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E-Book

Diagnose Magenkrebs

Eine Autobiographie

AutorHelmut Moldaschl
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783752819854
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Am Freitag, dem 10. September 2004 hatte ich es erfahren. Nun begann ein monatelanges Ringen um das Leben. Die Operation im Oktober und eine direkt nachfolgende Chemotherapie. Im September aber hatte ich mich bereits auf die Normalität ausgerichtet. Mit alltäglicher Ernährung, langen Radreisen, aber auch konsequenten medizinischen Untersuchungen, deren Ergebnisse freilich nicht immer ganz zufriedenstellend waren. Wenn Sie oder Freunde betroffen sind, dann rate ich ihnen, keine Zeit zu verlieren mit nutzlosen Versuchen. Vergessen Sie alle Homöopathen, vergessen Sie Mistel-Therapien oder Selen-Tabletten, sondern suchen Sie einen hervorragenden Chirurgen auf, den besten den Sie kriegen können. Dann werden Sie es schaffen. Andernfalls werden Sie sterben.

Helmut Moldaschl Jahrgang 1943 ist Physiker. Er lebt in Franken, Salzburg und Wien.

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Leseprobe

Wieso gerade ich?


Es gab keinen eigentlichen Beginn meiner Krankheit. Oder vielleicht doch und ich habe ihn nur nicht wahrgenommen. Vielleicht wollte oder konnte ich ihn auch nicht bemerken. Vielleicht waren es zunächst zu kleine Veränderungen, auf die ich hätte achten sollen. Vielleicht haben andere es mitbekommen, es mir aber nicht gesagt. Vielleicht waren es der Beruf, das Essen, das Umfeld, vielleicht nur nebensächliche, alltägliche Gewohnheiten. Stress. Ärger. Vielleicht hätte man, hätte man sollen, hätte man nicht dürfen, hätte man müssen ...

Vielleicht hätte man alles auch vermeiden können, indem man zur sogenannten Vorsorge ging. Ich war niemals bei der Vorsorge. Vor-Sorge war für mich stets gleichbedeutend mit Sorge, um die eigene scheinbar unverbrüchliche Gesundheit, die gar nicht das war, für das man sie stets gehalten hatte.

Und nun hatte ich mir zunächst natürlich Vorwürfe gemacht. Andererseits hatte man mir später versichert, dass eine Vorsorge damals auch nichts geholfen hätte, weil sie die Situation eben nicht rechtzeitig zutage gefördert hätte, denn der Tumor hatte sich schließlich schon ansehnlich entwickelt.

Vielleicht wäre ich gar nicht mehr am Leben, wenn ich zur Vorsorge gegangen wäre, denn letztendlich hatte sich ja ohnedies alles nahtlos zum Guten gefügt. Und wäre es mit der Vorsorge abgelaufen?! Wer weiß das schon. Niemand konnte es wissen, denn niemand kann zweimal dasselbe Leben leben.

Einerseits war da also der Schleier der Ungewissheit, der sich über die Versäumnisse der Vergangenheit gelegt hatte, andererseits die Gewissheit dieser schrecklichen Krankheit und eines zweifelsfrei lebensbedrohlichen Zustands.

Dazu gab es keine Ausrede mehr, keine Ausflucht. Der Zustand war respektlos definitiv, verbunden mit der ebenso respektlosdefinitiven Aussicht, dass nun alles bald zu Ende sein könnte oder sogar sein würde.

Verbunden mit Unsicherheit und Angst, ob und wie man mit all dem fertig würde, was nun auf einen zukäme, wo man doch schon so viel Fürchterliches darüber gehört hatte. Verbunden mit der Furcht vor diesen vielen unbekannten Maßnahmen, die auf einen warteten, der Furcht vor dem Krankenhaus, der Operation, der Chemotherapie – den Torturen. Verbunden mit der Frage, wie lange der Todeskampf dauern würde. Jahre, Monate, Wochen? Und was dann mit den Angehörigen würde. Mit der Frau, den Kindern.

Es war wie die Begegnung mit einem Raubtier im ruhigduftenden Wald scheinbar immerwährender Gesundheit, und die Ungewissheit, was alles in der unmittelbaren und in der ferneren Zukunft sein würde. Das alles war für mich zunächst mindestens genau so belastend wie die Krankheit selbst.

Ich hatte demzufolge beschlossen, alle kräftezehrenden Einflüsse so weit wie möglich zu identifizieren, zu analysieren und zu eliminieren und alle meine physischen und psychischen Kräfte für den Ringkampf mit meinem neuen, ungebetenen Gast Krebs einzusetzen.

