Darstellungen, die Menschen nackt oder auch beim Liebesakt zeigen, finden sich bereits in prähistorischen Höhlen- und Felsmalereien oder in Statuetten wieder, die von Höhlenmenschen kreiert wurden; ebenso in frühhistorischen Abbildungen aus ägyptischen und indischen Kulturkreisen – dabei handelt es sich zumeist um Abbildungen des Liebesaktes mit seinen verschiedenen Stellungen (Information aus dem Sexmuseum in Amsterdam) und nicht zuletzt aus der römischen und griechischen Antike, mit Vasen und Amphoren, auf denen zum Teil homoerotische und pädophile, aber auch sportive und spielerische Szenen zu finden sind. Handelt es sich hierbei um Kunst, Erotik oder gar Pornographie? Das liegt in diesen Fällen noch ganz im Auge des Betrachters, da es Teil verschiedener – manchmal schon vergangener – Kulturen ist. Duca (1980) bemerkt, dass nicht immer zwischen Erotik und Pornographie unterschieden wird; doch er verbindet Erotik mit Liebe, Ästhetik und Kunst, wogegen er in pornographischen Darstellungen diese Assoziationen nicht erkennen kann. Da es sich in dieser Arbeit hauptsächlich um die Pornographie und weniger um die Erotik handelt, soll erstere etwas genauer betrachtet werden.
Was für die Sexualität im Allgemeinen gilt, trifft auf die Pornographie im Besonderen zu: Sie ist durch die jeweilige Kultur bestimmt, in der sie auftritt. Diese Kulturdeterminiertheit geht schon aus der Wortgeschichte hervor: Obwohl es Begehren, Sinnlichkeit, Erotik und explizite Darstellung von Geschlechtsteilen – wie bereits erwähnt – wohl immer und überall gegeben hat, ist Pornographie im Sinne einer juristischen und ästhetischen Kategorie eine Erfindung der Neuzeit. Zwar findet sich in der Literatur über sie der Hinweis, dass das Wort aus dem Griechischen abgeleitet wird (von pornè „Hure“ und graphein „schreiben“), intendiert ist damit aber kein Rückgriff auf antike Traditionen.F[1]F Vielmehr handelt es sich um eine Wortschöpfung des 19. Jahrhunderts. Dem „Trèsor de la langue française“ zufolge tauchte das Wort zum ersten Mal in Restif de la Bretonnes Abhandlung „Le Pornographe“ von 1769 auf; gemeint waren damit Schriften zur Prostitution. Was jedoch, betrachtet man die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Prostitution, nicht unbedingt negativ konnotiert sein muss.
„Pornographique“, „pornographe“, und „pornographie“ im Sinne von obszöner Literatur oder Bildern wurde erstmals 1806 in einem Pariser Werk verwendet. In Etienne-Gabriel Peignots Vorwort zu seinem „Dictionaire critique, littéraire et bibliographique des principaux livres condamnés au feu, supprimés ou censurés“ lassen sich drei verschiedene Begründungen für die Definition von Pornographie finden: religiöse, politische und moralische. Pornographie wird hier zum ersten Mal in Zusammenhang mit Immoralität und dem Bedürfnis, die Gesellschaft zu schützen, gesehen. Aus der Art, wie Peignot seine Liste dieser Bücher schrieb, wird jedoch zugleich deutlich, dass es in den Köpfen der Kenner bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts „eine Art Galaxie pornographischer Schriften“ gab (Hunt 1994 S.11-15). Die Sache selbst ist also älter als der dafür verwendete Begriff und war bereits fest in der spezifischen abendländischen Kultur verwurzelt, ehe das Bedürfnis aufkam, ihr einen Namen zu geben. Pornographie ist kein gegebener Tatbestand: Sie erhielt ihre Definition im Laufe der Zeit und ist Ergebnis von Konflikten zwischen Schriftstellern, Künstlern und Graveuren auf der einen Seite und Spionen, der Polizei, Geistlichen und Staatsbediensteten auf der anderen. Ihre politische und kulturelle Bedeutung kann nicht unabhängig von ihrer Entstehung als Denk-/ Repräsentations- und Überwachungskategorie gedacht werden (ebd. S.9). Zu all diesen Überlegungen kommt noch hinzu, dass Prostitution allzeit mit einer gewissen Zurschaustellung verbunden zu sein schien.F[2]F Und Pornographie war immer ein Massenphänomen (in den Kreisen, die lesen und sich Bücher leisten konnten), wie aus den Untersuchungen Robert Darntons zu den bestverkauften Büchern des 18. Jahrhunderts hervorgeht (Darnton 1991, S.220, 223). Zugleich war sie ein Instrument zur Luststeigerung, auch wenn bei dieser Feststellung nur ein Beleg angeführt werden kann, welcher die große Ausnahme im System des generellen Schweigens bildet.F[3]F Schließlich sollen noch die ersten pornographischen Werke der Neuzeit überhaupt genannt werden, das Prosastück „Ragionamenti“ und die „Sonetti lussuriosi“ des Pietro Aretino (1492-1556), wobei diese ihre Bekanntheit vor allem den beigefügten Gravuren von Positionen des Geschlechtsakts verdanken. (Pastötter 1996)
