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E-Book

Photochemie

AutorDieter Wöhrle, Michael W. Tausch, Wolf-Dieter Stohrer
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl539 Seiten
ISBN9783527660889
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis97,99 EUR
Kompakt, interdiziplinär, praxisorientiert - so präsentiert sich dieses facettenreiche Lehrbuch der Photochemie.
Das gut strukturierte und sehr verständlich geschriebene Werk macht den Leser mit allen bedeutenden photochemischen Prozessen vertraut. Das Spektrum reicht dabei von den klassischen photochemischen Reaktionen, über die Photosynthese, Chemolumineszenz, Photovoltaik und Photopolymerisationen bis hin zur photodynamischen Krebstherapie. Die vielschichtigen Lerninhalte werden stets kompetent und anschaulich dargestellt, und die überprüfung und Vertiefung des Lernstoffes ist anhand zahlreicher aktueller Literaturhinweise zu jedem Kapitel gewährleistet.
Der zweite Teil des Buches stellt ausführlich Methoden und Experimente zu den Lerninhalten vor. Diese Versuche werden sicherlich das experimentelle Repertoire von vielen Vorlesungen und Praktika bereichern und auch wertvolle Anregungen für Forschungsarbeiten liefern.
Ein 'Lichtblick' für Chemiker, Physiker, Biologen, Mediziner... kurz für alle, die eine Einführung in die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie suchen!

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Leseprobe

1


Definition, historischer Abriß und Bedeutung der Photochemie


Als photochemische Reaktionen werden im landläufigen (engeren) Sinne allgemein die Reaktionen bezeichnet, bei denen die für die Reaktion notwendige Aktivierungsenergie nicht in Form von Wärme, sondern in Form von sichtbarem oder ultraviolettem Licht1 zugeführt wird, die Reaktion also nicht durch Bunsenbrenner oder Heizpilz, sondern durch Sonne oder künstliche Stahlungsquellen initiiert wird. Im allgemeineren Sinne versteht man aber unter photochemischen Reaktionen diejenigen, die nicht ausschließlich - wie dies bei den thermischen Reaktionen der Fall ist - im elektronischen Grundzustand ablaufen, sondern bei denen entlang der Reaktionskoordinate auch ein oder mehrere elektronisch angeregte Zustände involviert sind. Dies hat zur Folge, daß wir neben den lichtinduzierten photochemischen Reaktionen im engeren Sinne auch weitere Prozesse betrachten werden, und zwar jeweils unter theoretisch-fachsystematischen, experimentellen und anwendungsbezogenen Gesichtspunkten. Zum einen berücksichtigen wir die zu den lichtinduzierten komplementären lichtproduzierenden Reaktionen, die als Chemolumineszenz bezeichnet werden. Zum anderen sind Fluoreszenz und Phosphoreszenz, photovoltaische und photoelektrochemische Prozesse zu nennen, die sich eher mit physikalischen Prozessen elektronisch angeregter Zustände befassen.

Reaktionen, die durch Röntgen- oder γ-Strahlen initiiert werden, werden aus praktischen Gründen definitionsgemäß nicht der Photochemie, sondern der Radiochemie zugeordnet und bleiben im folgenden unberücksichtigt.

