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Die Rassentheorie des Grafen Joseph Arthur de Gobineau. Eine Analyse des 'Essais', seiner Vorläufer und seiner Folgen

AutorOliver Trey
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783638400060
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1998 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung, Note: 1,0, Universität Mannheim, 62 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit Ende des 18. Jahrhunderts, spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts, entwickelte sich in Mittel-und Westeuropa ein 'rassisches Denken', durch das die verschiedenen Menschen der Erde in 'Rassen' eingeteilt wurden. Neu war dies freilich nicht, fanden sich doch schon bei Aristoteles ähnliche Elemente wie in den Rassentheorien des 19. Jahrhunderts. Das 'rassische Denken' erreichte nun aber eine neue Dimension. Dieses war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur in einzelnen Fragmenten und Ansätzen vorhanden. Es existierte bis zu diesem Zeitpunkt keine allumfassende Theorie, keine Rassentheorie, in der die verschiedenen Vorstellungen und 'Kenntnisse' über 'Rassen' zusammengefaßt und 'wissenschaftlich' begründet waren. Solch eine Theorie wurde erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Joseph Arthur Graf von Gobineau entworfen. In dieser Theorie trat als eine Art Rassenphilosophie zum ersten Mal klar hervor, was bei Ernst Moritz Arndt und 'Turnvater' Friedrich Ludwig Jahn noch unklar angedeutet war: Der biologische Materialismus verkündete die völlige Abhängigkeit des Menschen von seinen Erbanlagen und damit in letzter Konsequenz seine Willensunfreiheit. Joseph Arthur Graf von Gobineau wurde am 14. Juli 1816 in Ville d'Avray bei Paris geboren und verstarb am 13. Oktober 1882 in Turin. Seit 1877 lebte er zurückgezogen und widmete sich ausschließlich seiner schriftstellerischen Arbeit. Diese umfaßte neben seinem 'Rassenwerk' 'Essai sur l'inégalité des races hu-maines' orientalische Studien, kulturgeschichtliche Darstellungen und eine Reihe schöngeistiger Schriften. Gobineau gehörte dem Kreis um Richard Wagner an. Mit seiner Abhandlung 'Essai sur l'inégalité des races humaines', in der er die Gleichwertigkeit der Menschen verschiedener 'Rassen' leugnete und die Überlegenheit der 'arischen Rasse' demonstrieren wollte, übte er auf Richard Wagner, Houston Stewart Chamberlain, Friedrich Nietzsche und die imperialistische Bewegung, die auch im Zusammenhang mit der Theorie des Sozialdarwinismus zu sehen ist, entscheidenden Einfluß aus. Des weiteren lieferte er mit seiner Abhandlung Argumente für den Rassenfanatismus des Nationalsozialismus. In den 'Gestalten der Renaissance' sah er den Ausnahmemenschen, den er verherrlichte, verkörpert. Mit dieser Verherrlichung nahm er Nietzsches Vorstellung vom Übermenschen vorweg.

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Leseprobe

4.   Rassenkonflikte, Rassismus und Rassentheorien


 

4.1.   Einige Ausführungen zum Rassismus


 

Rassismus ist eine moderne Erscheinung.[90] Nach Geiss läßt sich Rassismus als

 

„[...] Gebäude systematisierender Ideen begreifen – niedergeschrieben und veröffentlicht in Büchern, Aufsätzen, Artikeln und Gesetzen –, das über die zentrale Bedeutung von „Rasse“, wie auch immer definiert, in Gesellschaft, Politik und Geschichte Auskunft gibt“[91].

 

Elemente des Rassismus sind dabei Xenophobie, Endogamie, Adelsstolz und Blutreinheit, Ethnozentrik und Sklaverei.[92]

 

Seit dem 19. Jahrhundert wurde ein solcher Rassismus allmählich zur Handlungsanweisung für den Umgang mit „rassisch“ Andersartigen. In die Praxis umgesetzt wurde sie im 20. Jahrhundert, vor allem im Dritten Reich. In der neuen Welt artikulierte sich Rassismus allerdings schon seit dem späten 18. Jahrhundert als Rechtfertigung der Sklaverei gegen den wachsenden Druck einer aufklärerischen Öffentlichkeit.[93]

 

Rassismus ist im engeren Sinn ein auf objektive Überlegenheit und subjektives Überlegenheitsgefühl der weißen Euroamerikaner gegenüber ihrer Umwelt seit dem späten 18. Jahrhundert gegründetes Verhalten. Dieses Verhalten ist geprägt durch das Umschlagen von einer bisher noch nicht wertenden zu einer allmählich rassistischen Benutzung des Schlüsselbegriffs „Rasse“ seit 1775, also dem Jahr, in dem Kant und Blumenbach den Rassenbegriff in Deutschland einführten.[94] Damit zeichnete sich eine Grenze zwischen dem eigentlichen Rassismus und dem „Proto-Rassismus“[95] ab.

 

Die Charakterisierung des Rassismus und seine Verknüpfung mit realhistorischen Prozessen gestattet es, durch seine universalhistorische Konzeption als Weltproblem, eine Periodisierung zur Geschichte des Rassismus einzuführen. Dabei lehnen sich die Zäsuren zur Abgrenzung einer weiteren und einer engeren Vorgeschichte eng an große Daten der allgemeinen Weltgeschichte an.

