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Asteroid Now

Warum die Zukunft der Menschheit in den Sternen liegt

AutorFlorian Freistetter
VerlagCarl Hanser Fachbuchverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl236 Seiten
ISBN9783446443235
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Ein Asteroid rast auf die Erde zu und droht alles Leben auszulöschen. Es bleiben nur noch wenige Wochen, um die Katastrophe abzuwenden. Im letzten Moment gelingt es einem Team von Astronomen, den Himmelskörper mit Hightech-Lasern in eine neue Bahn zu lenken. Was wie der Plot eines Hollywoodstreifens klingt, ist Gegenstand heutiger Forschung. Astronomen entwickeln unermüdlich Systeme, mit denen wir Asteroiden von der Erde aus abwehren können - aber auch Raumschiffe mit Ionenantrieb und Weltraumlifte, die uns zum Mond hinauffahren. Ein faszinierender Überblick über die Möglichkeiten der Technik und die Erkenntnisse der Astronomie. Und vor allem - ein Ausblick in die Zukunft der Menschheit.

Florian Freistetter, geboren 1977, hat an der Universität Wien Astronomie studiert. 2008 rief er das Astronomie-Blog Astrodicticum simplex ins Leben, das zu den meistgelesenen Wissenschaftsblogs in deutscher Sprache gehört. Bei Hanser erschienen 'Der Komet im Cocktailglas' (2013), ausgezeichnet mit dem Preis 'Wissenschaftsbuch des Jahres 2014', und 'Die Neuentdeckung des Himmels' (2014), 'Wissensbuch des Jahres' in der Kategorie Publikumswahl, sowie Asteroid Now (2015). 2015 wurde er festes Mitglied der Wissenschaftskabarettgruppe Science Busters. Seit 2016 erscheint in Spektrum der Wissenschaft seine Kolumne 'Freistetters Formelwelt'.

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Leseprobe

Kapitel 2
Die dünne graue Linie


Durch die Gesteinskruste der Erde zieht sich eine dünne graue Linie. Man findet sie überall auf der Welt, sie trennt zwei der großen Erdzeitalter voneinander. Unter der Linie findet man die Fossilien aus der sogenannten „Kreidezeit“ und darüber versteinerte Lebewesen aus dem „Paläogen“ (dieses Erdzeitalter wurde bis zum Jahr 2000 noch „Tertiär“ genannt). Die Welten über und unter der Linie unterscheiden sich fundamental. In der älteren Kreideschicht findet man zum Beispiel die versteinerten Knochen von Dinosauriern. In der neueren Paläogen-Schicht sind sie verschwunden. Dazwischen liegt die dünne graue Linie und markiert das Verschwinden der Reptilien, die für mehr als 100 Millionen Jahre lang die Welt beherrscht haben.

Die Existenz der Dinosaurier war schon im 19. Jahrhundert bekannt, als die Paläontologen ihre fossilen Knochen systematisch ausgruben und untersuchten. In den folgenden Jahrzehnten verstand man zwar immer besser, welche Lebewesen diese Knochen in den Gesteinsschichten hinterlassen hatten. Aber warum es sie nicht mehr gab, blieb ein Geheimnis, das erst gelüftet wurde, als die Geologen die dünne graue Linie im Gestein untersuchten.

Diese „K/T-Grenze“10 war in den 1970er Jahren das Forschungsobjekt des amerikanischen Geologen Walter Alvarez. In den Gesteinen des italienischen Ortes Gubbio ließ sich die Grenzschicht besonders gut studieren. Es war damals schon klar, dass die Schicht vor knapp 65 Millionen Jahren gebildet worden sein musste. Alvarez wollte herausfinden, wie lange die Bildung der Grenzlinie gedauert hatte. Hatten sich die Gesteine der dünnen grauen Linie im Laufe von Jahrhundettausenden abgelagert oder war der Prozess schneller verlaufen? Je dünner eine Gesteinsschicht ist, desto schneller hat sie sich normalerweise auch gebildet. Aber es konnte genauso gut sein, dass der Ablagerungsprozess nur sehr langsam vonstattengegangen und deswegen während eines langen Zeitraums nur eine dünne Schicht zustande gebracht worden war. Alvarez wollte ein geologisches Rätsel lösen, an einen Zusammenhang mit den Dinosauriern dachte er vorerst noch nicht.