Auf unserem Planeten sind Photoreaktionen bedeutend älter als das Leben. Sie sind eng mit der Bildung organischer Moleküle in der präbiotischen Phase und dann mit der Evolution des Lebens verknüpft (Kap. 7.3.1.1). Die Photosynthese ist bis heute der zentrale Prozeß für Energie, Nahrung und Klima. Die ersten Kenntnisse des Menschen über Vorgänge mit Lichtbeteiligung verlieren sich in frühen Zeiten der Kulturgeschichte. Mit dem Licht ihres verehrten Sonnengottes präparierten die alten Ägypter vor 4500 Jahren die Mumien ihrer Pharaonen, und mit gebündeltem Sonnenlicht zündete vor 2200 Jahren der Grieche Archimedes die Segel der feindlichen Schiffe an. Alexander der Große benutzte wohl die Farbveränderungen eines photochromen Farbstoffs als erste photochemische Reaktion, um den Angriff seiner Truppen zu koordinieren (s. Beginn des Kap. 4.5). In der biblischen Schöpfungsgeschichte heißt es im Ersten Buch Moses, Vers 3-4: „Und Gott sprach: Es werde Licht! / Und es ward Licht. / Und Gott sah, daß das Licht gut war. “ Es ist bemerkenswert, daß bereits die Schreiber des Alten Testaments im Licht eine der Urschöpfungen erkannten, die zu den Voraussetzungen für die Entstehung irdischen Lebens gehören.

Lange Zeit stand die thermische Nutzung der Sonnenenergie bei chemischen Reaktionen im Vordergrund. So beschrieb Libavius 1608 in seinem berühmten Werk „Alchymia“ mehrere Methoden für die Fokussierung von Sonnenlicht auf bestimmte Flächen und die Nutzung für chemische Veränderungen [1]. Doch das Phänomen Licht blieb über Jahrtausende hinweg in eine Aura von Mystik und Magie gehüllt, noch mehr als das Feuer, an das es untrennbar gebunden schien. Diese Vorstellung fiel, als Brand, der Hamburger Alchimist, im Jahr 1669 das kalte Licht des Calcinationsrückstandes aus menschlichem Urin entdeckte. Brands Licht war - entgegen der Meinung einiger Zeitgenossen - weder der Stein der Weisen, noch das Elixier des Feuers. Er hatte das Element Phosphor erhalten, das zwar nie die Alchimistenträume von der Goldmacherei erfüllte, aber u.a. zur Erkenntnis verhalf, daß von Menschenhand erzeugtes Licht nicht immer von Feuer oder heißen Körpern ausgehen mußte. Es handelt sich bei Brands Entdeckung um das älteste überlieferte Beispiel von Chemolumineszenz (vgl. Kap. 6).

Etwa ein Jahrhundert nach der Entdeckung des Phosphors, als Lavoisier in minutiöser 13-jähriger Arbeit (1772 bis 1785) die Phlogistontheorie der Verbrennung Punkt für Punkt entkräftet und durch die Sauerstofftheorie ersetzt hatte, stand bereits längst fest, daß das Leuchten des weißen Phosphors eine Begleiterscheinung seiner Oxidation ist. Und wieder ein knappes Jahrhundert später, im Jahre 1862, beobachtete Edmund Bequerel, dessen Sohn Henri 34 Jahre später die natürliche Radioaktivität entdecken sollte, daß kaltes Licht auch von einigen Körpern erzeugt werden kann, wenn sie kurz vorher mit Licht bestrahlt worden waren. Da aber hierbei keine stofflichen Änderungen erfolgen, wurde dieses Phänomen, die Phosphoreszenz, ebenso wie die damit verwandte Fluoreszenz, zunächst nicht zum näheren Forschungsobjekt der Chemie. Der als Begründer der Elektrochemie bekannte Physikochemiker J. W. Ritter beobachtete um 1800, daß Silbersalze auch jenseits der violetten Farbe aus dem Spektrum geschwärzt werden. Daher gilt er als Entdecker des UV-Lichtes. Er stellte in der damals üblichen, romantisch-schwärmerischen Ausdrucksweise fest “Licht ist die Quelle jeglicher Kraft, die Leben schafft und Thätigkeit.”

