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E-Book

Erlebnisse aus Romantik und Biedermeier

Vollständige Ausgabe

AutorFriedrich Wilhelm Gubitz
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl424 Seiten
ISBN9783849626600
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Friedrich Wilhelm Gubitz war ein deutscher Grafiker (Holzstecher), Schriftsteller, Theaterkritiker, Herausgeber und Kunstprofessor. Dies ist seine Autobiographie.

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Leseprobe

Der Theaterdichter und Rezensent.


 


(1809–1817.)

 

Nach der Wiederkehr des Hofes wurden dem Buchhändler Maurer die noch vorhandene geringe Anzahl der Hefte meiner Zeitschrift abgekauft und an

 

Behörden verteilt. Er empfing die goldene Verdienstmedaille; wahrscheinlich bemühte er sich um solchen Erfolg, was meiner Gesinnung fernblieb. Von Leid aber ward ich erfüllt, weil mein edler Freund Reimann hoffnungslos erkrankt ankam, ich mich verpflichtet hielt, täglich bei ihm zu sein: nächst der Arbeit hatte ich nur Gedanken an den voraussichtlichen Verlust. Er starb bald, noch nicht vierzig Jahr alt; in meinen Erinnerungen lebt er mir als Unvergeßlicher.

 

Die Ursache und das Eintreffen der Gefährlichkeit im Streit mit den zwangsherrischen Feinden wurde aber Anlaß zum Gewinn einer Freundin bis an das Ende ihrer Erdentage. Es war Amalie Beer, die Mutter des Tonmeisters Meyerbeer und noch zweier Söhne, die sich auszeichneten: Wilhelm in der Sternkunde, Michael als Dichter. Die Mutter, Gattin des gemütvoll helfwilligen Bankiers Herz Beer, hatte von meinem Bestreben, besonders hinsichtlich der Zeitschrift, teilnehmende Kenntnis, auch schon sonst von mir gehört. Zu Anfang des Jahres 1808 besuchte mich die mir bis dahin Unbekannte, um mir zu sagen: mein Wille und Bemühen fänden vollen Anklang in ihr, doch fühle sie sich angetrieben, den noch so jungen Mann, von dem sie vernehme, er sei Unterstützer der Eltern und Geschwister, daran zu erinnern, daß er mitten unter den allem Übermut frönenden Franzosen sich arges Unheil herbeiziehen könne; nächstdem wünsche sie, daß ich in ihren Hauskreis eintreten möge. Die gütige Warnerin hatte, wie aus dem nachherigen schlimmen Begebnis hervorging, recht gehabt, und nie entweicht mir aus dem Gedächtnis der Ausdruck des Innigfreudigen, womit mich Amalie Beer empfing, als widerwärtige Wochen überstanden waren. – Von da an war ich oft und namentlich bei Familienfesten im Beerschen Hause, wo jeder, der sich in Kunst und Wissenschaft hervortat, gern gesehen wurde, der Einheimische wie der Fremde. In der Unterhaltung wechselten Musikaufführungen mit der Lesung unserer bedeutendsten Dichter, vorzugsweise Lessings, in Rollenverteilung. Dies begünstigten schon länger Iffland – von dem ich noch den »Nathan«, an einem andern Abend den »Marinelli« lesen hörte – und Friederike Bethmann, später das Ehepaar Wolff, Beschort, Lemm, Auguste Stich (Crelinger), Charlotte Birch und noch mehrere. Dabei beteiligt war auch Michael Beer, der nach Beweisen von Naturgabe und vorschreitender geistiger Ausbildung leider schon in erster Mannesblüte vom Dasein scheiden mußte. In jenem Gesellschaftstreiben walteten Geist, Munterkeit und Frohsinn so voller Freiheit, daß bei Gelegenheitsspielen, die ich schrieb, stets die Schwächen sämtlicher Familienglieder mit zum Necken und Bespötteln dienen durften; geziemend schonte ich dann mich am wenigsten, soweit meine Bekanntschaft mit mir selbst reichte. – In einem solchen Bühnenscherz hat Michael Beer als Siebenjähriger zuerst seine nicht geringe Fähigkeit zum Schauspieler gezeigt, und was ich hier äußerte gibt nur einen teilweise flüchtigen Umriß von der lebhaft anmutig gesellschaftlichen Berührigkeit im Beerschen Hause, dem ich in der Folge mich wieder zuwenden muß.

