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Charles Fourier: Sein Leben und seine Theorien

Vollständige Ausgabe

AutorAugust Bebel
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl295 Seiten
ISBN9783849604899
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Bebels Schrift über den Frühsozialisten Charles Fourier, die später mehrere Auflagen erlebte, entstand in seiner Zeit im Zwickauer Gefängnis.

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Leseprobe

„Es gehört zu den Gebräuchen der Zivilisirten, einem Dogma zu Ehren, dessen Sinn, noch dessen praktische Wirkungen man kennt, sich gegenseitig an die Gurgel zu fahren. Beweis dafür sind die aus den Debatten über die Verwandlung (Transsubstantiation) und die Wesenseinheit (Consubstantialité) hervorgegangenen Kriege. Unser Jahrhundert hat ähnlich über die Menschenrechte spekulirt; um sie zu erhalten, massakrirte man sich und doch kannte man ihr wahres Wesen nicht.“

 

Nach Fourier liegt das wahre Wesen der Freiheit in der Anerkennung „des Rechts auf Arbeit“, das „für den Armen allein werthvoll ist.“ Die Erfahrung hat uns zur Genüge gelehrt, daß mit dieser Anerkennung auch nichts gethan ist. Es ist auch über dieses „Recht“ gar viel gestritten worden und zuletzt, im Jahre 1848 in Paris in den Junitagen, viel Blut geflossen. Das Recht auf Arbeit steht in Bezug auf seine Phrasenhaftigkeit um kein Haar breit hinter der „Freiheit“ und den „Menschenrechten“ zurück, Jeder legt sich dieses „Recht“ zurecht, wie er es braucht und es seinem Interessenstandpunkt entspricht. Gewisse Sozialisten betrachten noch heute das Wort als eine Art Schiboleth, das die soziale Frage löse; bei den Anhängern des preußischen Landrechts, die dieses „Recht“ ebenfalls anerkennen, schrumpft es zu einem Recht auf Armenhausarbeit und Armenunterstützung zusammen. Auch nach der Junirevolution hat es noch die Köpfe in der französischen Kammer erhitzt, man schlug große Redeschlachten und dabei ist es bis heute geblieben. Schließlich waren bei all diesen Schlagworten es immer und immer die Vertreter der kleinbürgerlichen Demokratie, die sich am eifrigsten für sie begeisterten und sich zu ihren Champions aufwarfen. Ganz begreiflich. Diese Demokratie repräsentirt eine Gesellschaftsschicht, die zwischen der großbürgerlichen und der proletarischen Klasse mitten innesteht, in Folge davon ohnmächtig ist und in Bezug auf die Heilung der sozialen Uebel an chronischer Impotenz leidet und daher ihr Thatenbedürfniß in großen Worten und Kraftphrasen zu verpuffen genöthigt ist. Die bürgerlichen Ideologen lieben es, am Klang der Worte sich zu berauschen, sie sind aber allmälig sehr einflußlos und harmlos geworden.

 

Fourier war allerdings ein viel zu mathematisch denkender und logisch schließender Kopf, um sich durch eine Phrase, die er bei Andern klar durchschaute, beirren zu lassen, und so folgert er: es giebt keine wie immer zusammengesetzte Freiheit ohne das Minimum; kein Minimum ohne die industrielle Anziehung (attraction); keine industrielle Anziehung in der zerstückelten (morcelé) Arbeit, womit er sagen will, in der auf Privatwirthschaft beruhenden Arbeit. Die industrielle Anziehung kann nur aus den Serien der Triebe geboren werden; also:

 

Das Minimum, gestützt auf die industrielle Anziehung, ist der einzige Weg zur Freiheit, einen andern giebt es nicht. Aber um in diesen Weg einzutreten, muß man die Zivilisation verlassen, muß man ihre Produktions- und Distributionsform aufheben; und da es hierzu, nach ihm, zwölf Wege giebt, muß man den günstigsten wählen, um zur Assoziation zu gelangen.

 

Es handelt sich also darum, den neuen Zustand dergestalt zu organisiren, daß folgende sieben Funktionen voll angewendet und ausgeübt werden können: häusliche Arbeiten, ländliche Arbeiten, industrielle Arbeiten, Austausch, Unterricht, Wissenschaften, schöne Künste. Es muß vorhanden sein: Anziehung für alle Beschäftigungen, proportionale Vertheilung des Erzeugten, Gleichgewicht der Bevölkerung, Oekonomie in den Hülfsmitteln.

 

Die Anziehung an die Arbeiten kann nur vorhanden sein, wenn jede Arbeit angenehm und lukrativ ist. Die Vertheilung findet statt nach den drei industriellen Fähigkeiten: Arbeit, Kapital, Talent. Die Bevölkerungszahl einer Phalanx darf 1800–2000 Personen nicht überschreiten, weil in dieser Zahl, nach Fourier's Berechnung, die verschiedenen Triebe und Charaktereigenschaften voll und zweckmäßig vertheilt enthalten sind und eine größere oder kleinere Zahl die Ausgleichung stören würde. Die Oekonomie der Hülfsmittel ergiebt sich aus dem möglichst zweckmäßigen Zusammenwirken aller mit einander Operirenden, die alle gleichmäßig an der Ersparniß von Materialien, Zeit und Kraft interessirt sind. So wird man in einer Phalanx von 400 Familien nicht 400 Küchenfeuer, 400 Einzelwirthschaften erhalten, sondern man wird nur 4 oder 5 große Küchenfeuer anlegen und die Bewohner in 4 oder 5 Klassen, nach dem Stande ihres Vermögens, eintheilen und sie in einem gemeinsamen Palast wohnen lassen. Der sozietäre Zustand läßt keine Gleichheit zu. Ebenso werden bei dem Ackerbau wie bei der Industrie die Vortheile in positiver Beziehung — Erhöhung der Produkte durch zweckmäßigste Kombinirung und Anwendung der Kräfte und Hülfsmittel — und in negativer Beziehung — Ersparnisse an Kraft, Zeit, Materialien — sehr bedeutende sein. Es entsteht wieder rationelle Waldzucht, Quellenschonung, Klimaverbesserung. Ueber alle diese Vortheile, welche die assoziirte Thätigkeit erzeugen müsse, äußert sich Fourier wie folgt:

