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Blumen und Krieg

Lebenserinnerungen eines Gärtners 1887-1918

AutorFranz Sou?ek
VerlagMorawa Lesezirkel
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl324 Seiten
ISBN9783990709498
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
In seiner Biografie beschreibt der Autor die Umgebung seiner Kindheit und Jugend und die Zeit, in denen er als Gärtner und in anderen Berufen gearbeitet hat. Er beschreibt die damalige Lebensweise und nimmt zu historischen Ereignissen Stellung. Er erzählt genau das Leben eines einfachen Soldaten im ersten Weltkrieg mit allem Grauen und übersieht dabei nicht die kleinen Freuden des Lebens und die Schönheiten, die sich ihm in unbekannten Landschaften eröffnen. Trotz allen Schrecken kommen Hoffnung und Lebensfreude nicht zu kurz. Es gibt sehr naiven und auch scharfen Humor, auch Spannung. Das Buch hat (nicht nur) nach Meinung der Herausgeberin und Abschreiberin aus der Handschrift einen Wert als Dokument der Zeitgeschichte.

Franz Sou?ek,geb. 10.5.1887 in Wien, lernte in Preußisch-Schlesien den Beruf des Gärtners, arbeitete an einigen Stellen in Österreich-Ungarn, als Chefgärtner in einem botanischen Garten in Budapest. Im ersten Weltkrieg war er Arbeiter der Militär-Baumkompanie, Ordonnanz, Korporal, Dolmetsch für Ungarisch, Russisch und andere slawische Sprachen an der Front und ersetzte auch den Dolmetsch für Italienisch. Er musste keinen Menschen erschießen, wurde aber mehrfach wegen seiner Tapferkeit und Hilfsbereitschaft ausgezeichnet. Einige Jahrzehnte betrieb er selbständig eine Gärtnerei in Voitsberg,Steiermark. Er schrieb immer Tagebuch, seine Hobbys waren Zeichnen und Malen, und er war Gärtner mit Leib und Seele. Franz Sou?ek verstarb 1971 in Graz. Das Buch beinhaltet die Memoiren über ein aufregendes und abwechslungsreiches Leben und wurde etwa 40 Jahre posthum aus der Handschrift übertragen von der Enkelin Helene Steurer, geb. 1946.

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Leseprobe

Die Orchideen waren sein Stolz, und alle Jahre musste Herr Obergärtner Anton Hefka von Schönbrunn, der bester Orchideengärtner Europas, seine Lieblinge teilen und umsetzen, je nach Gattung in Sphagnum (Torfmoos), Polypodium(eine Gattung Tüpfelfarn), Buchenlaub und Rispenfarn, mit Holzkohle vermischt oder Erdorchideen in geeignete Erde verpflanzen. Als Mraz sah, dass ich einige Laelia purpurata, Labiata, autumnalis und Cattleya Mossiae abgeschnitten hatte, kam er zum Frühstück fluchend und schimpfend, er verbiete mir ein für alle Mal, dass ich ohne sein Wissen etwas abschneide, sonst schneidet er mir „die Urwascheln ab wie an Rattler“ und schmeisst mich hinaus. „Und überhaupt lassen Sie sich gsagt sein“, das Bouquet-Binden und zur Schratt tragen ist seine Sache und nicht meine. Ich entschuldigte mich, und Herr Mraz war wieder besänftigt. Die Arbeit im Glashaus, das Packen des langen und tiefen Kastens für Gardenia florida und deren Vermehrung hatte begonnen, und ich weiß, dass es nichts Herrlicheres geben kann als eine Gardenie mit ihrem berauschenden Duft. Die Schönheit der Blüte ist einzigartig und kann sich mit mancher Orchidee messen, obwohl es Wunder an Schönheiten gibt wie Zygopetalum, Masdevallia, Odontoglossum, Oncidium, Cypripedium, Miltonia, Laelien, Barkeria, Cattleya, Phajus, Phalanopsis, Dendrobium, Vanda, Epidendrum, Cimbidium und viele andere Sorten und Gattungen. Die einzelnen Blüten der Gardenia florida var. Fortuneana wurden an den Blumensalon Floh bei der Oper zu 1 Krone das Stück verkauft und dienten als Knopflochblumen der Aristokraten und Reichen. Auf der nächsten Seite das kleine Schlössl des Bankiers Baron Zimmer in Wien, Gloriettegasse, den Park betreute Obergärtner Hans Mraz. Die Glashäuser und die Gärtnerwohnung wurden im Jahr 1944 durch Bomben zerstört.

