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Das Konstanzer Konzil

Eine kleine Geschichte

AutorChristian Würtz, Daniel Gaschick
VerlagDer Kleine Buch Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783765013027
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Zwischen 1414 und 1418 war die Stadt Konstanz das Zentrum der europäischen Politik. Das Konstanzer Konzil sollte die Spaltung der Kirche, zumindest für den Moment, lösen - in trauriger Erinnerung geblieben ist es vor allem wegen der Verbrennung des als Ketzer verurteilten Jan Hus. Das Konzil schrieb nicht nur Weltgeschichte, sondern war auch ein Großereignis der Extraklasse: Die Stadt erlebte in vier Jahren die Absetzung dreier Päpste und die Wahl eines neuen, Zehntausende von Besuchern, 700 Dirnen und unzählige Feste. Es soll so viel Geld ausgegeben worden sein, dass Konstanz die reichste Stadt Süddeutschlands wurde. Das Buch beleuchtet die Vorgeschichte und den Verlauf des Konzils. Die Ereignisse rund um die Kirchenversammlung werden sowohl in den weltgeschichtlichen Kontext eingeordnet als auch in der Stadt Konstanz und der südwestdeutschen Region verortet. Exkurse beleuchten einzelne wichtige Personen und Aktionen, erzählen von Unterhaltsamem am Rande des Konzils und erläutern theologische Fachbegriffe. Zahlreiche Illustrationen lassen das Konzilsgeschehen vor Augen treten.

Christian Würtz, geboren 1971, studierte Rechtswissenschaften und katholische Theologie. Er erhielt 2006 die Priesterweihe und ist seit 2010 Leiter der Seelsorgeeinheit Vorderes Kinzigtal. Daniel Gaschick, geboren 1978, studierte katholische Theologie, Geografie und Mathematik. Er war sechs Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Universität Freiburg und ist derzeit im Schuldienst und der Erwachsenenbildung tätig.

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Leseprobe

Das Konzil von Konstanz



Die Vorbereitungen

Nach dem Scheitern der Union auf dem Konzil von Pisa, welches das Vorspiel für das Konzil von Konstanz bildete, schien die Situation noch verworrener zu sein, als sie ohnehin schon war. Zwar war der Wille zur Einheit, zur Überwindung des Schismas auch bei den Kardinälen nun deutlich zutage getreten, doch die innerkirchlichen Kräfte reichten nicht aus, das Schisma zu überwinden. Ein von Johannes XXIII. nach Rom berufenes Konzil, das dessen Stellung stärken sollte, wurde kaum besucht und konnte daher keine Wirkung entfalten. Daher wurde es gleich nach der Eröffnung schon wieder vertagt. Da kam der gespaltenen Kirche von außen Hilfe zu.

1410 war der deutsche König Ruprecht III. von der Pfalz gestorben. Seine Bemühungen zur Überwindung des Schismas waren – nicht zuletzt wegen seiner schmalen Machtbasis in Deutschland – im Versuch stecken geblieben. Sein Nachfolger Jobst von Mähren starb, noch ehe er sein Amt antreten konnte. Nun war der Weg auf den deutschen Königsthron frei für Sigismund von Luxemburg. Er war Sohn Kaiser Karls IV. und Halbbruder des vormaligen deutschen Königs Wenzel IV., der zunächst seinem Vater als König nachgefolgt war. Da Wenzel aber an der Reichspolitik kaum Interesse gezeigt und folglich bald jeden Einfluss im Reich verloren hatte, wurde er von den Kurfürsten im Jahr 1400 wegen Unfähigkeit abgesetzt. Nur als König von Böhmen konnte er sich weiterhin halten.

König Sigismund

Sigismund wurde am 15. Februar 1368 in Nürnberg geboren. Er hatte eine gründliche Ausbildung erhalten und galt als hochgebildet. Besonders beeindruckte er seine Zeitgenossen durch seine Vielsprachigkeit und seine Rednergabe, mit der er seine Zuhörer auf seine Seite ziehen konnte. Er war ein weiser, tatkräftiger und lebenslustiger Herrscher, der jedoch nicht immer seine Zusagen einhielt, oftmals in Geldnöten war und auch militärisch häufig unglücklich agierte. Angesichts der Weitläufigkeit seiner Herrschaftsgebiete waren die strukturellen Probleme nahezu unbeherrschbar. Eine Reform des Reiches konnte er nicht durchsetzen.


