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E-Book

Heute - Aus der Fülle der Gegenwart leben

Meditationen über das Lukas-Evangelium

AutorJohannes Eckert
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783641179984
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Wenn die Zeit stehenzubleiben scheint, wenn kein Gedanke an Zukunft oder Vergangenheit stört, sind wir in einem begnadeten Zustand des Glücks. Es gibt Geschichten aus dem Lukas-Evangelium, deren Wissen um erfüllte Momente auch für heute gültig ist. Eine Einladung zum Nachdenken vom Abt des bekannten Klosters Andechs auf dem heiligen Berg.

Dr. Johannes Eckert OSB, geb. 1969, ist Benediktinermönch und seit 2003 Abt der Benediktinerabtei St. Bonifaz in München und Andechs. Neben seinen vielfältigen seelsorgerischen Tätigkeiten gestaltet er seit einigen Jahren die stark nachgefragten Manager-Exerzitien auf dem 'Heiligen Berg' Andechs.

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Leseprobe

Heute leben

Heute – so lautet seit über vierzig Jahren der programmatische Titel der Nachrichtensendung des Zweiten Deutschen Fernsehens. Im Unterschied zur ARD mit ihrer Tagesschau, bei der in einer Rückschau der Tag Revue passiert, soll mit dem Namen Heute die Aktualität der Sendung unterstrichen werden: Es geht um das Heute! Sich dem Heute immer wieder neu zu stellen, ist und bleibt eine nicht einfache Aufgabe.

Heute ist nicht Schnee von gestern, eine nostalgische Rückschau auf das Vergangene.

Heute ist ebenso nicht morgen, die Vertröstung auf die Zukunft nach dem Motto: Morgen, morgen, nur nicht heute … Heute ist aktuell, sodass – manchmal im Blick auf den Titel der Nachrichtensendung angesprochen – einem humorvoll die Frage gestellt wird: »Hast du gestern Heute gesehen oder hast du gestern Heute verpasst?«

Das Heute verpassen ist eine Erfahrung, die wir wahrscheinlich alle kennen. Am Abend fragen wir uns manchmal: »Was war denn heute alles los?« Auch verlieren wir als Erwachsene schnell die Sensibilität für das Heute, weil uns die Erinnerungen der Vergangenheit gefangen halten. Wir träumen von der guten alten Zeit und sehen gar nicht die Chancen, die uns heute begegnen. Ebenso belasten uns Erfahrungen, die wir einmal gemacht haben, sodass wir nicht mehr offen sind für das, was uns gegenwärtig herausfordert.

Einerseits sind wir also mit der Vergangenheit befasst, andererseits denken wir allzu häufig an die Zukunft. Es gilt, Visionen zu entwickeln, Risiken zu kalkulieren, Termine zu vereinbaren und vieles andere mehr. Wir wollen die Zukunft in den Griff bekommen. Doch dieser wie gehetzt wirkende Blick nach vorn behindert uns, die Herausforderungen im Heute wahr- und ernst zu nehmen. Oft ist es also gar nicht so einfach, im Heute zu leben.

Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie kleine Kinder ganz und gar gegenwärtig leben können, wenn sie etwa im Spiel völlig in ihrer Phantasiewelt aufgehen. Sie leben spontan im Jetzt, und weder die Sorge um morgen, noch die Erinnerung an das Gestern beschäftigt sie. »Jetzt spiele ich Indianer, jetzt habe ich Hunger, jetzt möchte ich die Oma besuchen.« Für Kinder ist die Gegenwart die wichtigste aller Zeiten! Sie verpassen nicht das Heute!

Manchmal erfahren auch wir Erwachsene, wie das Heute unerwartet in unser Leben einbricht. Überraschend begegnen wir einem alten Freund. Wir freuen uns über das Wiedersehen, genießen den Glücksmoment und die Zeit scheint stehenzubleiben. Freilich kann Gleiches auch auf unangenehme Weise geschehen, beispielsweise durch einen Unglücksfall. Alles andere, was uns gerade beschäftigt, wird von jetzt auf nachher zweitrangig. Die schwierige Situation in der Gegenwart bündelt sämtliche Kräfte. Auch in solchen Situationen erfahren wir, wie die Zeit stehenbleibt.

