Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung, Note: 1,0, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Department Geschichte, Fachbereich und Lehrstuhl für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte), Sprache: Deutsch, Abstract: § 20. Wer während der Frei-Viertelstunden und während der Freistunde Mittags ohne Erlaubniß in den Garten geht, wird mit ¼ Tag und wer im Garten Vögel fangt, mit 1 Tag Lohnabzug bestraft. In obigem - auf den ersten Blick amüsant anmutenden - Paragraph von 1872 aus den Vorschriften und Anordnungen für die Arbeiter der Bleistiftfabrik von A.W. Faber in Stein konstituieren sich die Verhaltensansprüche, die an Fabrikarbeiter des 19. und 20. Jahrhunderts gerichtet waren. Sie sind Ausdruck des großen sozialen und gesellschaftlichen Umwälzungsprozesses im Europa dieser Jahrhunderte - der Industrialisierung - und damit verbundener Normengenese. Der vielschichtige und vieldiskutierte Epochenbegriff Industrialisierung beschreibt die 'Ausweitung des industriellen Wirtschaftsbereichs in einer Volkswirtschaft im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen wie dem Handwerk oder dem Handel' , wie sie für den - nach heutigem Verständnis - deutschen Raum schon vielfach untersucht und dargestellt wurde. So durchlief Bayern - seit 1806 Königreich und vor der Aufgabe sich als souveräner Staat zu organisieren - lediglich eine punktuelle Industrialisierung, die sich primär auf die großstädtischen Räume wie Augsburg, Nürnberg, Fürth, Hof und München konzentrierte. Vor allem ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich für diese Verdichtungszonen ein Übergangsprozess von agrarischer hin zu industrieller, technisierter Produktion nachvollziehen, basierend auf Innovationen wie Eisenbahn, Dampfmaschine oder mechanischem Webstuhl. Natürlich bedingten diese Veränderungen im Wirtschaftsbereich auch umfassende Umwälzungen in Produktion und Arbeitsstruktur, sowie eine Veränderung der traditionellen Arbeitsgewohnheiten weg von zünftischem Gewerbe,Manufaktur und Verlagswesen hin zum Fabrikwesen und es entstand die neue Gesellschaftsschicht der Fabrikarbeiter. Die bayerische Fabrikarbeiterschaft in den Industriezentren entwickelte sich als ein Konglomerat von Zuwanderern aus den ländlichen Unterschichten, verarmten Handwerkern oder aus gescheiterten Heimgewerben. Anpassungsschwierigkeiten jenes neuen sozialen Milieus der arbeitenden Klasse an die neue Organisationsform Fabrik und damit einhergehende Disziplinprobleme bedingten eine Neustrukturierung der Arbeitswelt, welche sich in sogenannten Fabrikordnungen manifestierte.
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