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Kinder und ihre psychisch kranken Eltern

Familienorientierte Prävention - Der CHIMPs-Beratungsansatz

AutorAngela Plass, Silke Wiegand-Grefe, Susanne Halverscheid
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl207 Seiten
ISBN9783840923487
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Die psychische Erkrankung eines Elternteils stellt eine enorme Belastung für die gesamte Familie dar und ist ein bedeutsamer Risikofaktor für die seelische Entwicklung der Kinder. Der Band beschreibt das familienorientierte Präventionsprogramm CHIMPs, welches auf einem Entwicklungsmodell und auf dem Familienberatungsansatz von William Beardslee sowie auf einer Bedarfsanalyse beruht. Ziel ist es, die Familien bei der Krankheitsbewältigung zu unterstützen und die Familienbeziehungen zu verbessern. Das zugrunde liegende Konzept wurde um psychodynamische Komponenten ergänzt und für eine störungsübergreifende Anwendung erweitert. Es eignet sich für den Einsatz bei Kindern ab drei Jahren und für Jugendliche bis ins junge Erwachsenenalter. Das Buch stellt theoretische Grundlagen und präventive familienorientierte Ansätze in Deutschland vor. Es beleuchtet geschlechts-, entwicklungs- und altersspezifische Aspekte von Kindern psychisch kranker Eltern sowie die familiendynamischen Auswirkungen psychischer Erkrankungen. Im Fokus der klinischen Arbeit stehen die Art und Angemessenheit der Krankheitsbewältigung aller Familienmitglieder und die Qualität der Familienbeziehungen. Ziel ist es, diese Komponenten zu stärken und das Risiko, ebenfalls psychisch zu erkranken, für die Kinder und die Partner zu mindern. Die einzelnen Elemente der Eltern-, Kinder- und Familiengespräche werden praxisorientiert erläutert. Eingegangen wird zudem auf besondere Bedingungen der Beratung, wie z.B. den Umgang mit familiären und individuellen Krisen, schwierigen Gesprächssituationen und Fragen zur Kindeswohlgefährdung. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen die Vorgehensweise.

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Kapitelübersicht
  1. Kinder und ihre psychisch kranken Eltern
  2. Vorwort
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Danksagung
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Grundlagen
  7. 3 Prävention
  8. 4 Krankheitsspezifische Aspekte in der familienorientierten Beratung
  9. 5 Entwicklungspsychologische Aspekte
  10. 6 Geschlechtsspezifische Aspekte
  11. 7 Bedarf der Familien nach Prävention
  12. 8 Das familienorientierte Präventionskonzept CHIMPs
  13. 9 Besondere Aspekte der Beratung
  14. 10 Qualitätssicherung und Evaluation
  15. 11 Fallbeispiele
  16. Literatur
  17. Literaturempfehlungen
  18. Anhang
  19. CD-Materialien
Leseprobe

3 Prävention (S. 34-35)
In diesem Kapitel werden Begriffsklärungen vorgenommen, die Ebenen präventiver Ansätze (Kind, Eltern und Familie) vorgestellt und die familienorientierten Präventionsarbeiten, die unserer Arbeit besonders nahe kommen, ausführlicher beschrieben.

3.1 Begriffsklärung
Die Abgrenzung von Prävention und Behandlung beinhaltet, dass präventive Maßnahmen auf die Vermeidung eines schlechteren Zustandes abzielen, während Therapie und Kuration als Maßnahmen der Behandlung einen besseren Zustand zu erreichen suchen (Rosenbrock & Kümpers, 2006). In der klassischen Präventionsliteratur werden drei Arten von Prävention beschrieben. In Abhängigkeit davon, wann die Intervention relativ zum Krankheitsverlauf einsetzt, unterscheidet man Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention (Caplan, 1964). Primärprävention bezeichnet die Verminderung von (Teil-) Ursachen bestimmter Erkrankungen oder von Krankheit überhaupt. Das Ziel ist die Senkung von Eintrittswahrscheinlichkeiten oder Inzidenzraten. Die Verstärkung von Primärprävention ist angesichts der wachsenden Ungleichheit von Gesundheitschancen in reichen Industrieländern eine zentrale Herausforderung zeitgemäßer Gesundheitspolitik. Sekundärprävention ist die Entdeckung von symptomlosen, aber biomedizinisch eindeutigen Frühstadien einer Erkrankung und die dadurch ermöglichte Frühtherapie. Gelegentlich wird unter Sekundärprävention auch die Verhinderung des Wiedereintritts eines Krankheitsereignisses verstanden, z. B. die Verhütung des Reinfarktes sowie allgemein Rezidivprophylaxe. Unter Tertiärprävention kann sowohl die wirksame Verhütung bzw. Verzögerung der Verschlimmerung einer manifesten Erkrankung (weites Konzept) als auch die Verhinderung bzw. die Milderung bleibender auch sozialer Funktionseinbußen infolge einer Erkrankung verstanden werden. Letzteres ist ein relativ enges Konzept, das sich vor allem auf die Rehabilitation bezieht (Rosenbrock & Kümpers, 2006).