 

Auch mein freundschaftliches Bekanntwerden mit Friederike Bethmann, dieser Schauspielerin, der ich keine gleichzustellen wüßte in Vielseitigkeit des künstlerischen Schaffens der Bühnengestalten, ist in dieser Zeit – ich kann sogar genau sagen am 12. Juli 1809 – beginnend. Vorher hatte ich sie nur als Zuschauer im Theater gesehen, gehörte, wie sich von selbst versteht, zu ihren Bewunderern, und vorläufig ist jetzt zu erzählen von der sonderbar gewordenen Fügung, die plötzlich eine vertrauliche Näherung begründete.

 

Friederike Auguste Konradine Flittner, verheiratet mit Unzelmann, dann mit Bethmann, war, nach mehrmals gedruckter Angabe, am 24. Januar 1760 geboren in Gotha, wo ihr Vater mit seiner Gattin lebte; die Tochter wäre also am 12. Juli 1809 bereits im fünfzigsten Lebensjahr gewesen. – Ihr Verwandter, der Medizinalassessor, Berliner Apotheker und – Buchhändler Flittner, hatte 1809 den »Friedrichs-Gesundbrunnen« bei Berlin gekauft. Auf sein Bittschreiben genehmigte die Königin Luise, von Königsberg aus, daß die bisherige Ortsbezeichnung sich in »Luisen-Bad« umwandele und der neue Name sollte gefeiert werden durch ein Tauffest, wozu die Bethmann allseitig behilflich war. In jenen Jahren mußte ich allmählich immer öfter mit Reimen dienen, und mit wenigen Ausnahmen hatte ich nichts davon, als daß ich endlich in Berlin nebenher – nach einem Kotzebueschen Lustspiel – »Max Helfenstein« hieß. Die Bethmann wandte sich gleichfalls schriftlich an mich mit dem Ersuchen um einen Weihegesang, dem der Kapellmeister Seidel, der mir das Schreiben brachte, Musikbegleitung geben sollte. Willig ging ich darauf ein, täuschte mich jedoch in der Voraussetzung: dieser »Friedrichs-Gesundbrunnen«, mitten im reichlichsten Sande der Mark Brandenburg ein anmutig Erdenfleckchen, müsse eine umständliche Geschichte haben. Ich fand eigentlich nur: Friedrich II. befahl im Jahre 1760 die Wiederherstellung; emsiges Nachforschen leitete mich aber bis auf Friedrich I., und was sich enthüllen ließ, war freilich nicht viel, aber doch genug, um andern etwas mehr sagen zu können, als was sie mutmaßlich wußten. Also tat ich nun, was man von mir begehrte, und schrieb für die am 12. Juli 1809 vollzogene Neutaufe eine »Erinnerung und Weihe«.

 

Der Himmel gab einen der gesegnetsten Sommertage zu dem Fest, es konnte sich im Freien ausbreiten, wie es beabsichtigt war. Der Weihegesang wurde von den Sängern und Sängerinnen des Königlichen Theaters, einschließlich dessen Gesamtchor, unter Seidels Leitung ausgeführt auf einer laubschattig geschützten, eigens dazu bereiteten Erhöhung. Die Bethmann, obschon sie wegen ihrer Halsgeschwulst – Folge einer zu unrechter Zeit von ihr erzwungenen Mitwirkung im Singspiel – nur selten noch auf der Bühne sang, hatte einen Gesangsteil übernommen; sie entzückte durch den Reiz des seelenvollen, zur Verkünstelung nicht geeigneten Tons und den einfach herzigen Vortrag. Ich stand zur Seite des erhöhten Raums, und die Bethmann trat zu mir heran, sich zu bedanken für die Erfüllung ihrer Bitte. Weiter trafen wir fürerst nicht zusammen, denn nach dem Beenden des Gesanges war sie von vielen umdrängt, und ich zog mich zurück.