Der heilige Sigismund von Burgund auf einem Fresko in der Dreifaltigkeitskirche in Konstanz. Für diese Darstellung griffen die Künstler auf das Aussehen König Sigismunds zurück.


Reichlich ausgeprägt waren sein Selbstwertgefühl und das Bewusstsein, was er seinem hohen Amt an Repräsentation schuldig war. Von seinem Vater Karl IV. war er zusammen mit seinen Brüdern schon in jungen Jahren (1373) mit der Mark Brandenburg belehnt worden. Durch die Heirat mit Maria von Ungarn konnte er die Kronen von Ungarn und Kroatien erwerben. Doch hatte er zunächst Mühe, sich in Ungarn zu behaupten, denn der einheimische Adel betrachtete ihn misstrauisch und lehnte sich gegen ihn auf. Zudem wurde das Land nicht nur von den Türken bedroht, sondern auch von König Ladislaus von Neapel, der Thronansprüche geltend machte.

Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete er 1406 die 20 Jahre jüngere Barbara von Cilli in zweiter Ehe. 1410 wurde er zum römisch-deutschen König gewählt. 1419 folgte er seinem Halbbruder als König von Böhmen nach, wobei er sich in dem von den Hussitenkriegen erschütterten Land nur schwer behaupten konnte. 1433 krönte ihn Papst Eugen IV. in Rom zum Kaiser. Sigismund starb am 9. Dezember 1437 in Znaim.

Nach dem Tod des Pisaner Papstes Alexander V. hatte Sigismund die Wahl Johannes’ XXIII. sogleich anerkannt, nicht zuletzt aufgrund der gemeinsamen Gegnerschaft zu König Ladislaus von Neapel, der zunächst zu Gregor XII. hielt. Als neapolitanische Truppen Rom eroberten, musste Johannes XXIII. überstürzt nach Norditalien ausweichen, wo ihm die Stadt Florenz aber aus Angst vor König Ladislaus kein Asyl gewährte. Daher wandte sich der bedrängte Papst an den König, der zu dieser Zeit in einem erfolglosen Krieg mit Venedig stand. Zwar konnte Sigismund ihm nicht militärisch helfen, aber er erkannte die überaus günstige Gelegenheit, den Papst nun zu einem allgemeinen Generalkonzil zu bewegen, das das Schisma überwinden sollte. Und er erkannte geradezu instinktiv, dass er dabei als advocatus et defensor ecclesiae, als Anwalt und Verteidiger der Kirche, wie ein alter Titel der deutschen Könige hieß, die zentrale Rolle würde spielen können. Neben der Beseitigung des Schismas hatte Sigismund auch zwecks Steigerung seines persönlichen Ansehens ein Interesse an einem erfolgreichen Konzil. Zudem ging es ihm um die Abwehr von König Ladislaus’ Plänen in Ungarn, dort selbst zur Herrschaft zu gelangen, um die Reform der Kirche und um die Bekämpfung der religiös motivierten Unruhen in Böhmen rund um Hus, wo sein Bruder regierte. Schließlich durfte er auch nach erfolgreichem Abschluss des Konzils auf eine gewaltige Unterstützung eines Kreuzzugs gegen die Türken hoffen, die nicht nur Konstantinopel bedrohten, sondern bereits auf dem Balkan große Gebiete erobert hatten.

Nach langen Vorverhandlungen gab Sigismund am 30. Oktober 1413 »aus kaiserlicher Gewalt« die Einberufung eines Gene­ralkonzils nach Konstanz bekannt. Dass das Konzil in einer Stadt des Reiches stattfinden sollte, um so dem König eine günstige Ausgangsposition zu sichern, lag auf der Hand, auch wenn sich Papst Johannes XXIII., der lieber eine Stadt in Italien als Tagungsort gesehen hätte, dagegen sträubte. Dass es gerade Kon­stanz wurde, beruhte auf einem Vorschlag des Grafen Eberhard von Nellenburg, der seine Stammburg unweit des Bodensees hatte und zum königlichen Gefolge zählte.

