Comenius vermittelt in seiner „Großen Didaktik“ eine umfassende Bildung und einen pädagogischen Realismus. Eine Erkenntnis über die „Dinge“ kommt durch die Beobachtung des Auges und dem Lichte zustande. Ein theologischer Hintergrund der realistischen Pädagogik eines Comenius ist der Zeit entsprechend wichtig. Comenius versucht das Schöpfungswerk Gottes zu verstehen und dieser wirkt an einer Verbesserung mit. Der Lehrer sollte nach einer goldenen Regel alles vor die Sinne stellen, nämlich das Sichtbare vor das Gesicht, das Hörbare vor das Gehör, die Gerüche vor den Geruch, das Schmeck bare vor dem Geschmack und das Berühr bare vor dem Tastsinn. Wird etwas von mehreren Sinnen gleichzeitig erfasst, so muss es mehreren Sinnen gleichzeitig vorgeführt werden.[108] Es gibt für Comenius „drei“ wichtige Gründe:
„`Erstens`: Der Anfang der Erkenntnis muss jederzeit von den Sinnen ausgehen, denn es gibt nichts im Verstande, was nicht zuvor vor dem Sinne dagewesen wäre; warum sollte also auch der Anfang der Unterweisung anstatt mit der Auseinandersetzung in Worten nicht lieber mit der Anschauung in Worten gemacht werden? […] `Zweitens`: Die Wahrheit und die Sicherheit der Wissenschaft hängt von nichts anderem so ab, als vor dem Zeugnisse der Sinne, denn die Dinge prägen sich vor allem und unmittelbar den Sinnen ein und dann erst durch die Vermittlung der Sinne dem Verstande. […] `Drittens`: Und weil die Sinne die treuesten Sachverwalter des Gedächtnisses sind, so dieses Veranschaulichen der Sinne bewirken, dass jeder das, was er weiß, auch behält“.[109]
Der „gottgefällige“ neuzeitliche Pädagoge und Didaktiker Johann Amos Comenius befindet sich in der Gedankenwelt bereits auf dem Weg in die Aufklärung. Das Menschsein beginnt bei Comenius mit der Erziehung. Die Natur des Menschen wird zunehmend kulturell überformt. Er war Bischof der böhmischen Brüder und Comenius wird durch die Wirren des „Dreißigjährigen Krieges 1618-1648“ geprägt. Comenius kommt durch ganz Europa und erlangt eine breite Anerkennung, wobei seine Vorstellungen tief religiös geprägt sind.[110] Der Mensch hat die Aufgabe, die unvollkommene Welt Gottes, in eine harmonische Ordnung zu bringen. Comenius stellt die pansophische Forderung auf, den Menschen allumfassend, vollkommen zu bilden. Der Mensch ist als Ganzes zu bilden.[111] Die Heilung der kranken Welt ist möglich. Es bedarf der Mitarbeit des Menschen, seines „Vize-Gottes“. Dieser wird in der Pansophie einmal so genannt.[112]
In den österreichischen Ländern der Habsburger entwickelt sich in der Neuzeit ein ausgedehntes „Zunftwesen“. Dieses wirkt bis ins 19. Jahrhundert hinein, und weist eine hohe Beharrungskraft auf. Die liberale „Gewerbegesetzgebung“ entsteht in der Habsburgermonarchie als Gewerbeordnung im Jahre 1859. Die gewerblichen Genossenschaften, heute sind es die Wirtschaftskammern, weisen eine „verpflichtende“ Mitgliedschaft auf. Es werden indirekt die Traditionen der Zünfte in abgeschwächter Form bis in die Gegenwart fortgeführt.[113]
Die „kommerzielle Revolution“ entwickelt im Spätmittelalter zunehmend ein Geld- und Bankwesen. Der Warenbestand wird zunehmend mit dem Geldbestand verglichen. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes gewinnt an Bedeutung. Der „Merkantilismus“ und das „absolutistische“ Staatsdenken zielt darauf hinaus die inländische Wirtschaft zu stärken. Die Konkurrenzfähigkeit steigt dadurch, und das Gemeinwohl steigt ebenfalls. Die Importe werden beschränkt, vor allem ist man bestrebt ausländische Facharbeiter in der Habsburgermonarchie zu beschäftigen. Die mittelalterlichen Zünfte sind streng darauf bedacht die „Meisterrechte“ im Handwerk zu bewahren. Ein Bildungsgedanke wie die Schaffung eines Schulwesens für Hankwerker, hätte zu sehr in die „Sonderrechte“ der Meister eingegriffen. Eine die Zünfte zusammenfassende Organisation hätte es ermöglicht das Trennende hintanzustellen und der Schulgedanke wäre vermutlich aus den Handwerkskreisen selbst gekommen. Der Schulgedanke ist dadurch nicht im Handwerk geboren worden. Die allmählich verfallenden Zünfte sind eigentlich dafür verantwortlich. Zunehmend entsteht der Überlegung Schulen für die produktive Arbeit zu gründen. Der Handel und das Gewerbe sollen dadurch gestärkt werden. Die Verarmung der Bevölkerung wirkt sich auf die Finanzen des Habsburgerstaates aus. Nicht nur in Österreich ist es um die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit der Bevölkerung gut bestellt. Der Merkantilismus sollte den Wohlstand des Volkes erhöhen. Die Kinder sollen nicht nur lesen und schreiben lernen, sondern müssen auch erfahren, wie sie den Lebensunterhalt verdienen können.[114] Es werden „unzünftige“ Manufakturen und Bildungsstätten, wie das „Kayserliche Kunst- und Werk-Haus“ am Tabor in Wien entsprechend gefördert.
