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Autismus-Spektrum-Störungen

AutorChristine M. Freitag, Hannah Cholemkery, Janina Kitzerow, Juliane Medda, Sophie Soll
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783844427042
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Die Diagnostik und therapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung stellt eine besondere Herausforderung dar, da sich das Erscheinungsbild sehr heterogen manifestieren kann, oftmals schwer differenzialdiagnostisch einzuordnen ist und gleichzeitig einer komplexen Behandlung einschließlich häufig vorliegender komorbider Störungen bedarf. Der Leitfaden bietet einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand und gibt wertvolle Hinweise zum konkreten diagnostischen und therapeutischen Vorgehen. Zunächst wird der Stand der Forschung hinsichtlich ätiologischer, diagnostischer und therapeutischer Aspekte dargestellt. Anschließend werden konkrete Hinweise zur Erkennung und Einordnung der Autismus-Spektrum-Störungen in Form von Leitlinien zu Frühsymptomen, Screening und Diagnostik gegeben. Darauf aufbauend werden Leitlinien zur therapeutischen Behandlung unter Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen (Eltern, Kind, Umfeld) sowie der unterschiedlichen kognitiven Voraussetzungen vorgestellt. Die Beschreibung verschiedener Diagnostikinstrumente und konkreter Therapiemethoden, Arbeitsmaterialien sowie Fallbeispiele erleichtern die Umsetzung der Leitlinien in die klinische Praxis.

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Leseprobe

|43|2 Leitlinien


Im folgenden Kapitel sind die Leitlinien des diagnostischen Prozesses (L1 bis L9) und der Therapie (L10 bis L17) bei Autismus-Spektrum-Störungen aufgeführt, orientiert am aktuellen Forschungsstand und der klinischen Erfahrung.

2.1 Leitlinien zu (Früh-)Symptomen, Screening und Diagnostik


2.1.1 (Früh-)Symptome und Screening

L1

Leitlinie 1: (Früh)Symptome und Screening

  • Entwicklungsauffälligkeiten im Alter < 12 Monate sind in der Regel unspezifisch. Sollten diese Auffälligkeiten länger andauern und die Eltern sich über längere Zeit Sorgen machen, ist eine wiederholte Vorstellung im Alter bis ca. 18 Monate anzuraten.

  • Wenn mehrere klare Hinweissymptome vorliegen (vgl. Tabelle 1), dann kann das Kind ab dem Alter von ca. 18 bis 20 Monaten direkt zur Diagnostik an eine entsprechende Fachstelle verwiesen werden. Bestehen unklare Symptome, sollte nochmals genau nach Dauer und Persistenz gefragt werden, ggf. nach ein paar Monaten eine neue Beurteilung vorgenommen und/oder ggf. ein Screening-Instrument eingesetzt werden, wobei für das Säuglings- und Kleinkindalter aktuell kein valides Screening-Instrument existiert.

  • Screening-Untersuchungen sollten nur von Fachkräften des Gesundheitswesens durchgeführt werden, die über Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich psychischer und Entwicklungsstörungen sowie der verwendeten Screening-Instrumente und deren Auswertung und Interpretation verfügen.

  • Passende Screening-Instrumente müssen immer entsprechend der Fragestellung und der Charakteristik (Alter, kognitives Niveau) des Patienten gewählt werden und die Wahl des Cut-Offs sollte entsprechend der jeweiligen Fragestellung, insbesondere im Hinblick zur Abgrenzung anderer klinischer Störungsbilder erfolgen.

  • Bei einem deutlichen klinischen Verdacht sowie Stabilität der Symptomatik über mehrere Monate sollte auch bei einem negativen Screening-Ergebnis ein Diagnostik-Verfahren eingeleitet werden. Ein positives Screening-Ergebnis alleine ohne klinischen Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung sollte hingegen nicht zu einem Diagnostikprozess führen.

