Deutschlands erfolgreichste Kunstfliegerin
Die erfolgreichste deutsche Kunstfliegerin zwischen 1930 und 1970 dürfte Liesel Bach (1905-1992) gewesen sein. Zu ihren herausragendsten fliegerischen Leistungen gehört der erste Flug einer Frau über den Himalaja im Jahre 1951. Elisabeth Bach kam am 14. Juni 1905 in Bonn am Rhein als Tochter eines Fabrikanten zur Welt. Statt Elisabeth wurde sie immer Liesel genannt. Sie war — laut ihren eigenen Erinnerungen — ein wildes und ungestümes Kind. Wenn Nachbarskinder nach ihr fragten, antwortete ihre Mutter oft, Liesel sei unten im Hof oder auf einem Baum.
Einmal löste Liesel im Auto ihres Vaters die Handbremse und das Fahrzeug kam erst an einem Baum zum Stehen. Ein anderes Mal kletterte sie auf den Bock des Bierwagens, den der Kutscher vor dem Haus ihrer Eltern abgestellt hatte, und lenkte den Wagen durch die Straßen, wobei die Pferde immer schneller wurden. Zum Glück konnte ein mutiger Passant, der unter Lebensgefahr den Pferden in die Zügel griff, die rasante Fahrt stoppen.
Liesel Bach war erst elf Jahre alt, als ihre Mutter viel zu früh starb. Ihr Vater heiratete danach wieder. Ihren aus der zweiten Ehe hervorgegangenen Halbbruder Guido liebte Liesel sehr.
Der Vater schickte Liesel in ein Pensionat, damit sie endlich ein gesittetes Leben beginnen sollte. Dort war das intelligente und sportliche Mädchen trotz zahlreicher Streiche eine gute Schülerin. Beim Abschied von Liesel aus dem Pensionat sagte dessen Direktor, nun werde es in seinem Haus ja wieder ruhig werden.
Nach der Rückkehr ins Elternhaus war Liesel sportlich sehr aktiv. Sie schwamm gerne, sprang vom Zehnmeter-Turm, wurde Mitglied in der „Deutschen Turnerschaft" und gewann als Jugendschwimmerin im 5-Kilometer-Stromschwimmen ihren ersten Lorbeerkranz.
Auf Wunsch ihres Vaters machte Liesel in einem Mode-Atelier für Damen eine dreijährige Lehre und schloss diese mit einem Gesellenbrief ab. Danach arbeitete sie zwei Jahre lang als Schneiderin, kündigte dann unerwartet und trat in ein Turnerinnenseminar ein. Sie bestand das Examen als Turn- und Sportlehrerin und nahm als vielseitige Sportlerin an Wettkämpfen verschiedener Sportarten teil. Bei den SchwimmMeisterschaften der „Deutschen Turnerschaft" wurde sie Siegerin im Turmspringen, dies war ihre erste „Deutsche Meisterschaft", der weitere folgten.
Nachdem sie erstmals mit einem Bekannten, der sich ein Flugzeug gekauft hatte, in Bonn-Hangelar mitfliegen durfte, interessierte sich Liesel Bach auch für die Fliegerei und wollte Pilotin werden. Von diesem Wunsch ließ sie auch nicht ab, als die Maschine, in der sie zum ersten Mal geflogen war, zwei Tage später bei einem Flugtag abstürzte und dabei der Pilot sowie mehrere Besucher starben.
Spontan wurde Liesel Bach das einzige weibliche Mitglied im Ortsverein des „Deutschen Leichtathlektik-Verbandes" („DLV") und in der dortigen Segelfliegergruppe. Fortan war sie oft auf dem Flughafen Bonn-Hangelar zu Gast. Als sie dort eines Tages in einem Raum mit Sportgeräten am Barren turnte, bemerkte sie, dass der Fluglehrer der Kölner Fliegerschule, Jakob Möltgen (1888—1975), mit einem Schüler auf dem Rollfeld landete. Sie rannte in kurzen Turnhosen zur Maschine und fragte Möltgen atemlos, ob er sie in Köln schulen könnte. Er sah sie an, nickte dann und kümmerte sich nicht mehr weiter um sie.
Bald danach fuhr Liesel Bach zum Kölner Flughafen, wo sich Möltgen an sie erinnerte, mit ihr einen kurzen Probeflug unternahm und ihr einen Freiflugschein der Lufthansa zum großen Rhön-Segelflugwettbewerb auf der Wasserkuppe schenkte. Möltgen hatte mit sicherem Blick das sportliche Talent von Liesel erkannt.
Kurze Zeit nach dem Wettbewerb in der Rhön erhielt Liesel Bach von Willy Kanstein, dem Leiter der Kölner Polizeiflugwache, einen der wohl wichtigsten Briefe ihres Lebens. Darin stand, dass sie beim „Kölner Klub für Luftfahrt" für insgesamt 500 Reichsmark geschult werden könne. 200 Reichsmark müsse sie sofort anzahlen, weil dies die Prämie für die Versicherung sei. Wenn sie sich gut anstelle, sei der Club bereit, ihr die restlichen 300 Reichsmark zu erlassen, müsse sich dann aber verpflichten, bei Veranstaltungen des Clubs zu fliegen.
