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Deutsche Kultur- und Sittengeschichte

Vorzeit und Mittelalter + Das Zeitalter der Reformation + Die neue Zeit: Das Christentum und die Völkerwanderung, Die höfisch-ritterliche Gesellschaft, Reform, Revolution und Reaktion...

AutorJohannes Scherr
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl542 Seiten
ISBN9788026850410
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Deutsche Kultur- und Sittengeschichte' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Inhalt: Vorzeit und Mittelalter Die Vorzeit Das Christentum und die Völkerwanderung Das karlingische und das ottonische Zeitalter Die Zeiten der fränkischen und der schwäbischen Kaiserdynastie Die höfisch-ritterliche Gesellschaft Die ritterlich-romantische Dichtung Die Kirche. Die Wissenschaft, die Kunst und das Theater Das Kriegswesen und das Rechtswesen Bürgertum und Bauerschaft Rückblick und Aussicht Das Zeitalter der Reformation Wiedergeburt Reform, Revolution und Reaktion Die materielle und die gesellige Kultur Das Kriegswesen Das Hofleben und die vornehme Bildung Das gelehrte Wesen und Unwesen Das Zauberwesen und der Hexenprozeß Die Kunst und die Literatur Die neue Zeit Die menschlich-freie Zeit Die deutsche Gesellschaft des 18. Jahrhunderts Das klassische Zeitalter deutscher Wissenschaft und Kunst Staat und Kirche Die Neuromantik und der Liberalismus Reichtum und Armut Schatten und Licht Gründung des Reiches Johannes Scherr (1817-1886) war ein deutscher Kulturhistoriker und Schriftsteller. Scherr legte eine Vielzahl kulturhistorischer Veröffentlichungen vor, von denen am einflussreichsten die Deutsche Kultur- und Sittengeschichte war.

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Leseprobe

Erstes Kapitel.
Die Vorzeit

Bild des Landes. – Abstammung, Urheimat und Name der Germanen. – Stellung zu Rom. – Abwerfung des römischen Joches. – Die »Germania« des Tacitus. – Volkszahl. – Die deutschen Stämme. – Waffen, Krieg und Jagd. – Gelage. – Viehzucht. – Besiedelungsart. – Tracht. – Die Frauen. – Deutsch-germanische Religion. – Nordisch-germanische Glaubenslehre. – Der Gottesdienst. – Orakeleinholung. – Lieder und Sagen. – Soziale und politische Verhältnisse. – Recht und Rechtspflege. – Totenbestattung.

Ein wundersam eigentümliches Gefühl muß uns anwandeln, so wir, im Geiste den Anblick festhaltend, welchen unser Land dermalen darbietet, zweitausend Jahre vor heute im Vogelflug über Germanien uns hingetragen denken. Da erschauen wir einen unermeßlichen Forst, aus dessen eintönig düsterer Fläche Gebirge hervorragen, bewaldeten Inseln gleich. Rauschende Wasser, welche die großen Stromgebiete entlang wandeln, um an öden Küsten in das Meer zu münden, sowie da und dort zerstreute Lichtungen, Rodungen und Ansiedlungen bringen doch nur eine spärliche Abwechslung in das Waldgemälde, dessen Mächtigkeit viel mit der des Ozeans gemein hat und wie diese den Eindruck des Erhabenen hervorzubringen vermag.

In diesen weiten und mit dem rauhen Klima nordischer Waldlandschaft behafteten Gebieten machten unsere Altvorderen den Tieren der Wildnis den Boden streitig, auf welchem der gewaltige Auerochs mit dem zottigen Bären um das Tierkönigtum stritt. Deutliche Erinnerung an dieses germanische Urwaldleben hat unsere uralten Waldgeruch atmende Tiersage bewahrt und überliefert.

