In diesem Kapitel wird das thematische Umfeld der Diplomarbeit, das IT Service Management, näher vorgestellt. Dabei werden die wichtigsten Begrifflichkeiten definiert und erläutert, um dem Leser eine kompakte terminologische Grundlage anzubieten. Anschließend folgt eine Einführung in die ITIL als prozessorientierter Leitfaden und gegenwärtiger de facto Standard für das ITSM. Bevor auf das ITSM eingegangen wird zunächst eine Erklärung der Begriffe ‚IT Service’ und ‚Prozess’.
Fundament des IT Service Managements ist der IT Service. Darunter versteht Sommer eine Dienstleistung, die von einem IT Anbieter für einen Kunden erbracht wird. Sie unterstützt Geschäftsprozesse und setzt sich aus einem integrierten Verbund von Aktivitäten, Technologien und Personen zusammen. Bereitstellung durch den Anbieter und Inanspruchnahme durch den Dienstnehmer finden häufig gleichzeitig statt, wobei der Dienstnehmer oft an der Bereitstellung und Verbesserung direkt und maßgeblich beteiligt ist [Som04].
Garschhammer et al. erweitern diese Definition und sehen einen IT Service als Menge von Interaktionen der Rollen User, Kunde und IT Diensterbringer. Zusätzlich wird ein IT Service durch die jeweilige Beziehung einer Rolle zu dem Service spezifiziert, was ihn letztlich erst genauer definiert [Gar01].
Der Fortlauf dieser Arbeit stützt sich auf die Begriffsbestimmung von Lewis [Lew99]:
„A Service is a function that the enterprise network provides for the business. [It might be seen as] an abstraction over and above the enterprise network [and] a phenomenon that arises in virtue of the structure and operation of the network[2]“ ([Lew99], S. 36).
Zur inhaltlichen Definition und qualitativen Bewertung eines IT Services ist es zwingend notwendig, sogenannte Service Level Agreements (SLA) zu formulieren. Diesen expliziten Dienstvereinbarungen obliegt die Aufgabe, Eckwerte eines IT Services zu beschreiben, die für den Dienstnehmer als wie auch für den Diensterbringer verständlich, messbar und entsprechend den Unternehmensanforderungen festgemacht sind. Anhand von in SLAs definierten Messkriterien wird es also ermöglicht, einen IT Service zu beurteilen [Ogc01]. Weitere bewährte Methodik zur Qualitätssicherung für IT Services beschreibt Deming mit seinem ‚Quality Circle’. Er fordert, dass jeder IT Service in der kreisförmigen Abfolge aus Planungsphase (Plan), Implementierungsphase (Do), Überarbeitungsphase (Check) und Anpassungsphase (Act) abläuft. Auf diese Art kann eine kontinuierliche Steigerung der Qualität erreicht werden [Ogc05].
Wie später noch gezeigt wird, ist ITSM eine Disziplin, die IT ausschließlich durch das Zusammenwirken integrierter ‚Prozesse’ organisiert. Ein Prozess ist dabei als „Satz von in Wechselbeziehungen stehenden Mitteln und Tätigkeiten [zu verstehen,] die Eingaben in Ergebnisse umgestalten“ (vgl. DIN EN ISO 8402, 1995-08, Ziffer 1.2). Zu den Mitteln zählen Personal als auch Finanzen, Anlagen, Einrichtungen, Techniken und Methoden. Eine näher an die IT und somit an das ITSM zugeschnittene Definition bezeichnet einen Prozess als die „Gesamtheit von in Wechselbeziehungen stehenden Abläufen, Vorgängen und Tätigkeiten, durch welche […] Informationen transportiert oder umgeformt werden“ ([Dgq04], S. 14). Die Prozesssausführung unterliegt dabei gewissen Prozessbedingungen und wird kontinuierlich überwacht. Abbildung 3‑1 veranschaulicht den Zusammenhang.
Betont sei, dass es von äußerster Wichtigkeit ist, sich für jede Implementierung eines ITSM Prozesses stets das eigentliche Ziel, nämlich die Unterstützung der Geschäftsabläufe des Kunden, vor Augen zu halten [ZaKu05]. Dies wird in der Praxis gerne übersehen, was dazu führt, dass das Business an die IT angeglichen wird.
Abbildung 3‑1: Generisches ITSM Prozessmodell [Ogc05]
Zusätzlich ist für das Verständnis des Prozess-Begriffes nach ITSM erwähnenswert, den Zusammenhang zu Organisationsstrukturen, wie sie fast überall in Unternehmungen vorzufinden sind, aufzuzeigen. Prozesse sind in der Regel so organisiert, dass sie Aktivitäten verschiedener, unabhängiger Abteilungen erfordern. Das bedeutet, dass abteilungsübergreifender Input beigesteuert werden muss, um sie erfolgreich ausführen zu können. Umseitige Abbildung 3‑2 veranschaulicht diese Eigenschaft anhand eines exemplarischen Beispiels.
