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E-Book

Management in der Musikwirtschaft

AutorJosef Limper, Martin Lücke
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl258 Seiten
ISBN9783170294653
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Selten war Musik so präsent wie in heutiger Zeit. Trotzdem befindet sich die Musikindustrie in ihrer bis dato schwersten wirtschaftlichen Krise. Seit mehr als zehn Jahren sinken, auch aufgrund der Digitalisierung, im Tonträgergewerbe weltweit die Umsätze. Gleichzeitig erleben das Live-Business und andere Bereiche neue Umsatzrekorde. Die gesamte Musikwirtschaft befindet sich in einem nachhaltigen Wandel, noch ist nicht endgültig abzusehen, in welche Richtung die Entwicklung gehen wird. In diesem als Lehrbuch konzipierten Band stellen die Autoren die Geschichte der Musikwirtschaft dar und erläutern deren wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge. Zudem geben sie Handlungsempfehlungen zu wichtigen Aspekten des Musikmanagements. Abgerundet wird das Buch durch Fallbeispiele, die den Wandel der Musikwirtschaft in den letzten Jahren anhand konkreter Unternehmen zeigen.

Josef Limper ist Rechtsanwalt sowie Partner der Sozietät WZR und hat sich als Fachanwalt für Urheber-, Medien- und Steuerrecht auf die vorgenannten Bereiche spezialisiert. Martin Lücke ist seit 2009 Professor für Musikmanagement an der MHMK in München.

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Leseprobe

4.1.6 Label: Strukturen und Funktionen


Wie in den meisten Ländern ist auch der deutsche Tonträgermarkt durch zwei unterschiedliche Unternehmensformen geprägt. Auf der einen Seite die nur noch drei großen, zum Teil börsennotierten und international agierenden Majors mit eigenen Vertriebskanälen und vollständiger Infrastruktur, die neben weiteren Unternehmen im Bundesverband Musikindustrie organisiert sind (vgl. Kapitel 6.2).166 Auf der anderen Seite steht eine Vielzahl kleiner, mittelständischer und konzernunabhängiger Unternehmen. Deren genaue Zahl zu nennen, gestaltet sich schwierig. Bei der Gesellschaft für die Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) sind derzeit über 5.000 Tonträgerunternehmen registriert. Söndermann kommt hingegen in seinen Daten zur Musikwirtschaft für das Jahr 2010 lediglich auf 390 Unternehmen im Segment Herstellung und Verbreitung von Tonträgern.167 Beim Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) sind wiederum 1.200 wirtschaftlich relevante Unternehmen organisiert – wobei hier auch Unternehmen Mitglied sind, deren Kerngeschäft nicht die Herstellung oder Vertrieb von Musikprodukten ist.

Die Branchenkrise hat zu sich deutlich verringernden Beschäftigungszahlen geführt. Waren vor der Krise noch 13.400 sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter bei den im Bundesverband Musikindustrie gelisteten Unternehmen beschäftigt, so sind es derzeit nur noch knapp 8.000, ein Rückgang von 40 Prozent, der ungefähr dem nationalen Umsatzrückgang entspricht. Im Gegensatz dazu konnten die im VUT organisierten Labels trotz Krise sogar Zuwächse bei den Beschäftigtenzahlen verzeichnen. „Während die Umsatzrückgänge bei den Majors zu Personaleinsparungen führten, ist die Gesamtzahl der Mitarbeiter bei VUT-Mitgliedsfirmen zwischen 1993 und 2004 deutlich gestiegen. Vor Rezessionsbeginn gegründete Unternehmen haben ihre Mitarbeiterzahl von 1.550 um rund 17 Prozent auf 1.800 erhöht, nach Einsatz der Rezession gegründete Firmen haben 2.000 Stellen geschaffen. Insgesamt boten VUT-Mitgliedsfirmen im Jahr 2004 damit 3.800 Arbeitsplätze, wovon 2.180 Vollzeitstellen waren.“168