  • Bei Erhärtung des Verdachts sollte die Person an eine auf Autismus-Spektrum-Störung spezialisierte Stelle überwiesen werden, in der eine vollständige Diagnostik und Differenzialdiagnostik gewährleistet werden kann.

Typische Symptome im Vorschul- und Schulalter entsprechen den Klassifikationen und Verhaltensbeispielen der ICD-10 (vgl. Tabelle 1). Einige spezifische Symptome haben sich für bestimmte Altersbereiche als prognostisch ausreichend valide erwiesen (vgl. Tabelle 1). Bei Vorliegen dieser Symptome sollte entweder direkt eine Diagnostik eingeleitet werden |44|oder ein passendes Screening-Instrument gewählt werden. Bei positivem Screening sollte umgehend eine Diagnostik eingeleitet werden, bei negativem Screening, aber starkem klinischen Verdacht sollte bei längerer Persistenz der Symptome > 3 bis 6 Monate ebenfalls eine ausführliche diagnostische Erhebung durchgeführt werden. Ansonsten sollte eine Wiedervorstellung nach drei Monaten erfolgen, um die Stabilität der Symptome zu beurteilen, ein erneutes Screening durchzuführen und dann ggf. eine ausführliche Diagnostik bei einer entsprechend spezialisierten Stelle einzuleiten.

Tabelle 1: Wegweisende (Früh-)Symptome

Alter

Symptome

< 12 Monate

Für das Säuglingsalter liegen keine empirisch abgesicherten Merkmale zur Vorhersage einer späteren Autismus-Spektrum-Störung vor.

ab 12 Monaten

  • Keine Zeigegeste, um Interesse zu teilen.

  • Keine Winke-Geste zum Abschied.

  • Fehlende Reaktion auf Gerufen-werden mit dem Namen.

  • Fehlende Imitation.

  • Mangelnder Blickkontakt.

  • Ungewöhnliche Exploration von Objekten.

  • Kein Folgen der Zeigegeste.

  • Seltenes soziales Lächeln.

  • Verlangsamte Flexibilität in der visuellen Anpassung.

  • Vorliebe für geometrische Figuren.

ab 18 Monaten

  • Keine Zeigegeste, um Interesse zu teilen.

  • Mangelnder Blickkontakt.

  • Mangelndes Verfolgen des Blickes.

  • Fehlendes Bringen, um etwas zu zeigen.

  • Fehlendes „So-tun-als-ob-Spiel“.

  • Keine mimische Reaktion bzw. kein Blickkontakt bei Not von anderen Menschen.

ab 24 Monaten

  • Keine Zeigegeste, um Interesse zu teilen.

  • Mangelnder Blickkontakt.

  • Fehlendes Bringen, um etwas zu zeigen.

  • Fehlendes „So-tun-als-ob-Spiel“.

Bei folgenden Risikofaktoren sollte ebenfalls ein Screening-Prozess erfolgen, wenn zusätzlich Symptome beobachtet werden, die auf eine Autismus-Spektrum-Störung hinweisen (siehe Tabelle 1) oder eine Sprachentwicklungsverzögerung vorhanden ist: Vorliegen eines genetischen Befunds, der mit einer erhöhten Rate von Autismus-Spektrum-Störung einhergeht, Medikamenten-Exposition oder Virusinfektionen in der Schwangerschaft, Geburtsgewicht < 1500g und/oder Geburt < 32. Woche, neonatale Krampfanfälle oder ein Geschwisterkind mit einer Autismus-Spektrum-Störung.

Im deutschsprachigen Raum liegt für das Screening bei Kindern ab 4 Jahren der Fragebogen zu Sozialen Kommunikation (FSK; |45|Bölte & Poustka, 2006) in Aktuell- und Lebenszeitversion vor. Ab dem Vorschulalter kann die Skala zur Erfassung der sozialen Reaktivität (SRS; Bölte & Poustka, 2008)...

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