Des deutschen Volkes Ursprung verliert sich in jene Märchenferne der Zeiten, deren Geheimnisse die rastlose Forschung unserer Tage zu durchdringen sich abmüht, aber noch lange nicht zu einer auch nur annähernd klaren Lösung gebracht hat. Außerordentlich wirksame Dienste hat zur Aufhellung vorzeitlicher Finsternisse bekanntlich die vergleichende Sprachenkunde geleistet, und ihren Nachweisungen insbesondere verdanken wir es, daß Herkommen und Urheimat der Germanen aus mythischem Dunkel allmählich in die geschichtliche Dämmerhelle herübertraten. Die Deutschen gelten für einen Zweig der großen indogermanischen Völkerfamilie, welche die Ostarier (Inder) und die Westarier (Iraner), ferner die Hellenen und Italiker, endlich Slawen, Kelten und Germanen umfaßt. Dorthin also, von wo der große Strom der arischen Familie ausgegangen, müßten wir unserer Väter Ursitz verlegen, auf die mittelasiatische Hochebene, über welche der Paropamisos oder Hindukusch emporsteigt, aus ewigen Schneelagern den Indus gen Süden, den Oxus gen Norden entsendend. Kaukasischer Rasse wäre unser Volk demnach und alpenhafter Urheimat. Der Sprache Wurzelgemeinschaft, der Weltanschauung idealistischer Grundton, vielfache Übereinstimmungen in Religion und Sitte, bezeugen allerdings mehr oder weniger bestimmt die »arische« Verwandtschaft. Bedeutsam auch weisen auf sie zurück die Einklänge altindischer und altdeutscher Heldensage, insbesondere die Ähnlichkeit des indischen Heros Karna mit dem deutschen Helden Siegfried.

Wann der germanische Sprößling vom indogermanischen Familienstamme sich abgezweigt habe, wann unsere Ahnen von dem arischen Urlande – welches übrigens statt im Quellengebiete des Oxus und Jaxartes neuestens auch viel weiter westwärts, nämlich in der litauisch-russischen Ebene, vermutet wird – ausgezogen und nach Europa hereingewandert sein mögen, ist mit etwelcher Bestimmtheit zu ermitteln bis jetzt nicht gelungen; immerhin aber mit einiger Wahrscheinlichkeit. Die Trennung der Germanen von der großen arischen Familie scheint stattgefunden zu haben, bevor die Arier vom nomadischen Hirtenleben zu seßhaftem Ackerbau übergingen. Diese Annahme stützt sich auf die deutliche Übereinstimmung des Sanskrit und des Deutschen in Sprachformen, welche auf die Viehzucht sich beziehen (z. B. sanskritisch uxan, deutsch Ochse – s. gô, die Kuh – s. varâha, althochd. barach, Schwein – s. hansa, d. Gans – s. avis, althochd. ouwi, Mutterschaf, u. a. m.), wogegen der Faden sprachlicher Übereinstimmung reißt, sowie man von den hirtlichen Bezeichnungen zu den ackerbäuerlichen vorschreitet. Da nun die ackerbauende Kultur der indischen und medopersischen (iranischen) Arier erst im oder nach dem 12. Jahrhundert v. Chr. eingetreten zu sein scheint, so ist daraus der Schluß gezogen worden, daß die Abzweigung und Westwärtswanderung der Germanen zu oder noch vor der bezeichneten Zeit stattgefunden haben müßte. In welchen Beziehungen die germanische Wanderung zu der hellenisch-italischen, zu der slawischen und keltischen gestanden, ist dunkel. Nur so viel scheint festzustehen, daß im Süden von Europa die Griechen und Italiker, im Mittellande die Kelten, ostwärts hinter ihnen die Slawen und im Norden die Germanen sich niederließen. Zu allem bislang Kundgegebenen ist aber, so man der Wahrheit getreu bleiben will, anzumerken, daß wir im Dunkel oder Zwielicht germanischer Vorzeit immer noch nur auf dem schwankenden Boden der Vermutungen, nicht auf dem festen unwidersprechlicher Tatsachen stehen. Alles, was wir über die Urheimat und die Urzeit der »Indogermanen«, wie über die Herwanderung der Schößlinge dieser großen Völkerfamilie, also der Hellenen und Italiker, der Kelten, Germanen und Slawen, aus Asien nach Europa wissen oder zu wissen glauben, sind nur Schlußfolgerungen aus sprach- und religionswissenschaftlichen Prämissen – Aufstellungen, welche wiederum entschiedenen Widerspruch gefunden haben, so entschiedenen, daß der, wie man meinte, unanzweifelbar feststehenden Tatsache des Indogermanentums selber nur der Wert einer Hypothese zuerkannt und die Einwanderung der bezeichneten vier großen Ableger des indogermanischen oder »arischen« Urstammes aus Asien nach Europa als gänzlich unerwiesen hingestellt worden ist. Die ur- und vorzeitlichen Geschicke unseres Volkes werden also noch lange der Gegenstand gelehrten Streites und vielleicht niemals Geschichte sein.

