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Krasse Töchter

Mädchen in Jugendkulturen

VerlagArchiv der Jugendkulturen Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783943612646
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Jugendkulturen sind fast immer Jungenkulturen. Ob HipHop oder Metal, Skins oder Punks, Skater oder Techno - Jungen und junge Männer dominieren. Dennoch gibt es zahlreiche Mädchen und junge Frauen in diesen und allen anderen Szenen. Wie verteilen sie sich auf die Szenen? Wie erleben sie ihre Szene? Werden sie genauso akzeptiert wie die Jungs? Müssen sie anderen Rollenerwartungen genügen als die männlichen Szene-Angehörigen? Auf welche Weise finden sie ihren Weg in die Szenen? Was schreckt sie von einer aktiven Teilnahme ab? Haben Mädchen und junge Frauen andere Einstellungen zu Drogen, Gewalt, Sex und Beziehungen als die jungen Männer? Der Sammelband enthält u. a. Texte zu Mädchen und jungen Frauen in Hardcore, HipHop, Graffiti, Metal, Gothic, Visual kei und im Fußball, zu Riot Grrrls und Ladyfesten, rechtsextremen Mädchen, Mädchen in der Skinhead- und Rockabilly-Szene, Mädchen und Medien sowie Möglichkeiten der jugendkulturellen und interkulturellen Mädchenarbeit.

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Leseprobe

Gabriele Rohmann

Krasse Töchter. Mädchen in Jugendkulturen. Auftakt


Die meisten Jugendkulturen sind auf den ersten Blick Jungenkulturen – noch immer. Daran haben weder die zweite Frauenbewegung der 1970er-Jahre noch die seit einigen Jahren kursierenden Gender-Mainstreaming-Konzepte etwas ändern können.

Filmcover „Fliegen Lernen“ ‚Rodi Eine Dokumentation von Kim Koch über drei Skaterinnen. Bezug über die Regisseurin kimkoch@gmx.de
Foto: Andreas Kickel

Jungen und Männer dominieren die Rockabilly-, HipHop-, Skinhead- oder Metal-Szene, Sexismus gehört gerade in diesen Szenen zum guten Ton (Rohmann 1999). Provokations- und Protestkulturen wie die Riot Grrrls der 1990er-Jahre verschwanden in der öffentlichen Wahrnehmung schnell hinter der von den Medien konstruierten handzahmen „Girl Power“- oder „Girlie“-Fassade von Casting-Bands wie den Spice Girls, Tic-TacToe oder den No Angels.

Immerhin ist das Thema ‚Mädchen‘ inzwischen en vogue. Alle großen Jugendstudien der letzten Jahre wie der 3. Jugendsurvey des Deutschen Jugendinstituts (DJI) (Gille et al. 2006) weisen darauf hin, dass Mädchen und junge Frauen im Vergleich zu den Jungen gleiche oder bessere schulische und berufliche Qualifikationen haben. Der Spiegel widmete in der Ausgabe vom 11. Juni 2007 (24/2007) unter dem Begriff „Alphamädchen“ seine Titelstory den ‚neuen Mädchen‘, erstaunlicherweise ohne leicht bekleidete junge Damen, die das Nachrichtenmagazin sonst so gerne beim Thema ‚Männer und Frauen‘ auf dem Cover posieren lässt. Diesmal portraitiert das Wochenmagazin die „Alphamädchen“ als Frauen, die klar ihren Weg gehen und sich in zahlreichen Männerdomänen behaupten. Die Berliner Zeitung berichtete am 27. Juni 2007, dass nach einer Studie des Trendforschers Matthias Horx die Zukunft den Mädchen und Frauen gehöre. Parallel dazu ist ein leidiger Diskurs über die altbackenen Pseudo-Thesen der TV-Moderatorin Eva Herman aufgekommen, die mit ihren an die Adenauer-Ära der Bundesrepublik Deutschland erinnernden Positionen bei Kirchen, Medien und konservativen Parteien offene Türen einrennt. Erleben wir gerade einen Backlash, wie Susan Faludi 1995 in ihrem gleichnamigen Buch diagnostizierte, oder einen Aufbruch in eine emanzipatorische Gesellschaft? Die Frage kann hier nur gestellt, nicht beantwortet werden. Zumindest ist Bewegung in die Wahrnehmungsmuster von Männlichkeit und Weiblichkeit geraten – auch in der Forschung über Jugendkulturen.

