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'Ich blätterte gerade in der Vogue, da sprach mich der Führer an.'

Unity Mitford. Eine Biographie

AutorMichaela Karl
VerlagHoffmann und Campe Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783455851700
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Sie kam aus bestem britischen Hause und widmete ihr Leben dem »Führer«. Michaela Karl erzählt die schier unglaubliche Lebensgeschichte der Unity Valkyrie Mitford: Hitler-Groupie, nordische Göttin und verwöhnte Tochter eines britischen Lords. Mitte der dreißiger Jahre zieht die 20-jährige Cousine Winston Churchills nach München, um Hitler kennenzulernen. Göring hält sie für eine britische Spionin, der MI5 für eine törichte Person. Während Eva Braun angesichts der unerwarteten Konkurrenz einen Selbstmordversuch unternimmt, spekuliert die Presse offen über die künftige Mrs. Adolf Hitler. Doch als am 3. September 1939 Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg erklären, hallen plötzlich zwei Schüsse durch den Englischen Garten ...

Michaela Karl, geboren 1971, studierte in Berlin, München und Passau Politologie, Geschichte und Psychologie. 2001 promovierte sie an der FU Berlin mit einer Arbeit über Rudi Dutschke. Ihre Biographien über Dorothy Parker, Zelda und F. Scott Fitzgerald und ihr Buch über Bonnie und Clyde waren allesamt von der Presse hochgelobte Bestseller. Bei Hoffmann und Campe erschien zuletzt ihre Unity-Mitford-Biographie Ich blätterte gerade in der Vogue, da sprach mich der Führer an (2016). Michaela Karl ist Mitglied der Münchner Turmschreiber.

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Leseprobe

»Dieser glückliche Stamm von Menschen, […] dieser kostbare Stein, der in die silberne See eingefasst ist, […] dieser gesegnete Fleck, diese Erde, dieses Königreich, dieses England.« William Shakespeare, ›Richard II.‹

I. »Man verbrüdert sich nicht mit Frogs, Amerikanern und den Nachbarn.«


Ein Souvenir aus Swastika

»Mein Vater war der zweite Sohn eines englischen Peers; meine Mutter war eine Schönheit. In England bekommen nachgeborene Söhne kein Geld, und so wurde ich in einem armen Londoner Slum geboren. Da mein Vater unbedingt sieben Bluthunde und ein Pony zum Reiten für mich halten wollte, herrschte ein ziemliches Gedränge. Doch während des ersten Krieges gegen die Deutschen fiel der älteste Bruder meines Vaters, und mein Vater wurde Lord Redesdale. Danach lebten wir in einem geräumigen Haus in den Cotswolds-Bergen. Ich hatte fünf Schwestern und einen Bruder. Mein Vater und meine Mutter, beide selbst ungebildet, waren gegen Bildung, und uns Mädchen wurde auch keine zuteil, wenngleich man uns Reiten und Französisch beibrachte. Mein Bruder ging nach Eton.«22 Mit diesen Worten beschrieb die für ihren Zynismus berühmte Schriftstellerin Nancy Mitford ihre außergewöhnliche Familie, die in den dreißiger Jahren in England für mehr als nur eine Schlagzeile gut war.

Unsere Geschichte beginnt jedoch nicht in Europa, sondern jenseits des Atlantiks in Ontario, Kanada, in der kleinen Gemeinde Swastika – Hakenkreuz. Ihren Namen entlehnt die 1908 gegründete Siedlung einer nahegelegenen Goldmine. Goldsucher hatten die Mine so benannt, weil das Kreuzsymbol mit den abgewinkelten Armen im Sanskrit als Glückssymbol galt. Erst die Nationalsozialisten machten daraus ein Symbol des Schreckens. Auf die Spitze gestellt und nach rechts abgewinkelt, wurde das Hakenkreuz zum schaurigen Ausdruck für den Rassenwahn der Nazis. Als die kanadische Regierung den Bewohnern des Örtchens mit dem zweifelhaften Namen während des Zweiten Weltkriegs eine Namensänderung vorschlug, verweigerten die sich allerdings. Und das tun sie bis heute.