Dabei ist die grundlegende Aufgabe eines Tonträgerunternehmens, egal ob Major oder Independent Unternehmen, der Aufbau von Künstlern, die Produktion und anschließende Fertigung musikalischer Inhalte, deren Erst- und Zweitverwertung (siehe Teil B Kapitel 1.3) sowie der physische und digitale Vertrieb der Produkte mithilfe von Marketing und Promotion über Medien und andere Kanäle an den Handel, um damit Umsätze und – im Idealfall – Gewinne zu erwirtschaften. Erst in der letzten Dekade sind, aufgrund der dargestellten Veränderungen innerhalb des gesamten Marktumfelds, vor allem bei den Majors neue Geschäftsfelder wie Konzertveranstaltungen oder Merchandising hinzugekommen und machen einen stetig wachsenden Umsatzanteil aus (vgl. Teil B Kapitel 1.4, 1.5 und 2). Beispielsweise erwirtschaften britische Labels mit sogenannten Neben-, Aufführungs- und Synchronisationsrechten bereits ein Fünftel ihrer Umsätze, wodurch Rückgänge im Tonträgergeschäft fast egalisiert werden konnten.169

Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken und schlägt sich in einer sich verändernden Wertschöpfungskette von Tonträgerunternehmen nieder.

4.1.6.1 Major Labels

In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts agierten noch viele unabhängige Tonträgerunternehmen, doch begann spätestens ab den 1980er Jahren im Zuge der Globalisierung, bei stark wachsenden Tonträgerumsätzen eine bis heute nicht abgeschlossene Konzentrationswelle, die zur derzeitigen oligopolartigen Situation am Markt geführt hat: Universal Music samt großer Teile von EMI Music170, Sony Music und Warner Music. Im Zuge dieser Konzentrationsbewegung hat sich Universal Music zum größten Major entwickelt, der seinen Marktanteil durch den 2012 vollzogenen Zukauf der Tonträgersparte von EMI Music weiter ausgebaut hat. Für das Jahr 2010 ergaben sich für die noch bestehenden vier Majors folgende Marktanteile im internationalen Vergleich:

Abb. 22: Marktanteile der vier Majors und der sonstigen Unternehmen, 2010. Durch den Kauf von EMI hat sich der aktuelle Anteil von Universal Music deutlich gesteigert. Jedoch musste das neu entstandene Unternehmen zahlreiche Kataloge veräußern. (Quelle: Schlinger (2011), S. 11)

Die Majors beherrschen aktuell zwar fast drei Viertel des Gesamtmarktes, zum erheblichen Teil mit Mainstreammusik171, trotzdem sinkt ihr Anteil stetig, wenn auch in kleinen Schritten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die kleinen, unabhängigen Unternehmen ihren Anteil kontinuierlich ausbauen können.

Die Majors sind Teil eines internationalen Konzerns – bzw. im Fall von Warner in der Hand eines Großinvestors – sodass die internationale Zentrale der Musikgesellschaft an die zuständige Konzernleitung berichtet. Die Musikgesellschaft hat unter sich wiederum verschiedene Ländergesellschaften: Universal Music ist beispielsweise in mehr als 80 Ländern präsent172, Sony Music verfügt über 42 Ländergesellschaften. Zwar unterscheiden sich die Majors im Grad der Zentralisierung ihrer Organisation, gemein ist ihnen aber, dass sowohl die strategischen Planungen sowie die Koordination der Ländergesellschaften untereinander in der Zentrale geschehen.

Hingegen erfolgt ein Großteil der Produktgenerierung in den Ländergesellschaften, weshalb immer zwischen einem nationalen (Domestic) und einem internationalen Repertoire (International) unterschieden werden muss. Zum nationalen Repertoire zählen dabei die Produkte, die, unabhängig von Sprache und Herkunft des Künstlers, ihren Ursprung beispielsweise in Deutschland haben.

Wichtigste Aufgabe einer Ländergesellschaft ist die Leitung und Koordination sämtlicher Aktivitäten des Unternehmens im jeweiligen Land mit u. a. folgenden Aufgaben:173

► Schaffung und Vermarktung von lokalen, nationalen Produkten (A&R-Management, Produktentwicklung und Marketing)

► Produktvermarktung internationaler Schwestergesellschaften

► Verwertung aller Produkte

► Promotionen zur Unterstützung der Vermarktung

► Herstellung und Distribution von physischen und digitalen Produkten

► Kaufmännische und juristische Funktionen

► Neue Geschäftsfelder/Sondergeschäfte (Merchandising, Tourgeschäft etc.)

