2 Einsatz in der Pflege
Ätherische Öle können die seelische Seite des Patienten stabilisieren. Etliche Pflegebereiche sind geradezu prädestiniert für den Einsatz ätherischer Öle.
Ätherische Öle können in vielfacher Weise begleitend in der Pflege eingesetzt werden. Das können eher unscheinbare Maßnahmen sein, um Venen besser sichtbar zu machen, wie in einer wissenschaftlichen Arbeit mit Pfefferöl gezeigt werden konnte. Menschen, die aus neurologischen oder Altersgründen wacklig auf den Beinen und darum sehr sturzgefährdet sind, kann ein behutsamer Einsatz von Pfefferminzöl helfen, die Koordination der inneren Befehlszentrale und der Muskeln zu verbessern. So können Brüche mit den daraus folgenden Beschwerden vermieden werden, wie eine japanische Wissenschaftlerin sehr eindrucksvoll zeigen konnte. Im Bereich der Betreuung von schwer kranken Kindern wies ein südafrikanisches Pflegeteam nach, dass individuelle Anwendungen mit ätherischen Ölen die Atem- und Herzschlagfrequenz sinken ließen, was besseren Schlaf und damit bessere Heilungschancen bedeuten kann.
Auch Menschen, die regelmäßig zur Nierendialyse müssen, profitieren von Naturdüften, denn Rosenhydrolat konnte laut einer iranischen Arbeit ihre Ängste deutlich reduzieren. Wer während der »ewig« dauernden Blutwäschesitzungen an »restless legs« leidet, den furchtbar unruhigen und zappelnden Beinen, wird durch Lavendelölstreichungen eine deutliche Verbesserung verspüren, wie eine andere Gruppe iranischer Wissenschaftlern zeigen konnte.
Ältere Personen, die aufgrund einer demenziellen Erkrankung ängstlich, unruhig und sogar aggressiv sind, können mit Lavendel- und Melissenöl beruhigt werden. Salbeiöl schafft es in einigen Fällen vielleicht sogar, die intellektuelle Leistung wieder ein klein wenig anzukurbeln. Es gibt inzwischen mehr als ein Dutzend vielversprechende Arbeiten zur antidemenziellen Wirkung von ätherischen Ölen. Diese unterstützen als Signalstoffe das Zusammenspiel unserer körpereigenen Botenstoffe. Hautprobleme aufgrund von Nebenwirkungen heftiger Medikamente, wie Ekzeme, gnadenloser Juckreiz und auch diverse Hautinfektionen, können hervorragend mit ätherischen Ölen und Hydrolaten behandelt werden. Wie die Praxis in vielen Kliniken in den letzten mehr als zwei Jahrzehnten zeigen konnte, wirken ätherische Öle oftmals dort, wo kein Antibiotikum mehr greift, auch in Fällen, in denen beispielsweise juckreizlindernde herkömmliche Salben keine Linderung mehr bringen.
Viele chronische Erkrankungen sind aufgrund der mangelnden Bewegung und verringerten Atmung der betroffenen Menschen von gefährlichen Atemwegsproblemen begleitet. Das Schatzkästchen der Aromatherapeuten beherbergt meistens zahlreiche ätherische Öle, die gut helfen können, beispielsweise Myrte, Ravintsara, Cajeput und Eukalyptus. Sie lösen nicht nur zähen Schleim und unterstützen somit das Abhusten, sondern lindern auch Entzündungen und halten Keime, die zu Lungenentzündungen führen können, in Schach.
Durch Bettlägerigkeit wird auch oft der Darm träge oder der Patient neigt zu schmerzhaften Blähungen. Kümmel-, Koriander- und Fenchelöl sind bewährte Begleiter, die diese unnötigen Beschwerden beheben können.
2.1 Bewährte Anwendungen
Ätherische Öle lassen sich in fast allen Pflegebereichen begleitend einsetzen, ob dies zu Hause durch Angehörige erfolgt oder im professionellen Umfeld einer Pflegeinstitution. Wenn Menschen gewaschen und gepflegt werden, können Naturdüfte Keimattacken mindern und vertrautere Geruchswelten zaubern. Mit praktischen Step-by-Step-Anleitungen zeige ich Ihnen, wie einfach Sie die Produkte selber herstellen können.
2.1.1 Waschungen und Bäder
Schwer kranke Menschen müssen täglich gewaschen werden, wenn möglich wird danach die oft angegriffene Haut mit Ölen gepflegt. Verwenden Sie keine billigen und ewig haltbaren Mineralöle. Fast 90 Prozent aller Pflege- und Kosmetikprodukte bestehen aus Mineralölen. Sie kosten nur einen Bruchteil von Naturölen, da sie »Abfallprodukte« der Petroleum/Benzin-Industrie sind und halten viele Jahre. Naturölprodukte halten meist maximal ein Jahr.
Physiologische Prozesse im Gewebe können mit Hydrolaten, pflanzlichen und fetten Ölen sowie ätherischen Ölen unterstützt werden. An ▶ Badezusätzen im Wasch- oder Badewasser erfreuen die zahlreichen positiven Nebenwirkungen: Es duftet fein, die gedrückte Stimmung kann verfliegen, Verkrampfungen werden gelockert, Bakterien verscheucht und nicht zuletzt ein Stück Muße und Genuss ins eintönige Patientendasein gebracht.