„Fliegen lernen“


In den zahlreichen Jugendszenen gibt es schon lange Mädchen und junge Frauen, die selbstbewusst in den männerdominierten Domänen ‚ihre Frau‘ stehen und eigene Strategien im Umgang mit den männlichen Geschlechtsgenossen entwickelt haben.

Der Film „Fliegen lernen“ der Regisseurin Kim Koch ist dafür ein Beispiel. Im Jahr 2006 begleitete Koch drei Skaterinnen. Ester Vonplon, Rodi Münzel und Nina Braun berichten über die Skater-Szene, über ihren Weg zum Skaten, den Umgang mit den überwiegend männlichen Skatern und deren Vorurteile über Mädchen, aber auch über ihre eigenen Vorbehalte gegenüber den „Bettys“, den Skater-Groupies, die sich zwar szenekonform kleiden, aber an den Treffpunkten, den Spots, dann doch nur die Jungs bewundern. Ester Vonplon hingegen schauen schon lange die Jungen zu. Sie erlangte mit 17 Jahren Weltcup-Qualifikationen im Snowboard, erlitt beim Snowboarden einen lebensgefährlichen Unfall, in dessen Folge sie in dieser Szene fallen gelassen wurde. Seither skatet sie lieber, auch wenn sie sich bei dieser ebenfalls gewagten Sportart in den letzten Jahren manchen Knochen gebrochen hat. Rodi Münzel bringt mit Leidenschaft Mädchen das Skaten bei und ist überzeugt, dass „Mädchen-Mädchen“ in der Skater-Szene nicht weit kommen. Nina Braun, die von 1998 bis 2006 „Sumo“, das erste Skateboard-Label für Mädchen in Deutschland, ins Leben gerufen und geleitet hat, versteht sich ganz locker „als Feministin“. Denn das sei sie ja wohl, so wie sie durchs Leben gehe, auch wenn sie sich lange nicht mit feministischen Konzepten auseinandergesetzt habe. „Besser eine Feministin als ’ne Pussy, sollte doch eigentlich jede sein“, sagt sie im Film. Zusammen mit anderen Frauen betreibt die inzwischen freischaffende Künstlerin die Website www.sumogirls.de, auf der sie jungen Frauen berühmte, aber trotzdem nur wenig erwähnte Frauen wie Bertha von Suttner, Virginia Woolf oder Martina Navrátilová näherbringen will.

Backcover „Fliegen Lernen“, Nina und Ester
Foto: Andreas Kickel

Zum Stand der Forschung


Lange Zeit sind die Mädchen, ihre Strategien und die Geschlechterkonstruktionen in Jugendkulturen in der Jugendsoziologie des deutschsprachigen Raums kaum berücksichtigt worden. Publikationen dazu finden sich hier vor allem im Bereich der Gender-Forschung und in feministischen Diskursen (Baldauf & Weingartner 1998, Fritzsche 2003, Kailer & Bierbaum 2002, Reitsamer & Weinzierl 2006, Stauber 2005) oder in Zeitschriften wie fiber – zeitschrift für feminismus und popkultur, in melodiva, die seit 2000 nur noch online unter www.melodiva.de zu finden ist, im Themenheft Nr. 8 „Gender – Geschlechterverhältnisse im Pop“ der testcard – Beiträge zur Popgeschichte oder im Journal der Jugendkulturen (Großegger 1999, Journal der Jugendkulturen Nr. 8/2003 – Themenschwerpunkt Mädchen, Schmidt 2004, Gupta 2006).