 

„Eine Phalanx, die sich z. B. mit Wein- oder Oelbau befaßt, wird nur einen einzigen Werkraum für die Fertigstellung nöthig haben, statt der vielen, die jetzt in einer Gemeinde von 15–1800 Seelen nöthig sind; statt 300 Bottiche wird sie nur ein Dutzend bedürfen. Man wird ferner für die Reben- und Oelbaumanlagen die Ueberwachung, die Einfriedigungen und Ummauerungen ersparen. Man wird die Lese nicht auf einmal vornehmen, wie dies jetzt der kleine Privatbesitzer, um Kosten und Zeit zu ersparen, thun muß, sondern in dem Maße, wie die Trauben reifen, und damit große Verluste an Quantität oder Qualität verhüten. Statt der 1000 Fässer, welche heute 300 Familien benöthigen, werden 30 große Tonnen genügen. Man wird neun Zehntel der Kosten für die Lagerräume, neunzehn Zwanzigstel für das Faßwerk ersparen. Die richtige Behandlung des Weins ist dem kleinen Besitzer unmöglich, weder kann er ihm die nöthige Lagerung gewähren in trockenen gut gelüfteten nach Norden gelegenen Lagerräumen, noch hat er die Einrichtungen und Vorrichtungen für die tägliche Kühlung der Keller und Fässer. Auch fehlt der Ueberzahl der Besitzer die Möglichkeit, die Weine durch verschiedene Füllungen zu verbessern, leichte mit schweren Qualitäten zu schneiden, oder sich fremde wärmere Weine zu verschaffen. Ferner wird heute der Wein, unmittelbar nach der Ernte, von vielen Eigenthümern zum billigsten Preis verkauft, weil sie ihn verkaufen müssen, sei es, daß sie Geld nöthig haben, der Gläubiger schon wartet, oder daß es ihnen an geeigneten Aufbewahrungsräumen fehlt, und sie der Mittel oder des Verständnisses zur Pflege entbehren. In der Phalanx wird der Wein in Folge guter Aufbewahrung und Pflege schon nach einem Jahre das Fünffache des Preises werth sein und mit dem Alter entsprechend im Preise steigen. Die Phalanx verkauft ihn, wie ihr Interesse gebietet. Und so noch viele andere Vortheile, die aus der Gemeinwirthschaft entspringen, stets Kosten ersparen und die Produkte verbessern. Man wird bessern Saamen, bessere Pflanzen anschaffen, im Ankauf nie betrogen werden; man wird für die verschiedenen Pflanzungen die besten und geeignetsten Bodenarten aussuchen können, Maschinen, Gebäude, Ställe, Lagerräume werden die zweckmäßigsten sein, die verfügbaren Kräfte werden jede Arbeit im richtigen Moment ermöglichen.“

 

„Eine der glänzendsten Seiten der sozietären Arbeit wird die Einführung der Wahrheit in Handel und Wandel werden. Indem die Assoziation die kooperative, solidarische, sehr vereinfachte, auf Wahrhaftigkeit und Garantie beruhende Konkurrenz an die Stelle der individuellen, unsoliden, lügnerischen, verschlungenen und willkürlichen Konkurrenz der Zivilisation setzt, wird sie nur ein Zwanzigstel der Arme und der Kapitalien benöthigen. Man wird also den heutigen Handel als parasitisch unterdrücken, denn parasitisch ist Alles, was unterdrückt werden kann, ohne daß der Zweck geschädigt wird. Man wird in der Phalanx statt hunderter konkurrirender und gegen einander intriguirender Kaufleute und Krämer mit ihren Verkaufshallen und Läden nur ein großes Waarenlager und verhältnißmäßig sehr wenig Personen brauchen, da alle Käufe und Verkäufe nach außen die Phalanxen unter sich abschließen.“

 

„In der Zivilisation ist der Mechanismus in jeder Art der ruinöseste und falscheste. So giebt es außer im Handel noch tausende und abertausende von parasitischen Existenzen, z. B. die in der Rechtspflege beschäftigten Personen, eine Institution, die nur auf den Fehlern der zivilisirten Ordnung beruht ... Andererseits fehlen die Mittel für das Nöthigste. So mangeln Frankreich heute einige hundert Millionen Franken für die Verbesserung der Wege und Straßen; im sozietären Zustand, wo Phalanx an Phalanx sich reiht, bestehen die ausgezeichneten Verbindungsmittel, für die jedes Phalanstère (das Phalanstère ist der ganze Bezirk [Kanton] inklusive der Gebäude. Der Kanton soll nach Fourier eine Quadratstunde Flächeninhalt haben) aufzukommen hat, ohne daß es der Staatssteuern dazu bedarf. Ebenso fällt die kostspielige Katastrirung der Grundstücke für den Staat fort. Eine Wahl, die heute unendlich viel Zeit und Geldopfer erfordert, eine Menge der widerlichsten Kabalen erzeugt, wird in der Phalanx dem Einzelnen kaum eine Minute Zeit kosten, eine Reise dazu hat er nicht nöthig zu machen.“ ...

 

„Unter die Unproduktiven gehören ferner die Soldaten, die Grenzwächter, die Steuerbeamten; auch sind ein großer...

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