Von der Wortbedeutung meint »heute«, abgeleitet vom Althochdeutschen »hiu tagu«, einfach »an diesem Tag«. Das umschreibt auch das lateinische Wort »hodie«. Es setzt sich zusammen aus »hoc dies« – »dieser Tag«. »Das Heute – dieser Tag« ist uns aufgegeben, das heißt, wir sind aufgerufen, das, was der konkrete Tag mit sich bringt, anzunehmen und willkommen zu heißen. Die Gegenwart – der heutige Tag ist die wichtigste aller Zeiten: Heute ist aktuell.

durch die Frohe Botschaft

Das war auch vor 50 Jahren das große Anliegen von Papst Johannes XXIII. Angelo Giuseppe Roncalli, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, lebte von 1881 bis 1963 und wird auch »der Konzilspapst« genannt. Mit dem Schlagwort »Aggiornamento« – »Verheutigung« – forderte er eine grundlegende Erneuerung der Kirche und berief für alle überraschend das Zweite Vatikanische Konzil ein. Durch eine konsequente Hinwendung der Gläubigen auf das Heute sollte diese Erneuerung geschehen, wie es der Untertitel des Textes verdeutlicht, den die Konzilsväter unter dem Eindruck der Eröffnungsrede des Papstes formuliert haben: Gaudium et spes (Freude und Hoffnung). Die Kirche in der Welt von heute.

»Aggiornamento« meint wortwörtlich übersetzt »auf den Tag bringen« und bedeutet, im Heute auf die Spurensuche Gottes zu gehen, die Zeichen der Zeit zu deuten und sie mit dem Evangelium, der Frohen Botschaft, in Zusammenhang zu bringen. Das Evangelium soll »auf den Tag gebracht werden«. Wir könnten auch von einem »Update« sprechen. Wie das geschehen kann, wird im Text aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil, Gaudium et spes, folgendermaßen formuliert: »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi« (GS 1). Fünfzig Jahre nach dem Konzil haben diese Worte nichts an Aktualität verloren. Dies unterstreicht Papst Franziskus, indem er sein Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium programmatisch mit den Worten untertitelt: Über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute!

»Die Welt von heute«, das ist unsere Lebenswirklichkeit, und sie gilt es mit ihren Herausforderungen und Chancen ernst zu nehmen, nicht zu verteufeln, sondern genau dort anzusetzen. Diese Lebenswirklichkeit ist uns heute von Gott aufgegeben. Daher ist es unser Auftrag als Christen, im Sinne des »Aggiornamento« nach den Zeichen der Zeit zu suchen und darin Spuren des Evangeliums zu entdecken. Diese Spuren stecken in den Antworten von »Leuten von heute«, wenn sie gefragt werden: »Was prägt euer Heute? Was berührt euch? Wo erfahrt ihr darin etwas vom Ewigen, von Gott, von seiner grenzenlosen Weite?« Das sind Fragen, die zutiefst den Lebenssinn berühren, wenn sie sensibel gestellt und ehrlich beantwortet werden. Letztlich geht es bei einem Austausch dieser Art darum, das Evangelium so an den Tag zu legen, dass es »Menschen von heute« zum Leben verhilft. Denn nichts anderes hatte Jesus im Sinn.