Doch das Thema ist auch allgemein sozialwissenschaftlich relevant. Das haben Jenny Garber und Angela McRobbie bereits Mitte der 1970er-Jahre erkannt und in dem Aufsatz „Mädchen in Jugendkulturen“ in dem berühmt gewordenen, von John Clarke herausgegebenen Sammelband „Jugendkultur als Widerstand“ (Clarke et al. 1981) zur Sprache gebracht. Ihre Fragen, die in manchen Beiträgen von „Krasse Töchter“, aber auch in der Jugendforschung anderer Länder wie in Mexiko (Urteaga 2006) zitiert werden, sind teilweise auch nach mehr als dreißig Jahren noch aktuell: „Fehlen die Mädchen wirklich in den Subkulturen? Wo Mädchen sichtbar sind – welches sind da ihre Rollen? Und spiegeln diese die allgemeine Unterordnung der Frauen in der Kultur wider? Haben die Mädchen alternative Formen, ihr kulturelles Leben zu organisieren?“ (McRobbie & Garber 1981, S. 221 ff.) Die erste ihrer Fragen lässt sich mit einem klaren ‚Nein‘ beantworten. Mädchen und junge Frauen sind in allen Jugendkulturen aktiv, selbst in politisch rechts ausgerichteten Szenen spielen sie eine wichtige Rolle (Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsstelle Frauen und Rechtsextremismus 2005, Köttig 2004). Für die Beantwortung der weiteren Fragen müssen wir schon tiefer schürfen.

Die Autorinnen und Autoren dieses Sammelbandes machen das. Sie haben die Rollen und Strategien von Mädchen und jungen Frauen im HipHop, Techno, Black und Death Metal, Visual kei, Hardcore, Fußball, in der Riot Grrrl/Ladyfest-Szene, der Skinhead- und Rockabilly-Szene, bei den Gothics, in der Singer-Songwriter-Szene und in der rechtsextremen Szene untersucht und stellen in diesem Buch neueste Erkenntnisse aus der qualitativen empirischen Sozialforschung vor. Die meisten Autorinnen und Autoren beschäftigen sich seit vielen Jahren mit diesen Szenen, einige verstehen sich selbst als – kritischen – Teil derselben. Ihr Blick ist zugleich innen- und außengerichtet, ein Ansatz, den auch die Bonner Soziologie-Professorin Doris Lucke in dem Sammelband „Jugend in Szenen“ (2006) vertritt.

Die verschiedenen „cultures of femininity“ (McRobbie 1978), die hier vorgestellt werden, fördern erstaunlich unterschiedliche Strategien im Umgang mit Geschlecht und Geschlechterkonstruktionen zutage. Es gibt nicht den einen Umgang mit Geschlecht in Jugendszenen, sondern eine Vielzahl von Strategien, Einstellungen, Rollenmustern und Ansichten. Aus dieser Einsicht ergeben sich viele Fragen: Über den Umgang mit jugendsoziologischen Ansätzen, mit feministischen Herangehensweisen, mit Konzepten in der Jugendkulturarbeit und in der Sozialpädagogik. „Krasse Töchter“ belässt es daher nicht bei der Vorstellung neuerer Ergebnisse aus der Sozialforschung zum Thema Mädchen und junge Frauen in Jugendkulturen, sondern enthält auch Beiträge aus der Interkulturellen Mädchenarbeit, der Medienforschung, der feministischen Medienarbeit, der Mädchenpolitik sowie Selbstpräsentationen von Künstlerinnen aus dem HipHop und politischen Pop, die in eigenen Texten, Berichten und Interviews ihre Sicht auf Geschlechterrollen in Jugendkulturen thematisieren.

Von „Unbeschreiblich weiblich?“ zu „Krasse Töchter“


Der Band geht zum Teil auf die Fachtagung „Unbeschreiblich weiblich?...

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