Konstanz hatte in seinen Mauern schon zu Zeiten Kaiser Friedrich Barbarossas bedeutende Hof- und Reichstage erlebt. Zuletzt hatte sich die Stadt als Konferenzort bei Friedensverhandlungen zwischen den Appenzellern und ihren Gegnern im Jahr 1408 bewährt. Damit hatte der wichtige Handelsplatz in Süddeutschland unterstrichen, ein geeigneter Ort für große Versammlungen zu sein. Die rund 6000 Einwohner zählende Stadt bot genügend Unterkünfte und konnte über das Umland die Versorgung sicherstellen. Hinzu kam ihre vergehrsgünstige Position, die Nähe zu Italien sowie die Lage am Bodensee und Rhein. Und schließlich war Konstanz auch ein angesehener Bischofs­sitz mit mehreren Klöstern in seinen Mauern.


Das Treffen König Sigismunds (rechts) mit Papst Johannes XXIII. in Lodi. Aus der Richentalchronik im Konstanzer Rosengartenmuseum


Damit das Konzil aber auch von kirchlicher Seite als solches anerkannt wurde, bedurfte es nun noch der Einberufung durch den Papst. Um diese zu erreichen, traf sich Sigismund mit Johannes am 25. November 1413 in der Stadt Lodi in der Lombardei. Schließlich erließ der Papst am 9. Dezember eine Bulle, durch welche er zum Konzil einlud und zugleich versicherte, selbst zu erscheinen und alles zur Überwindung des Schismas zu unternehmen.

Der Adressatenkreis dieser Konvokationsbulle war weit gefasst: Neben den kirchlichen Würdenträgern, den Patriarchen, Erzbischöfen, Äbten und Prälaten, sowie den weltlichen Großen, den Königen, Fürsten, Herzögen, Grafen und Adligen, gehörten auch alle, »die an diesem Konzil teilzunehmen haben oder ihm sonst wie nützen können,« dazu. Mit Letzteren waren vor allem die Gelehrten der Universitäten, insbesondere die Theologen und Kirchenrechtler, gemeint, die aufgrund ihrer Sachkompetenz eine wichtige Rolle spielen sollten.

Jetzt konnten die Vorbereitungen zum Konzil beginnen. Es galt in der folgenden Zeit, möglichst viele weltliche wie geistliche Herrscher, Würdenträger und Gelehrte dazu zu bewegen, selbst nach Konstanz zu kommen oder doch wenigstens Bevollmächtigte, sogenannte Prokuratoren, zu entsenden. Insbesondere waren auch die anderen beiden Päpste und ihre Schutzmächte einzubinden. Daher entfaltete König Sigismund in den kommenden Monaten eine vielfältige Diplomatie mit den Herrschern in Europa, von König Karl VI. von Frankreich über Heinrich V. von England bis hin zu Kaiser Manuel II. von Byzanz, von König Ferdinand I. von Aragon-Sizilien, dem Schutzherrn Papst Benedikts XIII., über König Wladyslaw Jagiello von Polen bis hin zu den deutschen Fürsten und Reichsstädten. Und auch Johannes XXIII. blieb nicht untätig, sondern bemühte sich um möglichst viele Teilnehmer seiner Obödienz.

Derweil begannen in Konstanz die praktischen Vorbereitungen. Schon im Dezember 1413 fing man an, Futter und Heu sowie andere Dinge auf Vorrat nach Konstanz zu bringen. Ab Juni 1414 ergriffen dann päpstliche und königliche Beauftragte gemeinsam mit dem städtischen Magistrat und der bischöflichen Kurie die erforderlichen Maßnahmen, damit das Konzil am Aller­heiligenfest, dem 1. November, pünktlich beginnen konnte.

Nur ganz allmählich kamen die Konzilsteilnehmer nach Konstanz. Johannes XXIII. war im Oktober in Oberitalien aufgebrochen, um über Tirol an den Bodensee zu reisen. In Meran schloss er mit Friedrich IV. von Habsburg-Tirol, der auch rund um den Bodensee begütert war, ein Bündnis und ernannte ihn zum Generalkapitän der päpstlichen Truppen. Als er den Arlbergpass überqueren wollte, stürzte sein Reisewagen um, wobei er ausgerufen haben soll: »Hier liege ich in des Teufels Namen!«

Doch schließlich erreichte er am 28. Oktober unversehrt Konstanz. Dieser Tag war nicht zufällig für die Ankunft gewählt worden, ist er doch der Festtag der heiligen Apostel Simon und Judas Thaddäus. Auch viele andere Ereignisse des Konzils richteten sich nach dem Heiligenkalender und den Festtagen des Kirchenjahres. Am Konzilsort wurde Johannes XXIII. mit allen Ehren, die einem Papst zustanden, feierlich empfangen. Der Konzilsteilnehmer Jakob...

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