 

Auf einem breiten Wege unter dem Laubdach alter Bäume stand die Mittagstafel für fast fünfhundert Personen. Gleich den andern, die mithalfen zu der Feier, war ich Gast Flittners, saß der Bethmann – deren mindestens vierzehn Jahre jüngerer Ehemann wegen leichten Unwohlseins daheim blieb – gerade gegenüber; sie grüßte schweigend mit anmutiger Bewegung des Kopfes und der Hand zu mir her. Flittner hatte sich durch Sorgsamkeit sehr aufgeregt, wurde in seiner Jubellaune aufgeregter, was sich dermaßen steigerte, daß er nicht mehr zurechnungsfähig war und sich beseitigte, wonach die Bedienung der Gäste in auffällige Unordnung geriet. Als die zahlenden Teilnehmer Eis empfangen hatten, fehlte es in der Gastreihe auch der Bethmann; ich besorgte es reichlich durch bares Mittel, und bat den Schauspieler Greibe: er möge es seiner Kunstverbündeten hinbringen. – »Von wem, wenn sie mich fragt?« antwortete er; ich äußerte: »Das Beste ist Schweigen, es kann ja von Ihnen kommen!« und er entgegnete: »Das glaubt sie nicht!« – Erst nachher habe ich erfahren, daß Greibe für sehr geizig galt; er war also mit seiner Antwort im Recht, und der Schauspieler Kaselitz übernahm dann die Sendung. Er hatte mich aber doch verraten; denn als ich wieder an der Tafel saß, wendeten sich von drüben Gebärden an mich, mehr drohend als dankend: die Bethmann wußte wahrscheinlich, daß in jenen Tagen meine Einkünfte für solche Art von Höflichkeit nicht oft zureichten.

 

Im Jahre 1809 war die Ansiedelung bei der Quelle des Luisenbades noch sehr dörflich, und die Bewohner der vereinzelten Gehöfte feierten die Namensumwandlung ebenfalls, gegen Abend durch Tanz in einer mit Blumenbehängen geschmückten Scheune. Dorthin ging mit einem Teil der Gesellschaft auch die von alt und jung umschwirrte Bethmann in lachendster und redseligster Lustigkeit, und ich blieb nicht zurück. Die ländliche Jugend tummelte sich rüstig und jauchzend rundum; ich weiß nicht, ob ein Bauerssohn die Bethmann aufgefordert hatte, oder sie ihn: ich sah sie im Kreise der Tanzenden, und nach ihrem Beispiel tanzten dann Frauen und Männer unserer Gesellschaft mit Bauern und Bäuerinnen. Da trat zu mir eine Dorfschöne und bot sich zur Tänzerin an; ich aber mußte verneinen, weil ich von jeher mich keine Minute im Wirbel zu drehen vermochte, ohne umzusinken: mein Blut will dies noch weniger dulden als das Fahren. – Im Vorüberschreiten zu neuem Tanz hörte ich die Bethmann spöttisch fragen: »Ein junger Mann weist ein Mädchen ab?« – und als jenes dreiste Bauernkind mich zum zweitenmal aufforderte, ward ich von falschem Ehrgefühl ergriffen. Zwar erwähnte ich nochmals, erhärtete sogar, was zu befürchten sei, als nun aber die Kecke erwiderte: »Ei, ich weer' Sie schon wisse hollen!« – soll heißen: festhalten – wagte ich die Dreherei, hoffend, sie werde leidlich zu...

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