Die Methode zur Bestimmung der Wachstumsgeschwindigkeit der K/T-Grenze, die Alvarez schließlich gemeinsam mit seinem Vater entwickelte, war genial. Luis Alvarez war Nobelpreisträger für Physik und kam auf die Idee, im Gestein nach dem Edelmetall Iridium zu suchen. Dieses Element ist in der Kruste der Erde enorm selten, da es noch während der Entstehung des Planeten tief in den Kern der Erde hineingesunken ist. Man findet es heute daher an der Oberfläche so gut wie gar nicht mehr. Aus geologischen Untersuchungen von Meteoriten weiß man aber, dass es in Asteroiden sehr häufig ist. Die Felsbrocken im All waren nie an der Bildung von Planeten beteiligt, sind nie aufgeschmolzen worden: Ihre Bestandteile liegen daher immer noch so vor, wie sie sich vor 4,5 Milliarden Jahren bei der Entstehung des Sonnensystems zusammengefunden haben.

Wenn man also auf der Oberfläche der Erde irgendwo große Mengen an Iridium findet, dann muss es aus außerirdischen Quellen stammen. Dabei dachten Vater und Sohn Alvarez aber weniger an große Asteroideneinschläge als an den beständigen „Regen“ aus kosmischem Staub. Im All gibt es ja nicht nur meter- und kilometergroße Felsbrocken, sondern auch viele mikroskopisch kleine Staubkörnchen, die ständig mit der Erde kollidieren. Wegen ihrer geringen Größe verglühen sie dabei aber nicht, sie schweben unversehrt zu Boden. Die Rate des Staubregens aus dem All sollte im Laufe der Jahrtausende einigermaßen konstant sein und daher auch eine konstante Menge an Iridium auf die Erde gelangen.

Wenn man wüsste, so Luis Alvarez, wie viel Iridium sich in der K/T-Grenze befindet und wie viel Iridium pro Jahr auf die Erde regnet, könnte man daraus berechnen, wie lange es dauerte, bis sich die Schicht abgelagert hat. Die konkrete Umsetzung der Messung war schwierig, da die Mengen an Iridium wirklich winzig waren. Alvarez musste gemeinsam mit seinen Kollegen Frank Asaro und Helen Michels erst ganz neue Mess- und Analysetechniken entwickeln, aber 1980 hatte man endlich die Ergebnisse. Und die waren äußerst überraschend.

Man rechnete mit einem Iridium-Anteil von etwa 4 Milliardstel Prozent. Das hätte der üblichen Menge von Iridium in der Erdkruste entsprochen. Tatsächlich maß man in der K/T-Schicht aber einen bis zu 30 Mal höheren Anteil von Iridium! Die Forscher um Alvarez untersuchten neben den italienischen Proben auch Gestein aus Dänemark und fanden dort sogar einen Iridium-Anteil, der den erwarteten Wert um das 160-Fache überstieg. Vor 65 Millionen Jahren mussten enorm große Menge an Iridium auf die Erde gelangt sein, und zwar so, dass sich das Metall überall auf der Erde in der K/T-Schicht ablagern konnte.

Der Dinokiller


Für Luis und Walter Alvarez war klar: Damals musste ein großer Asteroid auf der Erde eingeschlagen sein. Der übliche Staubregen aus dem All konnte für diese Iridium-Anomalie nicht verantwortlich sein. Ihren Berechnungen zufolge brauchte es schon einen Felsbrocken mit mehr als 10 Kilometer Durchmesser, um die vorhandene Menge an Iridium zu erklären. Und damit schien auch klar, welches Ereignis für das Aussterben der Dinosaurier11 verantwortlich war: ein Asteroideneinschlag.

Ein kleiner Asteroid wie zum Beispiel der, der im Februar 2013 über Tscheljabinsk explodierte, kann keinen globalen Schaden anrichten. Er erreicht ja noch nicht mal intakt den Erdboden, um dort einen Krater zu schlagen. Dafür müsste er – je nach Zusammensetzung – schon mindestens 50 Meter durchmessen. Und selbst dann ist die Zerstörung nur auf ein begrenztes Gebiet beschränkt. Das ändert sich erst, wenn der Himmelskörper zwischen 500 und 1000 Meter groß ist (wieder hängt die genaue Größe von der Zusammensetzung des Asteroiden ab). Bei solch großen Felsbrocken ist es völlig egal, wo auf der Erde der Einschlag stattfindet. Es ist auf jeden Fall der ganze Planet betroffen.