Den ersten Goldsuchern waren zahlreiche Abenteurer nachgefolgt, und so wurde aus dem ehemaligen Eisenbahner-Camp rasch ein Verkehrs- und Versorgungsknoten. Die Wellblechhütten wichen einer kleinen Gemeinde mit Kirche, Schule und Geschäften. Unter denen, die hier ihr Glück suchen, ist auch David Bertram Ogilvy Freeman-Mitford, Oberhaupt einer stetig wachsenden Familie. Obwohl aus angesehenem britischem Elternhaus, sind seine finanziellen Mittel beschränkt. Aufmerksam geworden durch Berichte über sagenhafte Goldfunde in Kanada, hat er sich in Swastika an einem Claim beteiligt. 1912 betritt er zum ersten Mal kanadischen Boden. Zurück in England, begeistert er mit seinen Schilderungen der rauen Natur, des freien Lebens und der Kameradschaft unter den Männern auch seine Frau Sydney, eine äußerst unkonventionelle Person. Das Paar beschließt, die Kinder in der Obhut des Personals zu belassen und gemeinsam nach Kanada aufzubrechen. Ein waghalsiger Plan – trotz zunehmendem Reisekomfort. Erst vor wenigen Monaten ist der neueste Luxusliner der White Star Line vom Stapel gelaufen. Was für ein Spaß wäre es gewesen, auf diesem Schiff zu reisen, dessen technische Raffinesse alles bisher Dagewesene übertrifft. Doch als die RMS Titanic am 15. April 1912 sinkt, sind Mr und Mrs Mitford glücklicherweise nicht an Bord. Ihre älteste Tochter Nancy aber lässt sich vom Untergang der Titanic inspirieren: »Ich hoffte sehr, dass auch ihr Schiff […] untergehen und dass ich dann die Zügel des Haushalts in die Hände nehmen würde, um ›die anderen‹ herumzukommandieren. Jedenfalls erinnere ich mich, dass ich die Daily News auf die Nachricht von einem Schiffsunglück absuchte: ›Unter den bedauernswerten Opfern sind Mr und Mrs Mitford.‹ Ich wusste, dass dieser wunderbare Traum niemals wahr werden würde, und wenn doch, wäre ich so traurig gewesen wie jede Siebenjährige.«23

Im Herbst 1913 landen Mr und Mrs Mitford wohlbehalten in Kanada. Sie leben in einer Holzhütte, Sydney kocht und putzt selbst. In der Rückschau erscheint beiden dieses spartanische Leben als die schönste Zeit ihrer Ehe. Die Winter in Kanada sind lang und einsam, und als sie im Frühjahr nach England zurückkehren, ist Sydney schwanger. Vier Tage nachdem Großbritannien dem Deutschen Kaiserreich den Krieg erklärt hat, wird am 8. August 1914 in London ein Mädchen geboren: »Wie üblich war meine Mutter damit beschäftigt, die Anzahl der anderen zu erhöhen, was ich extrem überflüssig fand«, quittiert Nancy die Geburt der Schwester. »Sie erhielt die Namen Unity, nach der Schauspielerin Unity Moore, die meine Mutter sehr verehrte, und Valkyrie, wie die Schildjungfern. Das war die Idee von Großvater Redesdale; er sagte, die Schildjungfern seien nicht deutsch, sondern skandinavisch: Er musste es wissen, war er doch ein großer Wagnerfreund.«24 Auch die Freude der Eltern ist leicht getrübt – schon wieder ein Mädchen. Dabei wäre etwas mehr Dankbarkeit durchaus angebracht: Das Kind wird das Einzige sein, was die Mitfords je aus Kanada mitbringen. Während der Besitzer des Nachbarclaims mehrfacher Millionär wird, erweist sich ihre Mine als völlig wertlos.

Ihren nahezu prophetisch klingenden zweiten Vornamen Valkyrie wird Unity in späteren Jahren wie in Wagners Ring des Nibelungen »Walküre« schreiben und hartnäckig behaupten, ihre Eltern seien über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs so empört gewesen, dass sie damit ihre Solidarität mit Deutschland zum Ausdruck bringen wollten. Dass ihr Vater lange Jahre ein ausgesprochener Deutschenhasser war, übersieht sie dabei geflissentlich. Stattdessen wird sie sowohl ihren Zeugungsort Swastika als auch ihren zweiten Vornamen als schicksalhaft begreifen und sich mit den auserwählten Schlacht- und Schildjungfern der nordischen Mythologie gleichsetzen.

