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Betrug und Untreue. Grundfragen zu Vermögen, Vermögensbetreuungspflichten und Vermögensschaden

AutorSebastian Zellmer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl70 Seiten
ISBN9783638839952
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Jura - Strafrecht, Note: 11 Punkte, Universität Osnabrück, Veranstaltung: LL.M.-Studiengang Osnabrück, 59 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit befasst sich mit der Darstellung von ausgewählten vermögensrelevanten Tatbestandsmerkmalen des Betrugs und der Untreue, genauer dem Vermögen, dem Schaden, bzw. Nachteil, sowie der Vermögensbetreuungspflicht und der korrespondierenden Pflichtverletzung. Der Schwerpunkt der Bearbeitung liegt in der ausführlichen Abbildung maßgeblicher Grundfragen, aber auch neuer dogmatischer Entwicklungen und in der themenbezogenen Darstellung ausgewählter Gerichtsentscheidungen. Zum grundlegenden Verständnis wird zunächst gezeigt, welche historische Entwicklung den Betrug und die Untreue kennzeichnet und welche systematische Stellung diese Delikte beim Vermögensschutz einnehmen. Im Folgenden wird der strafrechtliche Vermögensbegriff und Vermögensschutz im Verhältnis zu Zivilrecht und öffentlichem Recht abgegrenzt sowie die Konkurrenz des Vermögensschutzes unter diesen Rechtsgebieten dargestellt. Der Vermögensbegriff ist bei beiden Delikten identisch, um seine Definition wird jedoch seit Jahrzehnten gestritten. Des Weiteren wird der Begriff des Vermögensschadens konkretisiert und das Verhältnis vom Vermögensschaden zur Vermögensgefährdung dargestellt. Vor allem die praktische Handhabung der Vermögensgefährdung ist überaus schwierig. Dies zeigt die Auseinandersetzung mit verschiedenen Konstellationen der schadensgleichen Gefährdung im Rahmen des Betruges. Ferner wird hier der Konstruktion des Vermögensschadens bei gegenseitigen Verträgen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Vielzahl der praktischen Beispiele für einen solchen Eingehungs- oder Erfüllungsbetrugs ist unüberschaubar. Die Voraussetzungen des Eingehungs- und Erfüllungsbetrugs sind sehr differenziert und beziehen das zivilrechtliche Vertragsrecht wesentlich mit ein. Bei der Untreue liegt das besondere Augenmerk auf der Vermögensbetreuungspflicht und der mit ihr korrespondierenden Pflichtverletzung. Hierbei wird auch zur Rechtsauffassung Stellung bezogen, wie sie sich nach der Entscheidung im Fall Mannesmann / Vodafone darstellt. Schließlich wird auf die Besonderheiten der Vermögensgefährdung bei der Untreue eingegangen. Der Verfasser hält die Vorschrift des § 266 Abs. 1 StGB für verfassungsgemäß, aber reformwürdig. Vor allem eine nähere Konkretisierung der Vermögensbetreuungspflicht wäre wünschenswert.

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Leseprobe

C. Besonderheiten beim Betrug


 

Neben den grundsätzlichen Voraussetzungen, die das gesamte Vermögensstrafrecht, bzw. die §§ 263, 266 im Wesentlichen gemeinsam betreffen, gibt es deliktsspezifische Besonderheiten. Im Rahmen des Betrugs bedürfen vor allem die Rechtsprechung zum Gefährdungsschaden, sowie die Grundsätze zur Schadensbestimmung bei Abschluss und Abwicklung gegenseitiger Verträge besonderer Beachtung.

 

I.  Würdigung der Rechtsprechung zur Vermögensgefährdung


 


In der Rechtsprechung sind viele Beispiele zu nennen, in denen der  Betrugsstrafbarkeit unter der Annahme einer Vermögensgefährdung zugestimmt wurde. Allerdings wurden die hierbei zu beachtenden Kriterien zum Teil auch überstrapaziert.[142] Die insofern erlangten Ergebnisse sind unbefriedigend. Dies zeigen die folgenden Beispiele. 

 

1. Erschleichung einer Beamtenstellung


 


Eine Vermögensgefährdung wurde für den Fall bejaht, dass die Anstellung als Polizeibeamter unter der Angabe falscher persönlicher Eigenschaften erfolgte.[143] Der Bewerber hatte im Einstellungsgespräch verschwiegen, dass er zuvor im Dienst der Staatssicherheit der DDR gestanden hatte.

