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Chinas Propagandatheater 1942-1989

AutorMichael Gissenwehrer
VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl273 Seiten
ISBN9783831607914
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis32,99 EUR

Diese Studie zeigt, wie das chinesische Theater in der Folge von Mao Zedongs Rede auf dem Yan’an-Forum über Literatur und Kunst, im Mai 1942, zum Propagandainstrument der Machthaber wurde und als solches funktionierte. In den 80er Jahren setzte eine Entwicklung ein, in deren Folge das Theater aufhörte darzustellen, wie die Wirklichkeit im Sinne der Machthaber zu sein hat, und allmählich zu einem Instrument der Reflexion und Kritik der vorgegebenen und der vorgängigen Wirklichkeit gemacht wurde. 

Die charakteristischen und die umstrittenen Dramen der 50er bis späten 80er Jahre stehen in ihrer Wechselwirkung mit den kulturpolitischen Maßnahmen der kommunistischen Machthaber im Mittelpunkt der Untersuchung. Die größte Gewichtung aber wird der produktionsästhetischen Auseinandersetzung mit Aufführungen zuteil – den theatralen Handlungen von Figuren auf dem Schauplatz Bühne.

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Leseprobe
Das Mao Zedong Standbild (S. 25-26)

Im Anschluss an den Überblick über die Geschichte des chinesischen Theaters und den von der Rede auf dem Yan’an-Forum über Literatur und Kunst abgeleiteten politisch-kulturellen Rahmenbedingungen für seine Entwicklung nach 1949 soll die Möglichkeit genutzt werden, weiterhin beim Autor der Rede zu verweilen. Nach der Gründung der Volksrepublik China hatten die neuen Machthaber die Plätze im Zentrum von Städten, Kasernen, Fabriken, Krankenhäusern, Universitäten und Verwaltungen neu angelegt oder auch die bereits vorhandenen unverbauten Flächen großräumig erweitert. Dem Denken in traditionellen, die Wirklichkeit in fassbare politische, geographische und mythische Einheiten transformierenden Analogieformeln 36 entsprechend, wurde der Platz in der Mitte – das, „was man als ein „Zentrum“ bezeichnen könnte: eine im eigentlichen Sinne geheiligte Öffentlichkeit“37 – zum Symbol für das Ganze. Monumentale Ikonen aus weißem Stein zeigten die Besetzung der Mitte als Symbol der Macht über das Ganze an. Sie waren in zwei Varianten verfügbar: Als ‘stehender Mao Zedong mit hängenden Armen’ und als ‘stehender Mao Zedong mit dem nach vor38 gestreckten rechten Arm in Verbindung mit der nach links-vor offenen rechten Hand’. Bis auf den weggestreckten Arm glichen sich die beiden Statuen vollkommen. Beide Modelle konnten mit oder ohne Mütze, im ruhig getragenen oder vom Wind leicht gebauschten Wintermantel oder im so genannten Mao-Anzug geformt werden. Häufig wurden in die Fundamente der Statuen Dutzende mit Fahnen und Waffen vorwärtsstürmende Arbeiter, Bauern und Soldaten in der Kleidung und Uniform der Befreiungskriege oder der zeitgenössischen der 50er Jahre reliefartig eingearbeitet. Die Plätze und Höfe sind häufig anzutreffen, wo ‘Mao Zedong mit hängenden Armen’ als Platzhalter aufgestellt worden war. Die Standbilder, die auf eine sehr einfache Art Präsenz vermittelt und als Ganzes eine Raumrichtung nach hoch markieren, weisen eine auffallende Ähnlichkeit mit den traditionellen archetypischen Formen auf, die in ihrer Vertikalität die zentrale Durchdringung bzw. Verbindung unterschiedlicher Wirklichkeiten betonen:

This [holy] Centre is the axis mundi, the middle-point, the world axis from where the directions emerges. The axis mundi is the reality of the absolute, the void where the exact stillness prevails. It is the beginning and end of life and movement. The basic cosmic Centre is often represented by a pole, a cosmic mountain, a cosmic tree or the raised terrace of a temple. [...] The pole, the tree, the raised terrace of a temple or an institution, like the Chinese emperor, possessed the sacred power of uniting Heaven and Earth, and thus making man involved in the sacred and mystic.

Die Standorte mit ‘Mao Zedong mit dem gestreckten Arm’ sind selten. Die der Statue eigene Spannung ergibt sich aus der vertikalen Dimensionalität ihrer aufrechten Haltung und dem entlang der horizontalen Raumachse weggestreckten Arm. Auf alles, was der Figur mehr Dynamik verleiht – ein schräggerichteter Torso, die Gestaltung sichtbar abstützender Beine oder der zweite Arm als Balancearm –, wurde verzichtet. Es ist nicht ersichtlich, ob der Arm mit Mühe oder mit Leichtigkeit gehalten wird. Keine Hast ist zu erkennen, kein Zögern, die Geste ist von jeder Zeitlichkeit abgelöst. Auffällige Formen und die Aspekte von Zeit und Schwergewicht sind Nebensächlichkeiten, die nicht vom Wesentlichen der Figuration ablenken sollten – der vom gestreckten Arm in Verbindung mit der zur Seite offenen Hand ausgeführten Geste. Sie markiert direkt eine Raumrichtung, zielt aber auf kein bestimmtes Objekt, auf keine Figur und auf keinen erkennbaren Raumbereich, wodurch der Platz der Mitte wie auch seine Umgebung als ihr Geltungsbereich in Betracht kommen. Dem zugrundeliegenden ideologischen Kode der frühen 50er Jahre entsprechend, bedeutete das monumentale Zeichen, dass allein Mao Zedong innerhalb Chinas die Richtung wies und über die Kommandogewalt gegen das Außen verfügte.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Einleitung7
Chinesisches Theater nach Yan’an8
Chinesisches Theater in den mehr als zwei Jahrtausenden zuvor11
Das Mao Zedong Standbild24
Bühnenstandbilder33
Der KP-Ursprungsmythos von der bedrohten Mitte53
Der Kampf um die Mitte als Verhaltensregel im Klassenkampf103
Schadensbegrenzung und Reformauftrag127
Bestandsaufnahme und Frustration185
Daoistische Perspektiven und neue Wege220
Die Vision von der neuen großen ‘Mitte’ und der freiwillige Verzicht auf sie239
Literatur258

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