Orchidee Laelia purpurata; Quelle: Pixabay

Das Schlösschen des Herrn Baron Zimmer

Bei Mraz war ich vom 10.4. 1907 bis 11.8.1908 und ich wäre gerne noch weiter geblieben, wenn ich auch alle vier Wochen nur achtzig Kronen und später neunzig Kronen und das Frühstück bekam. Es kam anders als ich dachte, obwohl er mit mir sehr zufrieden war. Beim nächsten Bouquet, das im Sommer bestellt wurde, gab man Mraz ausdrücklich zu verstehen, dass nicht er sondern ich es binden sollte. Mraz gab mir Rosen und Nelken, obwohl auch zu dieser Jahreszeit Orchideen blühten, etwas Asparagus und Frauenhaarfarn, und ich band ein Bouquet, locker und schön. Ich hatte nur das, was er mir dazu gab, und Mraz nahm den Strauß, ging und kam wütend zurück. Die gnädige Frau hatte nach mir gefragt und ihn zu verstehen gegeben, dass er das nächste Mal mich schicken soll, und sie lobte meine Bindeart. Am nächsten Tag überbrachte mir ein Mädchen von Frau Schratt 20 Kronen und ich hörte, dass Mraz kein Trinkgeld bekommen hatte sondern die lobenden Worte über mich zu hören. Von da an hatte ich nichts zu lachen. Was früher gut war, war jetzt schlecht. Recht konnte ich nichts mehr machen, und täglich wusste er etwas Neues gegen mich. Eines Morgens schnitt ich den wilden Wein, der sich an einem Beleuchtungskandelaber emporrankte. Ich stand auf der Leiter, Mraz ging vorbei und gab der Leiter einen Tritt, dass sie fast von fast drei Meter Höhe zur Erde fiel. Das war mir genug, und ich kündigte. Ich hatte während der Zeit, die ich dann bei Baron Zimmer war, sehr schöne Tage verbracht, vor allem sehr schöne Sonntage. Jeden zweiten Sonntag hatte ich frei, da mussten die anderen Dienst machen: lüften, schattieren, spritzen, gießen und anderes, bei Kälte alles zudecken, im Winter heizen. Wir hatten Zentralheizung, die Glashäuser und die Kessel von Höntsch waren leicht zu bedienen. Was war natürlicher, als dass ich jeden freien Sonntag vergnügt mit meiner Braut verbrachte. Oft fuhren wir nach Mödling, in die Hinterbrühl, nach Gumpoldskirchen, nach Guntramsdorf zu Lankas Schwester Paula, nach Maria Enzersdorf, nach Brunn am Gebirge oder Perchtoldsdorf; an jedem freien Sonntag ein anderes Reiseziel, mit der Dampftramway, mit der Elektrischen oder der Südbahn. Bei Regenwetter blieben wir in Wien und besuchten meine Eltern, die sich jedes Mal freuten. Wie schön waren die gemeinsamen Spaziergänge, bei denen wir die ganze Welt vergaßen und nur für uns zwei lebten, und- wir gaben es nobel- nach gutem Essen und Trank in irgendeiner Restauration den Sonntagabend beschlossen. Wir beide waren ein fesches Paar, ich mit Gehrock, Lackschuhen und Zylinder, einem hohen Stehkragen, „Vatermörder“ genannt, Julchen im Sommer weiß gekleidet, mit weißer Spitzenbluse, weißem Faltenrock, durchbrochenen weißen Strümpfen, einem weißen Hut mit Spitzen, und auch der Regenschirm war weiß. Beide jung, Herrgott, was ging uns ab? Sogar dem Kobenzl, dem Kahlenberg und dem Leopoldsberg galt unser Tagesausflug, und ich denke heute noch an eine Szene: Julchen wollte durchaus in der Restauration am Kobenzl das Gabelfrühstück einnehmen. Ich war dagegen und brachte zwei Schinkensemmeln. Ich muss gestehen, die Preise waren mir zu hoch, und ich hatte nicht viel Geld bei mir. Darüber war mein süßes, liebes Julchen erbost, dass sie wie Bettler unter Bäumen jausnen sollte und machte mir Vorwürfe, die zu meinem nicht geringen Schrecken meine Schwester Berta und mein Schwager Vaculik, damals der Herr Postinspektor, mit anhörten. Beide standen auf einmal vor uns und lachten uns aus, nachdem sie uns schon länger beobachtet hatten. Wo sind die Tage, an denen meine Liebste und ich im Laxenburger Schlossteich im Kahn ruderten oder unter den drei Föhren in Perchtoldsdorf saßen oder uns beim Weltnarren in Maria Enzersdorf unterhielten, als wir im Gumpoldskirchner Rathauskeller saßen und guten Wein tranken, zum Husarentempel spazierten, zur Ruine von Mödling, der tausendjährigen Stadt, zur Veste Lichtenstein, die jeden in das Mittelalter versetzt, zum Anninger- all das ruft noch heute Erinnerungen in uns wach.

