidungen) ausgelöst wird und der die Funktion der Auswahl (aus dem Reizangebot), der Intensivierung der realen oder kognitiven Tätigkeiten oder ihrer Produkte hat“ (Rapp, 1982, S.21). Dieser Begriff integriert unter anderem die Bedeutung der Aufmerksamkeit für andere psychische und motorische Prozesse (und deren Qualität) sowie die Funktion der Selektion.

 

Imhof (1995) sieht in der Konzentration ein im Vergleich zur Aufmerksamkeit komplexeres Konstrukt. Konzentration setzt Aufmerksamkeit voraus, zeichnet sich selbst aber durch ein höheres Maß an intentionaler (personaler) Steuerung, eine größere Aktiviertheit[9] und eine höhere Selektivität aus (S.57). Wo Aufmerksamkeit zu Konzentration wird, kann nicht ohne weiteres festgestellt werden. Im Verlauf dieser Arbeit wird unter dem Hinweis auf bestehende Unterschiede weitestgehend einheitlich der Begriff Aufmerksamkeit verwendet, da wegen des angestrebten „Lernraums Straße“ ein Lernen unter Nebentätigkeiten betrachtet wird. Solche Nebentätigkeiten schließen eine hochgradige Selektivität (wahrscheinlich) aus.

 

Im Folgenden werden in Anlehnung an die oben angeführten Bedeutungen der Aufmerksamkeit wichtige Erkenntnisse der Psychologie vorgestellt, die insbesondere für das Hören wichtig sind.

 

Auditive Wahrnehmung und Informationsverarbeitung

 

Eine der ersten empirischen Untersuchungen zu dem Phänomen der selektiven Aufmerksamkeit führte Cherry Anfang der 1950er Jahre durch (Styles, 2005, S.187). Er nutzte dazu eine Technik, die „dichotisches Hören“ genannt wird. Dabei wurde den Versuchspersonen über einen Stereokopfhörer an jedes Ohr eine andere Nachricht übermittelt. Die Versuchspersonen hatten nun die Aufgabe, die Nachricht auf dem einen Ohr begleitend nachzusprechen und die andere zu ignorieren (Anderson, 2001, S.76, siehe Abbildung 1). Diese Aufgabe wurde gewöhnlich problemlos ausgeführt. Cherry stellte unter anderem fest, dass die Probanden keine Aussagen zum Inhalt der ignorierten Nachricht machen konnten. Lediglich starke Veränderungen der physikalischen Eigenschaften dieser Nachricht (Geschlecht des Sprechers, Tonhöhe) wurden wahrgenommen (Pashler, 1998, S.39-40). Cherry schloss daraus, dass eine Selektion von Reizen anhand physikalischer Merkmale (z.B. Ort; akustischen Eigenschaften von Stimmen) erfolgt, nicht aber anhand von semantischen Merkmalen (Styles, 2005, S.188).

 

 

Abbildung 1: Dichotisches Hören (Styles, 2005, S.188)

 

Auch Broadbents (1954) führte Experimente zum dichotischen Hören durch. In seinen „split-span“-Studien präsentierte er seinen Versuchspersonen sechs Ziffern. Die Ziffern wurden in drei Paare aufgeteilt (z.B. 8 – 7; 2 – 4; 1 – 9). Über Kopfhörer wurden jeweils simultan eine Ziffer auf dem rechten und eine auf dem linken Ohr eingespielt. Nachdem alle drei Paare präsentiert wurden, sollten die Probanden die Ziffern wiedergeben. Broadbent stellte fest, dass die Trefferquote bei der Wiedergabe aufgeteilt nach dem Kanal (hier: Ohr) deutlich höher war, als im Fall der Wiedergabe nach Ziffernpaaren (also 8, 2, 1 – 7, 4, 9). Er argumentierte, dass die Selektion im Filter nach Kanälen (als idealisierte Form der physikalischen Eigenschaft Ort) erfolgen würde. Die Probanden geben die Ziffernfolge des einen Ohrs wieder, die Ziffernfolge des zweiten Ohr wartet im sensorischen Speicher auf den Abruf  (Styles, 2005, S.188). Wenn die Ziffernwiedergabe aber nach Paaren erfolgen soll, erfordert das ein wiederholtes hin- und herschalten zwischen den Kanälen. Diese Kanalwechsel verbrauchen selbst schon Ressourcen im Verarbeitungssystem mit begrenzter Kapazität, was folgerichtig zu einer langsameren und schlechteren Verarbeitung führt (Imhof, 1995, S.64).

 

Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen entwickelte Broadbent 1958 sein „Flaschenhalsmodell der Aufmerksamkeit“ (Abbildung 2). Broadbent integrierte den Aspekt der Reizselektion in einem Gesamtmodell der Informationsverarbeitung (Imhof, 1995, S.62). In diesem Modell erfolgt der Wahrnehmungsprozess auf zwei qualitativ unterschiedlichen Ebenen. Auf der ersten Ebene werden alle eingehenden Reize (parallel) auf ihre physikalischen Eigenschaften hin analysiert und diese Informationen in einem sensorischen Kurzzeitspeicher mit unbegrenzter Kapazität zwischengelagert. Auf der zweiten Ebene werden dann komplexere Eigenschaften (etwa semantische Bedeutungen) der Reize in einem Verarbeitungssystem mit begrenzter Kapazität identifiziert (Driver, 2001, S.56). Die Wahrnehmung wird dort „bewusst“. Das Verarbeitungssystem mit begrenzter Kapazität arbeitet streng seriell. Es wird von einem selektiven Filter vor Überlastung geschützt, der die Reizinformationen anhand von physikalischen Eigenschaften vorsortiert. Die limitierte Verarbeitungskapazität der zweiten Stufe bildet den „Flaschenhals“ des Modells. Über diese Kapazität hinausgehende Informationen werden blockiert, bis der aktuelle Verarbeitungsprozess abgeschlossen...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

BONSAI ART

BONSAI ART

Auflagenstärkste deutschsprachige Bonsai-Zeitschrift, basierend auf den renommiertesten Bonsai-Zeitschriften Japans mit vielen Beiträgen europäischer Gestalter. Wertvolle Informationen für ...

CE-Markt

CE-Markt

CE-Markt ist Pflichtlektüre in der Unterhaltungselektronik-Branche. Die Vermarktung von Home und Mobile Electronics mit den besten Verkaufsargumenten und Verkaufsstrategien gehören ebenso zum ...

DER PRAKTIKER

DER PRAKTIKER

Technische Fachzeitschrift aus der Praxis für die Praxis in allen Bereichen des Handwerks und der Industrie. “der praktiker“ ist die Fachzeitschrift für alle Bereiche der fügetechnischen ...

elektrobörse handel

elektrobörse handel

elektrobörse handel gibt einen facettenreichen Überblick über den Elektrogerätemarkt: Produktneuheiten und -trends, Branchennachrichten, Interviews, Messeberichte uvm.. In den monatlichen ...

F- 40

F- 40

Die Flugzeuge der Bundeswehr, Die F-40 Reihe behandelt das eingesetzte Fluggerät der Bundeswehr seit dem Aufbau von Luftwaffe, Heer und Marine. Jede Ausgabe befasst sich mit der genaue Entwicklungs- ...

FileMaker Magazin

FileMaker Magazin

Das unabhängige Magazin für Anwender und Entwickler, die mit dem Datenbankprogramm Claris FileMaker Pro arbeiten. In jeder Ausgabe finden Sie von kompletten Lösungsschritten bis zu ...