Was die Bezeichnung unseres Volkes und des mit ihm engverwandtschaftlich verbundenen skandinavischen als Germanen angeht, so ist dieser Name vielleicht ein Tribut, welchen die Nachbarn unserer Altvorderen ihrer kriegerischen Tugend zollten. Er ist nicht etwa, wie früher irrtümlich geschah, von dem lateinischen Wort germanus abzuleiten. Seine Bedeutung ist Speermänner, Wehrmänner, Kriegsmänner, denn das altdeutsche Wort Ger bedeutet einen Wurfspeer. Man hat auch den Versuch gemacht, den Namen Germanen von dem keltischen Wort gairm oder garm abzuleiten, welches Lärm bedeute, so daß die Kelten, welche mit dem germanischen Stamme der Tungern am Niederrhein zusammenstießen, ihnen den Namen Lärmer, Schreier, »Rufer in der Schlacht« gegeben hätten. Doch scheint man die Ableitung von Ger vorzuziehen. Eine neuere Vermutung ist, Germanen bedeute »Nachbarn«. Der ursprüngliche Nationalname der Germanen war wohl Teutonen, Deutsche, auf das Volk übertragen von seinem mythischen Stammvater Teut (Tuisto) oder besser Deut, zu welcher Schreibweise ja das im Altdeutschen zu Anfang des Wortes gebrauchte weiche Th mahnt. Seinen uraltmythischen Charakter erweist der Name Teut durch seine nahe sprachliche Verwandtschaft mit der Bezeichnung des Gottbegriffes in den indogermanischen Idiomen (deva, daêva, ϑεός, deus, diewas). Man hat jedoch »deutsch« auch hergeleitet von diet, althochd. diot (zum Volke gehörig, volksmäßig), sowie von diutan, d. h. deuten, verständlich machen. Das Dasein der deutschen Sprache als einer Nationalsprache, im Gegensatze zu den romanischen Idiomen, ist zuerst im Jahre 813 n. Chr. urkundlich bezeugt (»lingua theutisca, theotisca, theudisca, theodisca«). Erst im 10. Jahrhundert, zur Zeit Kaiser Ottos des Großen, ist übrigens der alle deutschen Stämme umfassende Nationalname »Deutsche (Theutonici, Theutones)« aufgekommen und allmählich bräuchlicher geworden. Der genannte Herrscher hieß zuerst urkundlich »Rex Theutonicorum«, König der Deutschen.

An die Vermutung, unsere Ahnen seien aus einem asiatisch-indogermanischen Ursitz nach Europa hergewandert, lehnt sich die weitere, dieser ihr Wanderzug habe zuvörderst Skandinavien zum Ziele genommen. In der skandinavischen Abgeschlossenheit habe sich altgermanisches Wesen länger und reiner erhalten als im Südgermanenland, d. h. in Deutschland, allwohin die Überfülle des Volkes von Skandinavien aus sich ergossen, mit gewaltsamer Westwärtsdrängung der Kelten. Wann aber das geschehen sein soll, darüber schweigt nicht nur die Geschichte, sondern auch die Sage. Vielleicht ist der Alpenübergang der Kimbrer und Teutonen, welcher hundert Jahre vor Christi Geburt geschah, als eine Folge des drängenden Lebens zu betrachten, womit das allmähliche Südwärtsrücken der Germanen die deutschen Wälder erfüllen mochte. Mit diesem berühmten Zuge zweier deutscher Volksstämme traten die Germanen zuerst deutlich auf die Bühne der Weltgeschichte. Zwar wandte des Marius Feldherrngenie und der römischen Legionen Disziplin den bedrohlichen Anfall der Nordländer diesmal noch Italien ab, aber das Unternehmen der Kimbrer und Teutonen war nur ein verfrühtes, gleichsam ein prophetisches Vorspiel der furchtbaren Heimsuchung, welche die Germanen später über Rom bringen sollten. Denkwürdig ist übrigens, daß schon unserer Altvorderen erster Auftritt auf der Weltgeschichtebühne, der kimbrisch-teutonische Wanderzug, durch einen Grundmangel deutschen Wesens gekennzeichnet wurde: durch den Mangel an politischem Verstand, Schick und Takt. Urahn Michel begann als tapferer Tolpatsch.

Die Geschichte Roms war damals die der Welt. Unserer Vorfahren erstes Auftreten...

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