Im Zuge der Krise haben sich die Majors neu aufgestellt. War ihr wirtschaftlicher Kern jahrzehntelang das reine Tonträgergeschäft, werden nun verstärkt auch andere Bereiche des Musikmarkts – zum Teil durch Tochterfirmen oder durch Zukäufe – integriert, um zum einen ein umfassenderes Angebot für den Künstler zu bieten, auf der anderen Seite aber vor allem von weiteren Einnahmen durch das Live-Geschäft, Merchandising, Sponsoring etc. zu profitieren (siehe Teil B Kapitel 1.4 bis 1.6).

Am Beispiel von Sony Music Deutschland wird der grundlegende Aufbau einer Ländergesellschaft deutlich, unterteilt in verschiedene Labels und dessen (nationale) Divisionen, die wiederum in A&R (Produktentwicklung), Promotion und Marketing sowie Vertrieb untergliedert werden, um so den künstlerischen wie auch wirtschaftlichen Aufbau ihrer vertraglich gebundenen Künstler zu leiten.

Abb. 23: Organigramm von Sony Music (Stand 2012, nach eigenen Recherchen). Die Abteilungen A&R, Promotion und Marketing sind aus Gründen der Übersichtlichkeit jedoch nur für ein Label (Ariola) angegeben worden.

Hinzu kommen weitere Geschäftsfelder, sodass ein vertraglich gebundener Künstler theoretisch in zahlreichen Feldern vermarktet werden kann.

4.1.6.2 Independent Labels

Im Gegensatz zu den Majors sind Independent Labels oftmals musikalisch und kulturell unabhängig, um „unter Umständen auch Musik ‚am Markt vorbei zu produzieren’, sich vom sogenannten ‚Mainstream’ der Major-Companies abzuheben, alternativ und individuell zu sein, mit dem Ziel, eine tatsächliche Alternative zu bieten“174. So frei und unabhängig diese Einschätzung klingen mag: Auch kleine Labels sind am Markt präsent und müssen Gewinne erzielen, damit sich ihr Tun nicht zur reinen Liebhaberei entwickelt – auch wenn viele Unternehmen aus dieser Motivation heraus entstanden sind. Zudem ist eine strikte Trennung zwischen sogenannter Independent-Musik und Mainstream in der Regel nicht so einfach zu treffen, wie das aktuelle Beispiel XL Recordings, das vor allem Dank des Erfolgs von Adele seine Umsätze innerhalb eines Jahres um 400 Prozent steigern konnte, belegt.

Wahr ist jedoch, dass die Mehrzahl der kleinen Labels in einem bestimmten, für Majors oftmals kommerziell nicht lukrativen Marktsegment agieren (Heavy Metal, Hip-Hop, Punk, Jazz, Klassik, Dance etc.) bzw. innerhalb einer Szene fest verwurzelt sind, eine Nische besetzen und eine persönliche Nähe zu ihrem Markt besitzen. Bei kommerziellem Erfolg kommt es hingegen oftmals zur Übernahme des Künstlers oder gleich des ganzen Labels durch einen Major.

Die Größe eines Indies ist per Definition nicht festgelegt und kann sowohl ein Ein-Mann-Unternehmen mit wenigen tausend Euro Umsatz, aber auch eine Aktiengesellschaften mit mehreren hundert Mitarbeitern sein – ein Beispiel dafür ist die in Hamburg sitzende Edel Music AG, das größte unabhängige Musikunternehmen Deutschlands mit einem Umsatz von 130 Mio. Euro (2010).175 Die zehn größten Indies in Deutschland im Jahr 2011 waren Alive, Cargo Records, Edel, Groove Attack, Indigo, Kiddinx, MCP, Rough Trade, Soulfood und Tonpool.176

Historisch gesehen existieren Independent...

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