 

Das große Epochenjahr 1492 eignet sich zur Abgrenzung dieser engeren von der weiteren Vorgeschichte.[96] Die globale Expansion Europas in Übersee durch die Entdeckung Amerikas lieferte wesentliche historische Voraussetzungen zum Aufbau der euroamerikanischen Vormachtstellung. Seit dem späten 18. Jahrhundert vergrößerte sich diese dann vor allem auf der Grundlage der Industrialisierung.

 

Mit der Industriellen Revolution wurde die industrielle Phase der Zivilisation erreicht. Es ergab sich eine Pyramide oder Hierarchie der Entwicklung zum Fortschritt, in der Höherstehende unter ihnen Stehende verachteten. Dieser „universale Verachtungsmechanismus“[97], gespeist aus dem sozioökonomischen Entwicklungsgefälle, war eine weltweite elementare Voraussetzung für Rassismus und seine Vorformen.[98]

 

4.2.   Euroamerikanischer Rassismus im Kontext des arischen Mythos


 

Bei der Betrachtung des euroamerikanischen Rassismus muß auch auf den arischen Mythos, und damit auf die Lehre von der angeblich angeborenen und kulturellen Überlegenheit der Arier und ihrer Nachfahren eingegangen werden.[99] Dabei ist zwischen einem realhistorischen Kern und einer ideologisierenden Fiktion sorgfältig zu unterscheiden.[100]

 

Innerhalb der Europiden (Kaukasier, Weiße) hatten die Indoeuropäer als Vorfahren der meisten Europäer und Euroamerikaner eine zentrale Stellung inne.[101] Die Indoeuropäer bzw. -germanen lassen sich nur als kompliziert vielgliedrige Sprachfamilie definieren,[102] vom Keltischen im Westen bis zum Tocharischen im Osten. Über die Jahrtausende und Kontinente entwickelten sie sich soweit auseinander, daß sich nur noch allerengste Verwandte direkt untereinander verständigen können.[103]

 

„Rassische“ Gemeinsamkeiten für alle Indoeuropäer sind unbeweisbar, selbst wenn bei einigen Gruppen blonde und sehr hellhäutige Typen dominiert haben mögen, wie bei den Indo-Ariern, Germanen und Kelten. Die Gleichsetzung von Indoeuropäern mit Ariern ist reine Willkür, erst recht von Ariern mit Germanen.[104]

 

Bei der Suche nach den Ursprüngen hierfür muß man ins 18. Jahrhundert zurückgehen. Schon 1787 bezeichnete Eichhorn verwandte, vormals orientalische Sprachen genannte Sprachgruppen als semitische Sprachen.[105] In der Mitte des 19. Jahrhunderts übertrug der Sprachforscher Max Müller das Sanskritwort[106] „Arier“[107] auf indogermanische Sprachgruppen. Die Völker, die dieser Sprachgemeinschaft angehörten, nannte er „arische Rassen“.[108]

 

Zwar war der Begriff der „Rasse“ noch nicht eindeutig von dem Begriff der Volksgemeinschaft abgegrenzt, jedoch hatte man beiden Begriffen ein gleiches Kriterium zugrunde gelegt. Es war das Kriterium der ethnischen Einheit durch genealogische Abfolge. Diese Einheit schien durch die Sprache manifestiert. Die Suche nach den Ursprüngen der Sprache verband sich so mit dem Versuch, die Wurzeln der „Rasse“ freizulegen und den Weg eines Volkes durch die Geschichte zu verfolgen.

 

Durch diese linguistisch-ethnographische Begriffsgleichsetzung[109] der Unterscheidung in semitische und arische Sprachfamilien mit „arischen“ und „semitischen Rassen“ wurde eine ethnische Differenzierung der arische und semitische Sprachen sprechenden Völker vorgenommen. Da die gemeinsame Sprachkultur als Kennzeichen der gleichen Abstammung und ethnischen Verwandtschaft einzelner Völker galt, so implizierten diese einzelnen Sprachstämme deren physische und kulturelle Verschiedenheit.[110]

 

Die Sprache als Ausdrucksform des menschlichen Geistes wurde damit zum Spiegel des geistig-kulturellen Entwicklungsstandes. Die Bewertung einer Sprache als hoch-differenziert beziehungsweise primitiv mußte damit den intellektuellen Zustand eines Volkes und sein moralisches Niveau umschreiben.

 

Nicht selten fanden sich dabei die Semiten in Gegensatz zu den Ariern gestellt. Die Klassifizierung der Semiten als minderwertige und der Arier als höherwertige „Rasse“ ging daher auch auf einen Philologen zurück: den französischen Historiker und Sprachforscher Ernest Renan (1823-1892).[111] Bezog sich diese Klassifizierung nur auf die Unterscheidung zwischen der „arischen“ und „semitischen Rasse“, darf aber nicht vergessen werden, daß schon die europäischen und amerikanischen Anthropologen des 18. und 19. Jahrhunderts die eigene „Rasse“ als höherwertig gegenüber den anderen minderwertigen „Rassen“ klassifizierten.

 

Der Arier-Mythos hatte jedoch einen historischen Kern. Aus diesem Grund muß die weitere Vorgeschichte des Rassismus mit den Indoeuropäern, speziell den Ariern, beginnen. Diese brachen in die altorientalischen Kulturzentren – im Mittleren Osten, in Indien und eventuell auch in China – ein und gründeten dort dank ihrer anfänglichen militärischen Überlegenheit eigene...

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