Dies gelingt jedoch nur, wenn wir weder »Christen von gestern« noch »Christen von morgen« sind, sondern als »Christen von heute« leben. Es hilft nichts, darauf zu verweisen, dass früher alles besser war. Ebenso ist es trügerisch, sich ausschließlich mit Visionen oder Pastoralplänen der kommenden 20 Jahre zu beschäftigen und dabei die Herausforderungen und Chancen des Heute zu verpassen. Die Gegenwart ist Heilszeit, in der sich die Frohe Botschaft ›verheutigen‹ will. Denn ohne das Heute hat das Evangelium keine Bedeutung mehr. Es hat seinen wesentlichen Sinn verloren und wird zum Märchen längst vergangener Zeiten.

wie der Evangelist Lukas

Dieser Herausforderung der Vergegenwärtigung hat sich in seiner Zeit, ca. 50 nach dem Tod Jesu, besonders der Evangelist Lukas gestellt. Mit seinem Evangelium will er seiner Gemeinde helfen, das Heute zu meistern. Lukas ist davon überzeugt, dass der Auferstandene im Heute der Gemeinde gegenwärtig ist. Er will sie motivieren, bewegen, in ihrer konkreten Gegenwart auf die Spurensuche Gottes zu gehen. An entscheidenden Stellen seines Evangeliums sowie der ebenfalls von ihm verfassten Apostelgeschichte fügt er daher das Wörtchen »Heute« ein. Diese besonderen Verweise helfen auch uns, fast 2000 Jahre später das Evangelium zu verheutigen. Sie sind gleichsam eine Kurzfassung des ganzen Werkes und blitzen wie Signalpunkte oder Leuchttürme auf, die für den oft dunklen Weg lebenswichtige Orientierung geben. Lukas schildert in seinem Evangelium, wie Jesus auf seinem Weg »Leuten von heute« begegnet. Er holt die Menschen dort ab, wo sie stehen. Er lässt sich auf ihre konkreten Lebenssituationen und Nöte ein, eben auf ihre Gegenwart. Er drängt sich ihnen nicht auf, sondern begegnet ihnen offen und interessiert, sodass die Begegnung mit ihm ihr Leben verändert. Das ist die Frohe Botschaft, das Evangelium, das Lukas seiner Gemeinde als Ermutigung weitergeben will: »Wenn ihr das Evangelium lest und hört, dann begegnet euch darin Jesus. In diesen Worten spricht er euch heute an und interessiert sich für das, was euch beschäftigt. Sucht ihm in eurem konkreten Alltag zu begegnen! Er verheutigt sich mitten unter euch.« Damit ist Lukas fest davon überzeugt, dass das Evangelium nicht eine abgeschlossene Episode ist, die sich vor 50 Jahren abgespielt hat. Das Evangelium ist vielmehr ein Prozess, der sich durch die Zeit zieht. Auch ist es keine Zukunftsvision, die sich erst mit der Wiederkunft Jesu erfüllen wird. Vielmehr ist Jesus Tag für Tag unterwegs durch die Geschichte. Dadurch verheutigt sich sein Evangelium stets aufs Neue im Leben der Gemeinde. Um diese in all ihrer Unzulänglichkeit und Schwachheit, mit ihren Problemen und Sorgen zu ermutigen, nimmt Lukas besonders die Außenseiter und Randgruppen in den Blick: Die Armen, Kranken, Sünder, Zöllner und Verlorenen erfahren durch die Begegnung mit Jesus Heilung und Heil. Dieses soziale Engagement ist ein roter Faden, der sich durch das ganze Evangelium zieht. Den Randgruppen gilt die besondere Zuwendung und Nähe Jesu. Genau das soll einerseits die Gemeinde in ihrer gegenwärtigen Situation bewegen, mit Barmherzigkeit und Weite den Armen und Schwachen ihrer Zeit zu begegnen. Deshalb wird Lukas auch gerne als Evangelist der Barmherzigkeit bezeichnet. Andererseits gilt diese liebende Zuwendung Gottes nicht minder der Gemeinde selbst mit all ihren gegenwärtigen Herausforderungen. Auch wenn gut 50 Jahre nach dem Tod Jesu seine angekündigte Wiederkunft ausbleibt, auch wenn es in der Gemeinde Richtungsstreitigkeiten über den Weg in die Zukunft gibt, auch wenn Christen auf unterschiedliche Weise von außen angefeindet und verfolgt werden und sich gesellschaftlich an den Rand gedrängt fühlen. In allen diesen...

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