Die Begriffe Primärprävention und Gesundheitsförderung bezeichnen zwei unterschiedliche Blickwinkel auf dasselbe Ziel, nämlich Erkrankungen vorzubeugen. Dabei betont Prävention die Reduktion von Risikoverhalten und Risikofaktoren in Person und Umwelt, während Gesundheitsförderung auf die Stärkung von Ressourcen und gesundheitsunterstützende Umweltfaktoren abzielt (Becker, 1997).

Da psychische Störungen in der Gesamtbevölkerung häufig sind und meist folgenschwer, fordern Fachleute zunehmend primärpräventive Maßnahmen in diesem Bereich. Der Bundesgesundheitssurvey wies eine 4-Wochen-Prävalenz für psychische Störungen von 20% nach (Jacobi et al., 2004). Psychische Störungen nehmen schon jetzt die Spitzenposition bei Erwerbs- und Berufsunfähigkeiten ein. Die Kosten der durch psychische Erkrankungen verursachten Fehlzeiten und vorzeitigen Berentungen lagen bei ca. 19.5 Mrd. Euro und damit bei 1 % des Bruttoinlandproduktes (Statistisches Bundesamt, 2004). Für das Kindes- und Jugendalter belegt eine Reihe longitudinaler Langzeitstudien, dass unbehandelte psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter mit schwerwiegenden und lang anhaltenden sozialen und ökonomischen Konsequenzen im Erwachsenenalter verbunden sind, wie chronischen psychischen Störungen, einer höheren Kriminalitätsrate, einer selteneren beruflichen Beschäftigung sowie einem geringeren Einkommen und Schwierigkeiten in den persönlichen Beziehungen (Chen, 2006, McCrone, 2005). Da also psychische Störungen im Erwachsenenalter häufig bereits Vorläufer im Kindes- und Jugendalter haben, erscheint es sinnvoll mit primärpräventiven Maßnahmen hier anzusetzen.

Bei der Konzeptualisierung primärpräventiver Strategien stellt sich die Frage nach den Ursachen psychischer Störungen. Vulnerabilitäts-Stress-Modellen kommt gegenwärtig die größte Bedeutung zu. Dabei wird angenommen, dass sich die Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken, aus dem Verhältnis von angeborener Vulnerabilität und äußeren Stressoren auf der einen und protektiven Faktoren, wie Kompetenzen und förderlichen Umweltbedingungen auf der anderen Seite bestimmen lässt (Becker, 1997). Langzeitstudien liefern wichtige Hinweise darauf, welche Faktoren als Ansatzpunkte primärpräventiver Maßnahmen geeignet sein könnten. Es werden Risikofaktoren benannt, die mit psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter verbunden sind. Diesen werden protektive Faktoren gegenübergestellt, die trotz des Vorhandenseins von Risikofaktoren dazu führen, dass Kinder und Jugendliche keine psychischen Auffälligkeiten entwickeln. Außerdem gelten psychosoziale Faktoren als Risikofaktoren (vgl. Kapitel 2.2). Neben psychosozialen Risikofaktoren stehen biologische Risikofaktoren wie Frühgeburtlichkeit, Nikotin- oder Alkoholabusus in der Schwangerschaft. Meist treten diese Risikofaktoren nicht isoliert auf, sondern haben die Tendenz, gehäuft aufzutreten und miteinander zu interagieren. Die Vulnerabilität bei Vorliegen einer oder mehrerer Risikofaktoren variiert in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht, hängt aber auch davon ab, wie lange ein Risikofaktor anhält oder ob Risikofaktoren sequenziell oder simultan auftreten. Kumulative Modelle zeigen ein höheres Risiko für psychische Störungen wenn mehrere Risikofaktoren zusammen auftreten. Die überwiegende Anzahl der beschriebenen Risikofaktoren kann kaum beeinflusst werden. Angesichts ungünstiger Risikokonstellationen in Hochrisikogruppen stellt sich die Frage nach protektiven Faktoren als Zielkriterien für primärpräventive Maßnahmen. Die Suche nach Faktoren, die die Gesundheit fördern entspricht dem salutogenetischen Ansatz von Aaron Antonovsky (Antonovsky, 1987), der unter anderem die Forschung im Bereich von Public Health und Resilienz bei Kindern und Jugendlichen beeinflusst hat.