Welche ursprüngliche Implikation der Begriff Pornographie auch immer gehabt haben mag, sicher ist, dass er im mittelalterlich-christlichen Abendland unter der Knute der Kirche einen enormen Wandel durchgemacht hat. Sexualität war ein schmutziger von der „Erbsünde“ belasteter Lebensbereich und nur innerhalb der Ehe zu Fortpflanzungszwecken legitim. Alles was von der sexuellen Norm abwich, wurde geächtet und verfolgt, der erlaubte eheliche heterosexuelle Geschlechtsverkehr tabuisiert (Faulstich 1994). Pornographie wurde als dunkel, schmutzig und obszön repressiv in die Ecke gedrängt. Dass die Gesellschaft dennoch ein Ventil brauchte zeigen die erotisch konnotierten Gedichte und Epen sowie die Texte zahlloser Kirchenlieder dieser Zeit. Foucault zeigt, dass Ende des 16. Jahrhunderts trotz aller Tabus der Diskurs über die Sexualität intensiviert wurde:
„Die modernen Gesellschaften zeichnen sich nicht dadurch aus, daß(!) sie den Sex ins Dunkel verbannen, sondern daß(!) sie unablässig von ihm sprechen und ihn als das(!) geltend machen.“ (Foucault 1983, S.49)
Erstaunlich ist, dass gerade im prüden Viktorianischen Zeitalter die Pornographie eine erste Hochzeit hatte; wenn auch nur für wohlhabende Bürger erschwinglich, kursierten unter anderem Titel wie die aus dem vorangegangenen Kapitel vornehm als „Erotika“ betitelten Werke unter der haute volée.
Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden Werke allein auf Grund der Tatsache zensiert, dass sie die Beschreibung sexueller Handlungen enthielten (Bremme 1990, S.5ff). Ein Beispiel dafür ist der Roman „Lady Chatterley“, der zwar bereits in den 20er Jahren entstand, aber erst in den 60ern in Großbritannien publiziert werden durfte. Dabei war der Roman für den Schriftsteller Lawrence keinesfalls pornographisch. Er vertritt die Meinung, dass „die Hälfte aller großen Gedichte, Gemälde, Musikwerke und Erzählungen der ganzen Welt […] nur dank der Schönheit ihres Sex-Appeals so großartig“ sei, sowie Schönheit stets „durchtränkt“ sei von „Sex-Appeal oder geschlechtlicher Anregung oder wie man es sonst nennen mag.“ (Lawrence 1971, S.22f))
Lawrence verabscheut Pornographie und definiert sie wie folgt:
„Erstens stammt echte Pornographie immer aus der Verbrecherwelt – sie wagt sich nicht ins Freie. Zweitens kann man sie ausnahmslos daran erkennen, daß(!) sie die Geschlechtlichkeit und den menschlichen Geist beleidigt. Pornographie ist der Versuch, das Geschlecht zu beleidigen und mit Schmutz zu bewerfen.“ (Lawrence 1971, S.25f)
Heute ist Pornographie dagegen ein Phänomen, das – demokratisiert – alle Gesellschaftsschichten durchdringt und in ihren Bedürfnissen, Wünschen, aber auch Ängsten zur Sexualität sowohl bestätigt, als diese auch neu weckt. Dabei sind die gezeigten Darsteller und ihr Handeln die zu rezipierende Ware. Hierbei bedienen sich die Protagonisten sowohl ihrer selbst, wie auch anderer Darsteller, andererseits konsumiert der Rezipient das Dargestellte (Rose 1991). Hieß es in der vormedialen Zeit noch, „Man ist, was man isst“, könnte die Anpassung an die gegenwärtigen Verhältnisse heißen: „Man ist, was man an Medien konsumiert.“ Dabei wird nicht die biologische Natur des Menschen widergespiegelt, sondern nur die jeweils anerkannten Sitten; doch diese Normen können verletzt werden. Gorsen formulierte dazu:
„Die Pornographiedefinition ist ein kultureller Kompromiß(!) zwischen Geschlechtertrieb und Schamgefühl, die sich gegenseitig regulieren und die Grundlage jedes sinnlichen Bedürfnisses sind.“ (Gorsen 1987, S.57)
Die Untersuchung des Kulturproduktes „pornographischer Spielfilm“ bedeutet einen möglichen Einstieg zum Verständnis der spezifischen sexuellen Wünsche und Bedürfnisse im ausgehenden 20. Jahrhundert. Der pornographische Film muss in diesem Sinne als Produkt der westlichen Mediengesellschaft gewertet werden, weil sowohl seine Herstellung als auch sein Konsum nur unter ganz speziellen Voraussetzungen möglich ist. (Pastötter 1996) Neben den technisch-mechanischen, sind dies auch die soziokulturellen Eckwerte, auf die der dänische Soziologe Henning Bech hinweist:
„Auf diese Art hat die moderne Massenpornographie einen Wahrheitswert. Sie spiegelt den Aufstieg...