 

Die „konkrete“ Vermögensgefährdung liege in der persönlichen Unzuverlässigkeit, genauer, der politischen Vorbelastung, des Kandidaten.[144] Die Arbeitsleistung des Kandidaten stelle insofern kein Äquivalent zu der Leistung durch die Behörde dar, die ihm eine Anstellung als Beamter gewährt. Es sei unbeachtlich, ob der Bewerber die übrigen Anforderungen an die Stelle erfülle. Es spiele auch keine Rolle, ob er nach seiner Anstellung die ihm übertragene Arbeit tadellos bewältigt hätte.

 

Diese Auslegung der Vermögensgefährdung führt im Ergebnis zu weit.[145] Der Zusammenhang zwischen dem Verschweigen des Bewerbers und einer Vermögensgefährdung des Arbeitgebers ist überaus zweifelhaft. Aus dem aktuellen Verhalten des Bewerbers lässt sich eine solche Gefährdung jedenfalls nicht entnehmen. Abgestellt wird allein auf eine biographische Besonderheit. Die Tätigkeit für die Staatssicherheit lässt wiederum nicht darauf schließen, dass der Bewerber grundsätzlich Interesse daran hat, das Vermögen seines neuen Arbeitgebers zu schädigen. Ein Gefährdungsschaden ließe sich bestenfalls bejahen, wenn der Bewerber beispielsweise eine Anstellung als Kassierer begehrt und mehrfach wegen Vermögensdelikten vorbestraft ist. Es deutet insofern vieles darauf hin, dass die Betrugsstrafbarkeit vorliegend nur zu dem Zweck konstruiert wurde, um den öffentlichen Dienst in seinem Ansehen in der Öffentlichkeit zu schützen.[146] In diesem Licht ist auch verständlich, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem ähnlichen Fall bei Vorliegen eines privaten Arbeitsverhältnisses nicht notwendig vom Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Vermögensgefährdung ausgeht.[147]

 

2. Fälschung von Verträgen zu Gunsten Dritter


 


Diese Fallgruppe behandelt den fiktiven Vertragsschluss zu Gunsten Dritter. Der Betrüger stellte als Angestellter einer Bank fiktive Vertragsurkunden mit dem Inhalt her, dass mit dem Todesfall eines hochbetagten Bankkunden die Verfügungsgewalt über dessen Konto dem Täter oder einem befreundeten Dritten eingeräumt werden sollte.[148] Dieses Vorgehen wurde mehrfach durchgeführt. Es wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Verwirklichung entdeckt. Zum Teil fiel der Angestellte bereits bei einer bankinternen Überprüfung, noch zu Lebzeiten des Kunden auf oder der Rechtsschein wurde noch nach dem Erbfall rechtzeitig beseitigt. In einem Fall konnte hingegen der Dritte nach Ableben des Bankkunden tatsächlich ein hohen Betrag abheben. Der Betrüger erhielt einen wesentlichen Anteil des Geldes.  

 

Die Rechtsprechung musste sich hier mit der schwierigen Abgrenzung von Versuch und Tatvollendung befassen. Der Vorgang, der zu Lebzeiten des Bankkunden bankintern aufgedeckt worden war, wurde als Versuch bestraft. In den anderen Fällen wurde eine Vollendung des Betrugs angenommen. Die Rechtsprechung sah den Zeitpunkt für den Eintritt eines Gefährdungsschadens im Zeitpunkt des Ablebens des Bankkunden. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die Bank für verpflichtet gehalten, den festgelegten Betrag an die Betrüger auszuzahlen. Für die Bank habe kein Grund bestanden, die Erfüllung der Verträge aufzuschieben. Demnach mangele es auch nicht am Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Erbfall und Gefährdungsschaden. Sofern eine Verfügung aus mehreren ineinander greifenden Akten bestehe, sei der Unmittelbarkeitszusammenhang bereits dann hergestellt, wenn die Kette der Verfügungen zwingende wirtschaftliche Folge des durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums sei.[149] 

 