J. Priestley beobachete um 1790 zwei „echte“ Photoreaktionen. Er setze Ampullen gefüllt mit dem „spirit of nitre“ (Salpetersäure) dem Sonnenlicht aus und beobachtete eine rötliche Verfärbung. Dies muß als erste Photoreaktion in der Gasphase angesehen werden. Auch erarbeitete Priestley erste Ergebnisse zur Photosynthese (s. Kap. 4.3). Das 1817 erschienene „Handbuch der theoretischen Chemie“ von L. Gmelin stellt eine gute Übersicht zu den Kenntnissen und Theorien über das Licht Anfang des 19. Jahrhunderts dar [2], In 26 Punkten werden die Wirkungen des Lichtes auf „wägbare Stoffe“ wie die Chlorknallgasreaktion, die Reaktionen des Chlorwassers (Arbeiten u.a. von C. L. Berthollet, 1790), die Schwärzung des Silberchlorides, die Zerstörung von Pflanzenfarben, die Entwicklung von Sauerstoff aus „Kohlensäure“ durch grüne Pflanzenteile beschrieben. In die Zeit von 1840 bis 1860 fallen weitere Arbeiten zur photolytischen Chlorknallgasreaktion (R. Bunsen und H. Roscoe bzw. J. W. Drapers und W. C. Wittwers [3]), zur chemischen Wirkung des Lichtes auf eine wäßrige Lösung von Eisen(III)oxid und Salzsäure - heute als Ferrioxalat-Aktinometrie bekannt - (J. W. Döbereiner) und zur Umlagerung von Santonin als wohl am längsten bekannte Lichtreaktion (s. Kap. 5; H, Trommsdorf u.a. [4]). Die Folgezeit von etwa 1875 bis 1900 war initiiert durch die Entwicklung der präparativen Chemie, geprägt von photochemischen Arbeiten zu Dimerisierungen (u.a. J. Fritzsche, C. T. Liebermann, J. Bertram und R. Kürsten), cis-trans-Isomerisierungen (u.a. W. H. Perkin, J. Wislicenus, C. T. Liebermann), aromatischen Halogenierungen (u.a. J. Schramm), Reduktion von Carbonylverbindungen (u.a. H. Klinger) und Reaktionen von Diazo- bzw. Diazoniumverbindungen (u.a. A. Feer) [4].

Seit Lavoisier, bis tief ins 20.Jahrhundert hinein, spielte die thermische Chemie in der chemischen Praxis eine weitaus größere Rolle als die Lichtchemie. Im Labor wie in der Industrie wurden fast alle Reaktionen durch Wärmezufuhr in Gang gesetzt und/oder in Gang gehalten; bei exothermen Reaktionen mußte, besonders in der Technik, Wärme abgeführt werden. Auch das chemische Denken wurde von der Energieform Wärme beherrscht. Sprach Lavoisier im Jahr 1789 noch vom „Kaloricum - der unwägbaren Materie der Wärme “, sollte sich Dalton etwa 20 Jahre später in seinem berühmten Werk „A New System of Chemical Philosophy” wie folgt äußern: „Jedes Teilchen (Atom) nimmt den Mittelpunkt einer verhältnismäßig großen Sphäre ein und behauptet seine Würde dadurch, daß es alle übrige, welche vermöge ihrer Schwere oder aus anderen Gründen geneigt wären, es aus seiner Stelle zu vertreiben, in einer ehrfurchtsvollen Entfernung hält… diese weit ausgedehnten Sphären bestehen aus Wärmestoff. “ So nimmt es kein Wunder, daß die Wärme namensgebend und Mittelpunkt der Thermodynamik, der einzigen chemischen Grundtheorie bis zur Quantenmechanik, war und ist.

Unter den lichtinduzierten Reaktionen hat sich die Photographie mit Silberhalogeniden bereits im 19. Jahrhundert als eigenständiger Zweig etabliert und ist das auch bis heute geblieben. Am Anfang des 20. Jahrhunderts bekam die präparative Photochemie dann weitere Impulse durch G. Ciamician und zwischen den Jahren 1937 und 1957 durch A. Schönberg. Im Licht der ägyptischen Sonne brachte er in Kairo zahlreiche Verbindungen zur Reaktion und faßte seine...

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