Bei meinen Ausflügen nach Mödling lernte ich viele Kollegen kennen, so den Obergärtner Noha vom Gut des Baron Weigel in Maria Enzersdorf, Skutil senior und junior aus Hinterbrühl, Schwarzrock, Brezina und viele Privatgärtner, auch anlässlich der Gärtnerversammlungen, die ich einige Male als Gast besuchte. Auch für die Mödlinger Gartenbauschule und die Brauereischule hatte ich mich interessiert und sie ein paarmal besucht. In Hinterbrühl lernte ich einen Gehilfen von Skutil kennen, den Bing Pepi, der zugleich Schauspieler am Mödlinger Sommertheater war. Einmal saßen wir im Gasthaus Zum grünen Baum im Gastgarten. In der Gaststube wimmelte es nämlich von tausenden Fliegen, die sofort dutzendweise in der Suppe oder im Bier oder Wein schwammen. Wir plauderten, als sich ein Herr und eine fesche Dame an unseren Tisch setzten. Der Herr bestellte einen Liter guten Wein, vier Suppen, vier Schweinsbraten mit Beilagen und vier Torten. Da dachten wir: „Servas, was ham de an Apettit, de miass´n an Hunger hab´n, dass glei Doppelportionen bestell´n.“ Als die Wirtin mit dem Weißwein und den vier Gläsern ankam und dann die Speisen brachte, nötigte uns der Herr, die wir auch je eine Portion bekamen, zum Essen und zum Trinken. Wir ließen es uns nicht zweinal sagen und griffen zu. Als der Liter ausgetrunken war, wurde nochmals ein Liter bestellt. Kaum hatten der noble Herr und die Dame gespeist, verschwand zuerst die Dame, und dann ging der Herr die Dame suchen. Wir warten und warten, und wer nicht kommt, sind die Beiden. Wir schauten uns an und seufzten. Was tun? Natürlich zahlen, was bleibt uns sonst übrig, denn wir konnten nicht ebenfalls verschwinden. Die Wirtin kannte den Pepi, der auch dort war. Na, hol der Teufel, auch wenn es unserer Geldbörse weh tut. Wir und Pepi riefen: „Frau Wirtin, zahlen!“ „Aber Herr Pepi, warum wollens denn zahlen, der Herr Ober von der Höldrichsmühle hat ja alles bezahlt!“ „Alles?“ „Ja, alles, auch die zwanzig Sportzigaretten für euch.“ Wir sahen uns wieder an und lachten, denn auf ein so glückliches Ende waren wir nicht gefasst, und in Gedanken baten wir den Herrn Ober um Entschuldigung, denn wir hatten ihn vorher schon mit Schimpfwörtern belegt wie: „ A so a Hund a miserabler, a so a Gauner, frisst si der und sei Sali für unsa Geld an, na wart du Hund du ölendiger, vielleicht segn ma di amoi, a so a Gauner!“ Das war aber ein feiner Ober!

Anders der Ober, dessen Selbstmord ich vorübergehend verhinderte, als ich einmal sonntags Dienst hatte. Ich wollte einige Rosen schneiden und ging in gegen den Küniglberg ansteigenden Teil des Parkes, als sich hinter dem Bretterzaun ein Ast einer Eiche so bewegte, dass ich aufmerksam wurde und nachsah. Ich entdeckte einen Mann, der sich gerade aufgehängt hatte. Ich sprang sofort über den Zaun und schnitt den Strick mit meiner Hippe durch, so dass der Mann in meiner Arme fiel. Ich löste die Schlinge vom Hals und machte Wiederbelebungsversuche, die mir auch gelangen. Es dauerte nicht lange, und der hagere,...

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