David und Sydney Mitford hingegen sind keineswegs mythisch veranlagt, sondern waschechte Edwardians, festverankert im rationalen Denken ihrer Zeit. Während David mit jedem Zoll den britischen Gentleman verkörpert, ist Sydney ganz die junge Lady aus der Upperclass, die mit Hilfe von reichlich Personal den Haushalt führt und sich ansonsten den Wünschen ihres Mannes unterordnet. 1894 sind sich die beiden zum ersten Mal begegnet, in Batsford Park, Gloucestershire, dem großen Anwesen von Davids Vater Algernon Bertram Freeman-Mitford, 1. Baron Redesdale. Sydneys Vater, der konservative Parlamentsabgeordnete Thomas Gibson Bowles, ist als Freund des Hauses zu Besuch und hat seine 14-jährige Tochter mitgebracht. Die verliebt sich auf der Stelle in David. Eine Leidenschaft, die nach der Abreise rasch wieder abkühlt und sich anderen Objekten zuwendet.

Thomas Bowles und Lord Redesdale sind Viktorianer wie aus dem Bilderbuch: Männer voll Energie und Tatendrang, gesegnet mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein und der gottgegebenen Überheblichkeit der britischen Imperialisten. Thomas »Tap« Bowles ist der illegitime Sohn des liberalen Parlamentsabgeordneten Thomas Milner Gibson und seiner Geliebten Susannah Bowles, einem Dienstmädchen. Mit drei Jahren kommt er ins Haus seines Vaters, dessen außergewöhnliche Gattin den kleinen Thomas nicht nur in die Familie integriert, sondern sich auch stets wie eine Löwin vor ihn stellt: »Das ist Thomas Bowles. Seien Sie nett zu ihm oder verlassen Sie mein Haus.«25 Obwohl Thomas sich als der intelligenteste seiner Söhne entpuppt, schickt sein Vater ihn nicht nach Eton, sondern auf ein Internat nach Frankreich, um die feine britische Gesellschaft nicht noch mehr zu brüskieren. Nach seiner Rückkehr studiert der attraktive junge Mann am King’s College in London, woran sich eine steile Karriere als Journalist der Morning Post anschließt. 1868 gründet er das Gesellschaftsmagazin Vanity Fair und wird zu einem der erfolgreichsten Verleger der Insel. Zusammen mit seiner geliebten Frau Jessica hat er vier Kinder. Als Jessica 1887 mit nur 35 Jahren an ihrer fünften Schwangerschaft stirbt, übernimmt er höchstpersönlich die Erziehung seiner Kinder. Während die Söhne Geoffrey und George ins Internat kommen, bleiben die Töchter Sydney und Dorothy, genannt Weenie, beim Vater. Eine ungewöhnliche Entscheidung, doch Thomas Bowles hatte sich bereits zu Lebzeiten seiner Frau um die Erziehung der Kinder gekümmert und mit seinen für viktorianische Verhältnisse seltsam anmutenden Erziehungsmethoden sämtliche Kindermädchen zur Verzweiflung gebracht. In einer Zeit, in der man kühle Nachtluft für gesundheitsgefährdend hält, verfügt er, dass die Fenster im Schlafzimmer nachts immer einen Spalt offen stehen. Er schwört auf Naturheilkunde, setzt auf drei Mahlzeiten täglich und verbietet seinen Kindern strikt, zwischen den Mahlzeiten zu essen. Statt reichhaltiger Kost empfiehlt er – im scharfen Kontrast zu den Gepflogenheiten seiner Zeit – leicht Verdauliches und viel Bewegung. Auch dass er tägliches Duschen einem wöchentlichen Vollbad vorzieht, befremdet viele Zeitgenossen.

Bowles’ große Liebe gilt dem Meer. Als kleiner Junge hatte ihm sein Vater das Segeln beigebracht. Nach dem Tod seiner Frau erwirbt er einen Schoner und sticht mit seinen Töchtern in See. Die Weltmeere werden das Zuhause der Familie. Auch nachdem sie sich in London niedergelassen haben, verbringen sie die...

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