Der doppelte Subjektivierungsprozess der Arbeit zeigt, dass sowohl betriebliche Veränderungen, als auch die neuen Ansprüche der Arbeitenden die Verfasstheit von traditioneller Arbeit verändern. „Ausbildungskonzepte, Arbeitstugenden und Führungskonzepte, die nur auf Befehl und Gehorsam beruhen, werden den anspruchsvollen Tätigkeiten […] kaum noch gerecht“ (Heidenreich, Braczyk 1996: 164). Vor allem die normative Subjektivierung bewirkt, dass Betriebe den modernen Arbeitnehmer nicht selbst produzieren müssen (z.B. durch betriebliche Strukturen), sondern, dass die Gesellschaft den benötigten Sozialcharakter in zunehmendem Maße selbst produziert (Moldaschl, Voß 2003: 36). Insbesondere der Wunsch nach Selbstverwirklichung und Lebensgenuss bei gleichzeitig sinkender Bereitschaft zur Unterordnung – insbesondere in Bezug auf traditionelle, starre Arbeitsstrukturen – prägt das Selbstverständnis der neuen Arbeitsgeneration (Böhne, Breutmann 2012: 24). Dieser Wandel führt zu einer veränderten Logik der Arbeitsnutzung, speziell weil die betrieblich funktionale Transformation von Arbeitskraft zunehmend den Arbeitenden zugewiesen wird, d.h. in verstärkter Weise externalisiert wird. Es kommt - so die These von Voß und Pongratz (2003) - zu einer „Veränderung der gesellschaftlichen Verfassung von Arbeitskraft“ (Voß, Pongartz 2003: 3). Die Besonderheit dieser Art von Arbeitskraft ist, dass sie unter Konkurrenz angeboten und nachgefragt wird, die Verkaufsbeziehungen kollektiv und individuell ausgehandelt werden und außerdem untrennbar von der Person ist (ebenda: 131). Damit einhergeht, dass die Arbeitskraft wie im ökonomischen Sinne als Ware verstanden wird. Die Autoren vertreten die These, dass der „grundlegende Wandel der Verfassung der Ware Arbeitskraft mit nachhaltigen Konsequenzen für das Arbeits- und Berufsverhalten sowie insgesamt die Lebensweise der Erwerbstätigen“ (Voß, Pongratz 1998: 132) verbunden ist. Die vorherrschende Form des verberuflichten Arbeitnehmers wird durch den neuen gesellschaftlichen Typus von Arbeitskraft, dem „Arbeitskraftunternehmer“ (ebenda: 132) ergänzt und langfristig abgelöst (ebenda: 139). Der Arbeitskraftunternehmer verkauft nicht mehr nur sein latentes Arbeitsvermögen,
„sondern [handelt] (inner- oder überbetrieblich) vorwiegen als Auftragnehmer für Arbeitsleistungen […], d.h. die Arbeitskraft [wird] weitgehend selbstorganisiert und selbstkontrolliert in konkrete Beiträge zum betrieblichen Ablauf überführt, für die kontinuierlich funktionale Verwendung (d.h. „Käufer“) gesucht werden [muss]“ (ebenda: 239f.).
Innerhalb dieser Aussage, verweisen die Autoren bereits auf zwei der drei Dimensionen der neuen Verfasstheit von Arbeitskraft: die Selbst-Kontrolle und die Selbst-Ökonomisierung. Die Selbst-Rationalisierung stellt die dritte Ebene dar.
Der Arbeitskraftunternehmer als gesellschaftlicher Typus von Arbeitskraft ist durch die Merkmale der Selbst-Kontrolle, der Selbst-Ökonomisierung und der Selbst-Rationalisierung gekennzeichnet.
Die Transformationsaufgabe, d.h. das Potenzial der Arbeitenden in messbare Arbeitsleistung zu übertragen, wird dem Eigner der Arbeitskraft übergeben. In eigener Zuständigkeit formen sie ihre allgemeine Fähigkeit Arbeit zu verrichten in konkrete Leistungen und erstellen somit aus dem für den betrieblichen Gebrauch nicht verwertbaren rohen Potenzial der Arbeitsausführung, ein für die betriebliche Verwertungsinteressen hochwertiges, durch systematische Kontrollleistungen vorangerichtetes Vorprodukt (Voß, Pongratz 1998: 140). Die genannten Kontrollleistungen der Arbeitenden beziehen sich dabei sowohl auf Arbeitszeiten, Arbeitsraum, auf die soziale Komponente von Arbeit, auf eine fachlich flexible Anpassung an Arbeit und Qualifikation, als auch auf die sinnhaften und motivational basierten Faktoren bei der Arbeit; Eigenmotivation und selbstständige Sinnsetzung müssen von den Arbeitenden erbracht werden (ebenda: 141). Anstatt die Arbeit durch personale Anweisungen und organisatorische Regeln zu steuern, werden die Arbeitenden einer, durch ökonomische Randbedingungen kanalisierten, Selbststeuerung überlassen. Damit wird betriebliche Kontrolle nicht vollständig aufgelöst, sie wird abstrahiert, indem sie in Form der autonomisierten Kontrolle (vgl. Seite 5) in eine Ressourcen- bzw. Kontextsteuerung übertragen wird (Moldaschl, Voß 2003: 33).