Am 10. September 1929 begann die zierliche Liesel Bach, die den Spitznamen „Bachstelze" trug, in Köln mit dem Flugunterricht. Nach 14 Stunden flog sie erstmals allein. Am 26. November 1929 schloss sie mit einem Überlandflug von Köln über Frankfurt am Main nach Bonn und zurück nach Köln die Prüfung für den A2-Schein ab. Ein Bonner Pilot hatte geunkt, wenn eine Frau nach Frankfurt finde, wolle er Michel heißen. Obwohl das Wetter hundsmiserabel war und sie sich anfangs „verfranzte", fand Liesel schließlich doch den richtigen Weg am Rhein entlang und landete sicher in Frankfurt am Main. In Köln wartete ihr Fluglehrer Möltgen wie auf Kohlen auf seine Schülerin und war sehr erleichtert, als Liesel mit ihrer „Klemm" in Köln eintraf. Sie war nun die erste Kölner Pilotin.
Im April 1930 erwarb Liesel Bach auch den Kunstflugschein. Zuvor hatte sie unter der Anleitung von Möltgen gelernt, Steilkurven, den „Turn" (eine hochgezogene Kehrtkurve), den „Slip" links und rechts sowie einen Looping zu fliegen. Der Kunstflug war nun eine Leidenschaft, die sie nicht mehr losließ. Mit einem vom Klub ausgeliehenen Flugzeug des Typs „Klemm L 26a" (D-1798) meldete sich Liesel Bach für die „Deutsche Kunstflugmeisterschaft für Damen" am 29. Mai 1930 in Bonn-Hangelar an. Obwohl sie erst drei Wochen einen Kunstflugschein besaß und somit ein Neuling war, gewann sie bei einem Wettbewerb gegen ihre acht teilweise merklich erfahreneren Konkurrentinnen. Als Siegespreis erhielt sie ein funkelnagelneues Auto (Opel), das sie mit nach Hause nehmen durfte. Ihren Titel konnte sie in den folgenden Jahren mehrfach erfolgreich verteidigen. Bei ihren ersten Wettbewerben flog sich noch mit einer ausgeliehenen Maschine, bald aber mit einer eigenen „Klemm L 26a", die ihren Namen trug.
Im Juni 1931 gewann Liesel Bach in Mailand die Europameisterschaft im Damenkunstflug. Am 10. August 1931 wurde sie — laut „Munzinger-Archiv" — die erste Frau in Deutschland, welche die Genehmigung zur Fliegerausbildung erhielt. Einige Wochen später hatte sie erneut Grund zur Freude, als sie am 6. September 1931 auf dem Flugplatz Berlin-Tempelhof zum zweiten Mal die „Deutsche Kunstflugmeisterschaft für Damen" gewann.
Ende 1931 wagte Liesel Bach ihren ersten Fernflug mit Ziel Sardinien. Weil sie wegen schlechten Wetters nicht auf dieser Mittelmeerinsel landen konnte, flog sie nach Italien zurück. Dort musste sie wegen Treibstoffmangels in Rom eine Außenladung machen. In den 1930er Jahren wandte sie sich dem Nationalsozialismus zu, den sie bei ihren Auslandsreisen verteidigte.
1930 und 1931 gewann Liesel Bach in Mailand den noch inoffiziellen Titel als „Internationale Kunstflugmeisterin". Am 28. April 1934 siegte sie mit einer „Klemm K1 28 XIV (D- 2495) in Vincennes bei Paris bei der „Internationalen Damen- Kunstflugmeisterschaft" („Coupe Feminines"), was damals der Weltmeisterschaft entsprach. Einzige ernsthafte Konkurrentin war die Französin Helene Boucher (1908—1934), weil die Deutsche Vera von Bissing (1906—2002) wegen Krankheit und die Französin Adrienne Bolland (1896—1975) wegen technischer Probleme an ihrem Flugzeug nicht teilnehmen konnten. Auch diesen Titel konnte sie ein Jahr später in Rouen erfolgreich verteidigen.
1935 nahm Liesel Bach an der „Deutschen Kunstflugmeistrerschaft" teil und erkämpfte dabei als einzige Frau unter den Teilnehmern einen respektablen dritten Platz. Weil ihre Klemm auf einem von Jakob Möltgen durchgeführten Überführungsflug nach einer Notlandung verbrannt war, hatte sie Gerhard Fieseler (18966—1987) dessen „Raka RK 26a Tigerschwalbe" (D-1616) abgekauft und damit mehrere Flugtage und Wettbewerbe bestritten.
Anlässlich der Olympiade 1936 in Berlin fanden auch zwei Kunstflugveranstaltungen statt: Erstens der Damen-Kunstflugwettbewerb zur Eröffnung des Flugplatzes in Rangsdorf im Juli 1936, wo Liesel Bach nach knapper Führung in der Pflicht am Ende den Sieg noch Vera von Bissing überlassen musste. Zweitens der Großflugtag in Tempelhof einige Tage später, wo das Publikum als Bewerter die beiden Fliegerinnen in genau umgekehrter Reihenfolge beurteilte, Liesel Bach also zur Siegerin erkor.
Beim „IV. Internationalen Flugmeeting 1937" in Zürich traten Liesel Bach und Vera von Bissing lediglich im Schauprogramm auf. Dabei flog Liesel mit einer „Bü 133 Jungmeister".
Ein neuer sportlicher Wettstreit zwischen Liesel Bach und Vera von Bissing folgte 1938 beim Zuverlässigkeitsflug der Sportfliegerinnen. Dabei flogen alle 13 Teilnehmerinnen mit einer Maschine des Typs „Klemm K1 25". Siegerin war Melitta Schiller (1903—1945). Im Jahr darauf gewann Liesel Bach mit einer „Bücker Bü 180 Student" wieder diesen Wettbewerb.
Laut Online-Lexikon „Wikipedia" ist über die Tätigkeit von Liesel Bach während des Zweiten Weltkrieges (1939—1945) wenig bekannt. Zunächst soll sie für die Luftwaffe als Kunstfluglehrerin gearbeitet, später als Angehörige des „Überführungsgeschwaders...