2.1.2 Vorbeugende Hautpflege
Mit natürlichem Puder aus feinstpulverisiertem Reis und etwas ätherischem Öl können dauerfeuchte Hautpartien etwas trockener bleiben. Feine Ölmischungen ( ▶ Gele, ▶ Schüttellotion) beugen Wundliegen (Dekubitus) und nässenden Entzündungen an schwitzenden Hautstellen, wo Haut an Haut reibt, wie bei Bauch- und Brustfalten, vor (Intertrigo). Die aus Lavendel, Palmarosa und Koriandersamen gewonnenen ätherischen Öle sind in diesem Anwendungsbereich sehr beliebt.
Trockene, jedoch noch gesunde Haut freut sich über das Einsprühen mit einem feinen Hydrolat (gewonnen aus Rose, Orangenblüte, Melisse, Lavendel) und anschließendem hauchfeinem Einölen mit einem nährenden Pflanzenöl wie Mandel-, Oliven- oder Macadamianussöl. Zu Ekzemen neigende Haut wird durch Omega-3-Öle wie Hanf-, Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl gestärkt. Sesamöl wirkt wärmend, Kokosfett wirkt kühlend. Individuelle Bedürfnisse können beim Einsatz der Öle gut berücksichtig werden.
2.1.3 Wohltuende Massage
Im Hospiz und in der privaten Pflege ist auch Zeit für wohltuende Streichungen oder gar sanfte Massagen mit diesen Ölen vorhanden. Besonders wichtig: Je kränker der Mensch, desto mehr muss darauf geachtet werden, dass nur Körperpartien massiert werden, die nicht erkrankt sind und die nicht schmerzen. Manchmal eignen sich nur Füße und/oder Hände für diese Wohlfühlmaßnahmen, die dann umso dankbarer angenommen werden. Wenn jemand im tiefen Koma liegt oder sich bereits im Sterbeprozess befindet, ist es eher sinnvoll, ganz nah am Rumpf zu berühren, die Extremitäten werden vermutlich nicht mehr besonders gut wahrgenommen. Man ölt dann die eigene Hand etwas ein und legt sie einfach auf die Schulter oder den oberen Brustbereich. Überprüfen Sie anhand von eventuellen Reaktionen, beispielsweise der Augäpfel oder der Atmung, ob Sie das Richtige tun, also ob keine Abneigung oder gar Abwehr zu erkennen ist.
2.1.4 Salben
Im privaten Bereich sind schnell hergestellte ▶ Salben aus ⅔ Sheabutter und ⅓ eines guten fetten Pflanzenöles (beispielsweise Mandelöl, Aprikosenkernöl, Jojobaöl) ideal für Pflegemaßnahmen, da sie nicht tropfen und leichter als flüssiges Öl dosiert werden können. Die Salbengrundlage kann in größeren Mengen vorbereitet werden, sie hält circa ein Jahr. Je nach Bedarf wird ein Teil davon mit Ölen angereichert und so zu einer wirkungsvollen Salbe, z.B.
mit Benzoe und Lavendel zu einer pflegenden Nasensalbe
mit je etwas Mandarine und Vanille zu einem Lippenpflegebalsam
mit Thymian und Eukalyptus zu einer hustenstillenden Brustsalbe
mit Pfefferminze und Speiklavendel zu einem Juckreiz-Stopper
mit Rosengeranie und Teebaum zu einer pilzhemmenden Heilpflege
Für den stationären Bereich gibt es auf dem deutschsprachigen Markt inzwischen etliche Anbieter für naturreine Balsame mit und ohne ätherische Öle.
2.1.5 Mundpflege
Bei der Betreuung auf der Intensivstation, bei zahlreichen Erkrankungen wie Tumoren und vor allem am Ende des Lebens ist eine wohltuende Reinigung und Erfrischung des Mundbereichs extrem wichtig. Angehörige können mit Birkenzucker (Xylit) gesüßte Kräutertees zum Trinken, Gurgeln oder vorsichtigen Auswischen einsetzen. Gelegentlich ist diese extrem lindernde, befeuchtende, kühlende und antikariös wirksame Maßnahme auch im klinischen Bereich erlaubt. Butter oder ein fein schmeckendes Haselnussöl, angereichert mit einem Hauch ätherischer Zitrusöle, können die zarte Schleimhaut nähren und pflegen und notfalls hinuntergeschluckt werden.
Mundpflege mit einprozentigem Pfefferminzöl verbessert den Schluckreflex, sodass die danach erfolgende Nahrungsaufnahme sicherer vonstattengehen kann. Mit diesen mentholigen Anwendungen reduziert sich laut japanischen Studien die Anzahl der durch Verschlucken verursachten Lungenentzündungen. Das verdünnte Öl wird auf ein Wattestäbchen gegeben und die Innenseiten der Wangen, das Zahnfleisch und wenn möglich auch der vordere Bereich der Zunge werden damit gereinigt. Wenn die erkrankte Person noch eigenständig gurgeln kann, kann ihr ein Glas lauwarmes Wasser mit zwei Esslöffeln Pfefferminzhydrolat gegeben werden.
2.1.6 Wickel und Kompressen
Bei Blasenentzündungen,...