Kritisch zu beurteilen ist, wie weit die Rechtsprechung die Vollendungsstrafbarkeit in das Versuchsstadium hinein verlagert. Der wesentliche Zeitpunkt, auf den abgestellt wird, soll der Tod des Bankkunden sein. Hierzu ist festzustellen, dass eine Vermögensgefährdung gar nicht eintreten kann, bevor die Bank nicht Kenntnis von diesem Ereignis erlangt hat. Der durch die Tat Begünstigte ist jedoch auch zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt, Zugriff zu dem hinterlassenen Vermögen zu erhalten. Es ist zusätzlich erforderlich, dass eine Umbuchung der Konten vorgenommen wird oder der Begünstigte die Bank mit Wunsch auf Auszahlung aufsucht. Dem Täter bleibt also nicht erspart, weitere eigene Schritte zu unternehmen, um die begehrte Folge auszulösen. Hierin ist allerdings ein neuer strafbarer Sachverhalt zu sehen. Für die Betrugsstrafbarkeit müsste richtigerweise auf diesen neuen Sachverhalt abgestellt werden. Die Fälle, die bereits bei bankinterner Überprüfung auffielen, befinden sich im Ergebnis noch im Versuchsstadium.

 

Der Rechtsprechung muss auch in einem ähnlichen Fall widersprochen werden. Sofern ein Betrüger eine Zahlung auf ein eigenes Konto veranlasst, dass bereits wegen des Verdachts der Strafbarkeit mit einem Sperrvermerk versehen ist, soll ein Gefährdungsschaden eintreten.[150] Für das Vorliegen eines Gefährdungsschadens fehlt jedoch die tatsächliche Möglichkeit, auf das Vermögen zuzugreifen und somit die Rückzahlung des betrügerisch erlangten Geldes zu erschweren.

 

3. Gutgläubiger Erwerb gemäß §§ 932 ff. BGB


 


Eine Fallgruppe, die vor allem bei der Vertragserfüllung von Bedeutung sein kann, ist der gutgläubige Erwerb nicht abhanden gekommener Sachen gemäß §§ 932 ff. BGB.  Hierbei geht es um den Erwerb von Sachen, über die der Verkäufer keine Verfügungsgewalt hat. Der gutgläubige Erwerb solcher unterschlagener Sachen ist gemäß §§ 932 ff. BGB zivilrechtlich geschützt, jedoch unter Umständen für den Veräußerer strafbar.[151]

 

Zeitweise wurde in diesen Fällen ein Gefährdungsschaden unter Anwendung der so genannten Makeltheorie bejaht.[152] Anhand dieser Theorie wird argumentiert, dass dem Erwerb, der nur gutgläubig erfolgt, ein sittlicher Mangel anhaftet. Zudem sei der Erwerber einem erhöhten Prozessrisiko ausgesetzt. Beides stelle einen Gefährdungsschaden dar.

 

Die Makeltheorie stößt jedoch auf Kritik.[153] Ein sittlicher Mangel ist kaum begründbar. Der Umstand, dass der zivilrechtliche Erwerb lediglich durch die Gutgläubigkeit des Erwerbers ermöglicht wird, lässt sich nur schwerlich als sittlichen Makel bezeichnen. Letztlich kann der Benachteiligte nur darauf hoffen, dass der Erwerber die Sache aus „Anständigkeit“ an ihn zurückgibt, wozu er allerdings nicht verpflichtet ist. Sofern man eine Rückgabe für „anständig“ hält, bejaht man zugleich, dass die Vorschriften des zivilrechtlichen Gutglaubenserwerbs gegen die Grundsätze des „Anstands“ verstoßen. Dies ist nicht hinnehmbar. Auch erlebt die Sache durch den vermeintlichen, sittlichen Mangel keine nachprüfbare Wertminderung beim Wiederverkauf. [154] Ein sittlicher Makel, sofern man überhaupt hiervon sprechen kann, hat somit keinen unmittelbaren Vermögensbezug.

 

Stichhaltiger ist hingegen das Argument des Prozessrisikos. Der Erwerber sieht sich bei einer gutgläubig erworbenen Sache einem erhöhten Prozessrisiko ausgesetzt. Er ist auch im Prozessfall daran gehindert, die Sache weiter zu veräußern. Das Prozessrisiko ist jedoch zunächst nur wenig konkret.[155] Sofern der ursprüngliche Eigentümer tatsächlich einen Anspruch auf Herausgabe des Eigentums geltend macht, liegt es wiederum bei ihm zu beweisen, dass der neue Eigentümer bei Erwerb nicht gutgläubig gewesen ist.[156] Es führt im Ergebnis zu weit, in dem bestehenden Prozessrisiko grundsätzlich eine Vermögensverfügung zu sehen.

 

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