Die Geburt der neuzeitlichen „Subjektivitätspädagogik“ kann in den Schriften von Comenius herausgelesen werden. Der heranwachsende junge Mensch wird zunehmend in den Mittelpunkt einer kritischen pädagogischen Reflexion gestellt. Ein pädagogisches Umdenken findet in der frühen Aufklärung im 17. Jahrhundert statt. Das pädagogische Denken von Comenius ist bereits auf einer Brauchbarkeit ausgelegt. Comenius kann als Vordenker und Wegbereiter des Vorranges der Muttersprache und der Einbeziehung der Realien in den Unterricht, gesehen werden. Das „Tätigkeitsprinzip“, sowie eine Bildung für alle ist anzustreben. In der Schule soll vornehmlich für das Leben gelernt werden.[115] Der Mensch soll zum „Menschen“ gebildet werden. Johann Amos Comenius beschreibt dies in seiner „Unterrichtslehre“:
„Dass die Bildung für `alle´ nötig ist, ergibt sich aus der Betrachtung der verschiedenen Beschaffenheit der Menschen. Denn dass sie den `Unfähigen` notwendig sei zur Bekämpfung ihres natürlichen Stumpfsinnes, wer sollte das bezweifeln? Aber die `Talentvollen` bedürfen der Bildung noch viel mehr, weil ihr aufgeweckter Geist sich mit unnützen, absonderlichen und gefährlichen Dingen befassen wird, wenn es sich nicht mit nützlichen Dingen beschäftigt“.[116]
Johann Amos Comenius will dadurch die Schwächen und Stärken eines heranwachsenden Menschen fördern und fordern. Die revolutionär anmutende „Bildung für alle“ sollte bei Comenius durch eine „öffentliche Muttersprachschule“ von sechs bis zwölf Jahren ermöglicht werden. Es kann bereits eine 6- jährige Schulpflicht daraus abgeleitet werden. Die Kinder beider Geschlechter sollen in diesen Schulen „gemeinschaftlich“ unterrichtet werden. Die Bildung eines Menschen soll nach der Vorstellung von Comenius, bereits in früher Kindheit sozial und damit gemeinschaftlich erfolgen[117],
„so müsste dennoch die Bildung früh beginnen, weil das Leben nicht mit Lernen, sondern mit handeln zugebracht werden soll. Frühzeitig müsse daher den Menschen, der sein Leben lang viel kennenzulernen, zu erproben und auszuführen hat, die Sinne für die Betrachtung der Dinge geöffnet wird. […] Und wenn es nicht an Eltern fehlte, die sich dem Unterricht der Ihrigen widmen könnten, so ist es doch besser, die Jugend in größerer Vereinigung zu unterweisen. […] Warum sollen da nicht Schulen das Licht der Weisheit hervorbringen, reinigen, vervielfältigen und es dem ganzen Körper der menschlichen Gemeinde mitzuteilen“?[118]
Ein Lehrer sollte diese „öffentliche“ Aufgabe erfüllen. Der Unterricht sollte an der 6- jährigen Muttersprachschule entsprechend dem Entwicklungsstand des Schülers „alles“ umfassen. Die gesamten Inhalte der Wissenschaften und der Künste, wie die Physik und die Astronomie, die Arithmetik und die Geometrie, das Bauwesen und die Architektur, der Bergbau und die Mechanik, der Ackerbau und die Forstwirtschaft sollen „kindgemäß“ im Unterricht angesprochen werden. Die Muttersprachschulen sollen zu Werkstätten der Menschlichkeit werden. Die Muttersprache erhält bei den „Protestanten“ einen „öffentlichen“ Stellenwert. Bei Comenius stehen die „Anschaulichkeit“ und die „Selbsttätigkeit“ im Mittelpunkt des Lernprozesses.[119]
Die Schulen sollten im 17. Jahrhundert reformiert werden. Bei Comenius hat die Natur ein Ordnungsprinzip. Die zyklischen Naturabläufe sind eine Triebfeder des menschlichen Handelns. Der Zyklus für den Naturablauf zur Vervollkommnung des „ganzen“ beträgt bei Comenius 24 Jahre. Der fortschreitende Bildungsprozess in der Stoffvermittlung soll vom Leichten zum Schweren und vom „Allgemeinen“ zum „Besonderen“ erfolgen. Comenius kann als Vordenker und Wegbereitet eines altersmäßig gestuften Schulsystems gesehen werden. Ein Massenunterricht bis zu 100 Schüler in einer Klasse, kann aber auch als Geburtsstunde eines Lehrer zentrierten Frontalunterrichts gesehen werden. Das System eines altersgleichen Klassensystems ist bei Comenius gegeben.[120] Er schlägt entsprechend dem Entwicklungs- und Bildungsstand der heranwachsenden Menschen „vier“ jeweils 6- jährige Bildungsstufen vor....