Der Eigner von Arbeitskraft sieht sich unter den beschriebenen Tendenzen in der Entwicklung von Arbeit einer weiteren Herausforderung ausgesetzt: die Ware Arbeitskraft muss zunehmend offensiv vermarktet werden, anstatt sie defensiv zum Verkauf anzubieten (Voß, Pongratz 1998: 142). Aus einem passiven Eigner wird zunehmend ein
„in neuer Qualität kontinuierlich strategisch handelnder Akteur, der sein einziges zur Subsistenzsicherung […] nutzbares ‚Vermögen‘ (das Vermögen zu arbeiten) hochgradig gezielt und dauerhaft auf eine potenzielle wirtschaftliche Nutzung hin entwickelt und verwertet“ (ebenda: 142).
Dabei findet eine doppelte Selbst-Ökonomisierung statt. Zum einen eine zweckgerichtete und effizienzorientierte individuelle Produktionsökonomie des eigenen produktiven Handelns durch die Produzenten selbst, zum anderen müssen Arbeitsvermögen und Arbeitsleistung in den betrieblichen Kontext integriert werden, wodurch die Notwenigkeit entsteht einen Nachfrager der eigenen Arbeitskraft zu finden, damit man für seine Arbeit einen Tauschwert erwirtschaften kann (ebenda: 142). Es wird „neben einer forcierten Produktionsökonomie der Arbeitskraft eine auf die Arbeitskraft bezogene individuelle Marktökonomie erforderlich“ (ebenda: 142).
Insgesamt sieht sich ein arbeitendes Individuum einer fremdorganisierten Selbstorganisation in Bezug auf seine Arbeit ausgesetzt. Dabei werden ursprünglich betriebliche Aufgaben auf die Arbeitenden übertragen, bei Aufrechterhaltung einer Rahmensteuerung.
Durch fremdorganisierte Selbstorganisation entsteht eine neue Qualität der alltagspraktischen Basis der Entwicklung und Erhaltung des Arbeitsvermögens. Als Folge der erweiterten Ökonomisierung, bei der der Arbeitende sich dem Markt ausgesetzt sieht und zunehmend als „unternehmerisches Subjekt“ (Moldaschl, Voß 2003: 33) handeln muss, kommt es immer mehr zu einer aktiven, zweckgerichteten und letztlich alle Lebensbereich umfassende, sowie alle individuellen Ressourcen nutzende, systematischen Organisation des gesamten Lebenszusammenhangs (Voß, Pongratz 1998: 143). Dabei werden alle möglichen Ressourcen der Individuen herangezogen. Nicht nur berufsfachliche Qualifikationen werden zur Arbeit verwendet, sondern auch Geldvermögen, soziale Netzwerke und Kontakte, Alltagstechnik, Wohnraum bzw. Wohnungs- und Grundbesitz bis hin zur Arbeitsleistung weiterer Personen wie etwa Lebenspartner oder Freunde (ebenda: 144). Dabei greifen die Personen auf betriebstypische Rationalisierungsformen zurück. Zum einen wird auf Organisation und Technisierung als eigentliche betriebsstrategische Mittel zurückgegriffen, um Produktivität der eigenen eingesetzten Tätigkeiten und Ressourcen zu steigern (ebenda: 144). Weiterhin wird eine systematische Qualifizierung betrieben. Es werden Fähigkeiten und Kompetenzen (weiter-)entwickelt, die zum Arbeitskraftbetrieb notwendig sind (ebenda: 144). Ebenso können Arbeitende ihre soziale Umwelt instrumentalisieren, um die Produktion bzw. Vermarktung ihrer selbst voranzutreiben (ebenda: 144).
Der Arbeitskraftunternehmer als gesellschaftlicher Typus von Arbeitskraft ist umstritten. Faust (2002) formuliert die These, dass „der Arbeitskraftunternehmer […] nicht der Endpunkt einer unvermeidlichen Entwicklung moderner, kapitalistischer Gesellschaften [ist]“ (Faust 2002: 57). Seine Einwände beziehen sich vor allem auf die zu kompakte Typenbildung des Arbeitskraftunternehmers (ebenda: 58). Diese
„Typologie zieht in einem Begriff die objektive Seite der Veränderung von Handlungsmöglichkeiten, -zwängen und –beschränkungen und die subjektive Seite der Arbeits- bzw. Berufs- oder Erwerbsorientierungen zusammen“ (ebenda: 58),
wodurch es zu einer „flexiblen Beweisführung“ (ebenda: 59) kommt, mit der immer etwas zutrifft, wenn man zwischen der objektiv-subjektiven Seite hin und her argumentiert (ebenda: 59). Die historisch formulierte Abfolge von Arbeitskrafttypen ist nach Faust (2002) in der Art und Weise wie sie die Autoren zum Arbeitskraftunternehmer durchführen, nicht haltbar (ebenda: 58). Auch bei den historischen Vorläufern von Arbeitskrafttypen – wie etwa dem verberuflichten Arbeitnehmer – sind Tendenzen von Selbst-Kontrolle und Selbst-Ökonomisierung zu finden (ebenda: 62). Unter dem Einbezug institutioneller und politischer Einflüsse wird der „Arbeitskraftunternehmer […] nicht unvermeidlich“ (ebenda: 64). Dabei bezieht sich Faust (2002) auf die klare Trennung bei der...