Inhaltsverzeichnis
Kinder und ihre psychisch kranken Eltern1
Vorwort9
Inhaltsverzeichnis11
Danksagung15
1 Einleitung16
2 Grundlagen18
2.1 Epidemiologie18
2.2 Risiko- und Belastungsfaktoren von Kindern psychisch kranker Eltern19
2.3 Resilienz- und Bewältigungsfaktoren von Kindern psychisch kranker Eltern27
2.4 Modell der psychosozialen „Entwicklungsbedingungen für Kinder psychisch kranker Eltern"28
2.5 Krankheitsbewältigung in Familien mit psychisch kranken Eltern31
2.6 Familienbeziehungen in Familien mit psychisch kranken Eltern33
3 Prävention36
3.1 Begriffsklärung36
3.2 Ebenen präventiver Ansätze38
3.3 Familienorientierte Präventionsprogramme in Deutschland42
3.4 Der Familienberatungsansatz von Beardslee und Mitarbeitern44
4 Krankheitsspezifische Aspekte in der familienorientierten Beratung47
4.1 Eltern mit Suchterkrankungen47
4.2 Eltern mit schizophrenen Erkrankungen51
4.3 Eltern mit affektiven Erkrankungen55
4.4 Eltern mit Angst- und Zwangserkrankungen62
4.5 Eltern mit Persönlichkeitsstörungen64
5 Entwicklungspsychologische Aspekte69
5.1 Schwangerschaft69
5.2 Säuglingsalter (0 bis 12 Monate)70
5.3 Kleinkindalter (1 bis 2 Jahre)71
5.4 Kindergarten- und Vorschulalter (3 bis 5 Jahre)73
5.5 Grundschulalter bis zur Pubertät (6 bis 11 Jahre)74
5.6 Pubertät und Jugendalter (12 bis 18 Jahre)75
6 Geschlechtsspezifische Aspekte77
6.1 Geschlechtsspezifische Unterschiede psychischer Gesundheit im Kindes- und Jugendalter77
6.2 Geschlechtsspezifische Aspekte in der Lebensqualitätsforschung79
6.3 Geschlechtsspezifische Aspekte: Geschlecht des Kindes80
6.4 Geschlechtsspezifische Aspekte: Geschlecht des erkrankten Elternteiles80
7 Bedarf der Familien nach Prävention82
8 Das familienorientierte Präventionskonzept CHIMPs88
8.1 Grundsätze der Beratung88
8.2 Ziele der Beratung89
8.3 Zielgruppe93
8.4 Indikationen und Kontraindikationen fu¨r die Teilnahme93
8.5 Der Beratungsverlauf94
9 Besondere Aspekte der Beratung113
9.1 Ethische und juristische Aspekte113
9.2 Krankheitsspezifische Faktoren in der Beratung114
9.3 Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen116
9.4 Umgang mit individuellen und familiären Krisen117
9.5 Umgang mit Kindeswohlgefährdung118
9.6 Grenzen des Beratungsangebotes und Indikationen für weitere Behandlung und Unterstützung120
10 Qualitätssicherung und Evaluation122
10.1 Dokumentation der Beratung122
10.2 Evaluation des Beratungsansatzes CHIMPs122
10.3 Qualifikation der Therapeuten129
10.4 Teambesprechungen und Supervision129
10.5 Vernetzung und Kooperation130
11 Fallbeispiele131
11.1 Fallbeispiel: Familie M.131
11.2 Fallbeispiel: Familie G.137
Literatur145
Literaturempfehlungen159
Anhang161
Bisherige Veröffentlichungen aus dem CHIMPs-Projekt161
Buchempfehlungen für Eltern und Kinder162
Kontaktadressen für spezielle Hilfsangebote164
Übersicht der Materialien auf der CD-ROM165
CD-Materialien167

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