Ein fiktiver ‚Entstörungsprozess’, der beim Service Desk in Form eines Incidents ‚beginnt’, erfordert an diversen Stationen innerhalb der Beispiel-Organisation gezielte Aktivitäten, die durch die blauen Punkte dargestellt sind. So wird er zum einen an den Serverbetrieb und an das Netzwerkmanagement weitergeleitet, in einem weiteren Schritt dann and die Entwicklungsabteilung, die Leitung der Entwicklung und auch an das Organisationsteam. Schlussendlich kehrt er nach weiteren Aktivitäten des Netzwerkmanagements an das Service Desk zurück. Prozesse sind somit filigran verästelte Abläufe, die intelligentes Management erfordern.
Abbildung 3‑2: Prozesse und Abteilungen [Ogc05]
Nun zu der Frage, was sich konkret hinter ITSM verbirgt.
Wie bisher beschrieben ist IT heutzutage nicht mehr als Sammlung loser Komponenten zu verstehen, sondern vielmehr als kooperativer Verbund vernetzter Systeme [Han99]. Es gilt, wohldefinierte Dienste und Anwendungen bereitzustellen, die an den Zielen einer Unternehmung ausgerichtet sind. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, IT Services durchdacht zu steuern und zu verwalten. Dabei gilt es, die Kontrolle beziehungsweise Steuerung über die IT Services dauerhaft aufrechtzuerhalten, damit sie erfolgreich betrieben und weiterentwickelt werden können [Som04]. Diese Sichtweise verfolgt das IT Service Management. Der Begriff ITSM wird fast immer dazu verwendet, Managementmethoden für IT Infrastrukturen, die sich an integrierten Prozessen orientieren, zu beschreiben. Folgende, erste Definition ist weitläufig akzeptiert:
„ITSM ist eine Sammlung von Prozessen, die kooperierend die Qualität von IT Services garantieren, entsprechend den ‚Service Levels’, denen der Kunden zugestimmt hat. ITSM ist Managementbereichen überlagert, wie zum Beispiel dem System-Management, Netzwerk-Management oder der Systementwicklung, aber auch vielen Prozessbereichen wie Change Management, Asset Management und Problem Management“ ([You00], S. 2).
Eine andere Definition findet sich in auf dem IT-Portal Bitpipe.com. Hier wird ITSM als Top-Down Annäherung an das IT Management bezeichnet, die durch das ‚Business’ und nicht durch die Technik getrieben wird. Sie spricht speziell den strategischen Geschäftswert an, der durch die IT Organisation anhand ihrer Services generiert wird [Bit06].
Young versteht ITSM als Philosophie, die das Betreiben und Verwalten von IT Ressourcen beziehungsweise IT Prozessen als Dienstleistungsgeschäft betrachtet. Grundlage sind bewährte Aspekte aus Prozesskonstruktions-, Integrations- und Managementtechniken, so dass wettbewerbsfähige und profit-orientierte Praktiken für das Anbieten von IT basierten Produkten und Dienstleistungen etabliert werden können. Vorraussetzung für den Erfolg der Philosophie sind besonnene Kunden, die sich dieses Ansatzes bewusst sind, explizit definierte Services und Erwartungen an Performance, Fähigkeiten im Marketing und der Verwaltung von Finanzen und die Konzipierung von durchdachten, integrierten Prozessen, die nicht nur reaktiv sondern proaktiv sind [You00].
In Abbildung 3‑3 ist nach Curtis demonstriert, welchen ‚Impact’ eine nach ITSM organisierte IT haben kann [Cur05]. Die Darstellung veranschaulicht, wie der Qualitätsgrad eines angebotenen IT Service mit zugrunde liegenden Konzepten zusammenhängt. Je mehr Anforderungen des ITSM umgesetzt werden, desto höher steigt auch die Qualität des angebotenen IT Service, wie an den Beschreibungen der Level 0 bis Level 4 zu erkennen: Bedient man sich beispielsweise lediglich der Unterstützung durch ein Workflowmanagement-Tool ohne weitere Prozesse und IT Management Konzepte, so wird der offerierte IT Service höchstwahrscheinlich durch Chaos bestimmt (Level 0). Organisiert man Services allerdings in Form des ‚Service Delivery Process Engineering’, indem beispielsweise Trends analysiert und Versuche unternommen werden, Probleme vorherzusagen, so kann man von einem ‚proaktiven’ Dienst sprechen (Level 2). Ziel von ITSM ist, wie schon zuvor erwähnt, einen IT Service ‚as a Business’ anzubieten (Level 4), der eine Unternehmung als strategischer Partner unterstützt.
Abbildung 3‑3: ‚Reifende’ ITSM Modelle [Cur05]
Ein ähnliches, jedoch wissenschaftlich fundierteres ‚Reifegradmodell’ zur Beurteilung der Qualität von...