Asteroiden treffen mit Geschwindigkeiten von bis zu einigen Dutzend Kilometer pro Sekunde auf die Oberfläche der Erde. Beim Zusammenprall wird die gewaltige Menge an Bewegungsenergie schlagartig freigesetzt, und die resultierende Explosion erzeugt einen großen Krater. Dabei spielt es auch keine große Rolle, ob der Einschlag an Land oder im Meer stattfindet. Das bisschen Wasser kann einen kilometergroßen Asteroiden kaum bremsen. Die Ozeane, die selbst selten mehr als 3 bis 4 Kilometer tief sind, stellen für die Asteroiden kaum mehr als einen dünnen Wasserfilm auf der Gesteinskruste unseres Planeten dar.

Beim Einschlag würde eine gewaltige Hitze- und Druckwelle sofort alles Leben im Umkreis von bis zu tausend Kilometern auslöschen. Erfolgt der Einschlag im Meer, kommt dazu die Zerstörung durch riesige Tsunami-Wellen, die sich an allen Küsten weit ins Landesinnere hineinwälzen. Bei der Bildung des Kraters werden große Mengen an Gesteinsbrocken und Staub hoch in die Luft geworfen. Das geschieht mit solch hohen Geschwindigkeiten, dass ein Teil der Brocken das Schwerefeld der Erde verlässt und hinaus ins All geschleudert wird. Die überwiegende Mehrheit der Trümmerstücke fällt aber im Verlauf der nächsten Tage zurück auf die Erde. Es kann also überall auf der Erdoberfläche zu weiteren Einschlägen kommen. Die große Anzahl an kleineren Bruchstücken, die nun zurück auf den Boden fallen beziehungsweise in der Luft verglühen, heizt die Atmosphäre sehr stark auf. Kurzfristig steigen die Temperaturen auf lebensfeindliche Werte, und Lebewesen, die nicht unter der Wasseroberfläche oder in unterirdischen Bauten geschützt sind, haben es schwer, den globalen Hitzeschock zu überleben.

In der Zwischenzeit hat sich auch der Staub in der oberen Atmosphäre über den ganzen Planeten verteilt und wie ein dunkler Vorhang über den Himmel gelegt. Für Wochen oder Monate wird nun das Licht der Sonne verdeckt. Eine lange, kalte Nacht lässt die Grundlage der Nahrungskette zusammenbrechen. Pflanzen und Meeresalgen, die auf Photosynthese angewiesen sind, sterben langsam ab. Die Pflanzenfresser finden immer weniger Nahrung, den Fleischfressern geht es nicht anders. Das Gestein, das bei der Kraterbildung verdampft ist, kann auch jede Menge Schwefel enthalten, der sich nun in der Luft befindet und für sauren Regen sorgt.

Ein großer Asteroideneinschlag ist ein wahrhaft apokalyptisches Ereignis und definitiv dafür geeignet, ein globales Massensterben zu verursachen, wie es vor 65 Millionen Jahren auf der Erde stattgefunden hat. Trotzdem waren die Wissenschaftler anfangs skeptisch, was die Erkenntnisse von Luis und Walter Alvarez anging. Das Iridium hätte ja zum Beispiel auch durch Vulkanausbrüche an die Erdoberfläche gelangt und die Dinosaurier hätten auf andere Art und Weise ausgestorben sein können. Und wenn tatsächlich ein 10 Kilometer großer Asteroid auf der Erde eingeschlagen war: Wo war der Krater?

Das schien tatsächlich der große Schwachpunkt an der Theorie von Alvarez und Alvarez zu sein. Ein 10 Kilometer großer Asteroid müsste einen über 100 Kilometer großen Krater geschlagen haben, den sollte man eigentlich noch sehen können. Das Problem mit Einschlagskratern ist die vergleichsweise schnelle Verwitterungsrate. Wind und Wetter erodieren Kraterwände im Laufe der Jahrmillionen. Vulkanausbrüche und die stetige Ablagerung von Sedimenten verdecken die Spuren von Einschlägen. Über 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, Krater am Boden des Ozeans nur durch langwierige Messungen von Schiffen aus zu...

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