Diesen ungewollten Besucher habe ich damals bewusst nicht Feind genannt, ich habe ihn offiziell als Sparringspartner bezeichnet, auch in meinen zahlreichen Diskussionen mit den Ärzten. Ich habe mich als Projekt definiert, was die Leute zu verlegenem Schmunzeln bewogen hat, aber damit habe ich diesen Gast gedanklich von Anfang an personifiziert und aus meinem Körper verbannt.

Er durfte nicht ein Teil von mir werden. Er war und blieb ein Unerwünschter. Nicht mehr, aber leider auch nicht weniger.

Er sollte mich nicht einschüchtern. Mein primäres Ziel war, mit jeder Form von Angst fertig zu werden. Denn Angst könnte ein unangenehmer Begleiter der Krankheit werden. Angst würde auszehren, würde einen Großteil meiner Kräfte rauben.

Ich habe ohnedies immer Sport getrieben, bin in den Alpen gewandert, mit dem Rad gefahren. Wir haben über viele Jahre einen Hund gehabt, der uns bei gutem und schlechtem Wetter auf Trab gehalten hat, sind also sehr viel an der frischen Luft. Eigentlich durfte ich darüber gar nicht krank geworden sein.

Mein Leben hat sich bisher nicht großartig vom Dasein der meisten Menschen unterschieden. Ich habe in Wien Physik, Mathematik, Psychologie und Violine studiert, bin nach dem Studium in ein großes Unternehmen in Deutschland eingetreten und habe dorthin mein Wissen verkauft, bin über Jahrzehnte einem normalen Beruf nachgegangen. Die Arbeit hat die meiste Zeit Spaß gemacht. Die Violine hat mich mein ganzes Leben begleitet und mir besonders in anstrengenden Zeiten Entspannung und Freude bereitet.

Es gab in der Zeit vor der Krankheit keine von mir als außergewöhnlich empfundenen Spannungen, aus denen ich irgendetwas hätte ableiten können. Oder vielleicht doch … Im Nachhinein erinnerte ich welche, sogar regelmäßige. Aber ich wollte doch eigentlich nichts ableiten. Es hatte gelegentlich Ärger gegeben, wie es eben überall Ärger gibt. Besonders, wenn meine Identifikation mit einer Sache außergewöhnlich intensiv und ich der Meinung war, etwas durchsetzen zu müssen. Dann hatte ich schon gespürt, dass dafür Ressourcen der besonderen Art einzusetzen waren. Auch familiäre Spannungen hatten zu meiner Gesundheit nicht gerade positiv beigetragen.

Jedenfalls habe ich faktisch nicht geraucht, in der Jugend, vielleicht insgesamt eine Schachtel Zigaretten, habe kaum scharfe Alkoholika getrunken, höchstens ab und zu ein Glas Wein und auch sonst habe ich nicht über die Stränge geschlagen.

Schon sagen einige Leute: Und? Was hast du jetzt davon! Hättest du gequalmt und gesoffen, dann hättest du wenigstens vorher etwas vom Leben gehabt.

Jedenfalls war ich vor dieser Sache nicht ernsthaft krank gewesen. Probleme mit meinen Zähnen hatte ich allemal und ich hatte sie bis zur Operation. Sie haben mich aufgrund einer Zahnfehlstellung seit meiner Jugend fortwährend gepeinigt und auch viel Geld gekostet. Ich bin bei vielen Zahnärzten und Österreich und Deutschland ein- und ausgegangen.

Es war aber niemals etwas wirklich Ernstes. Ich konnte immer normal essen. Ein selbst behandelter Furunkel an einem Oberschenkel hat mich vor vielleicht zehn, fünfzehn Jahren unglaublich lange dreizehn Wochen vorübergehend in einen akut lebensgefährlichen Zustand gebracht. Daran erinnere ich mich noch gut. Wie gesagt, das war der ‚Erfolg’ meiner Selbstbehandlung. Aber von solch läppischen Dingen habe ich mich immer distanziert. Sonst war außer leichten Erkältungen praktisch nichts. Oder?

Eine Pilzerkrankung an einem Zehennagel vor etwa fünf Jahren. War das schon ein Hinweis auf etwas Außergewöhnliches? Ich habe sie einige Wochen lang etwas lässig mit Nageltropfen behandelt. Das hat nichts gefruchtet, also war ich in der Hautklinik, hatte mich dort untersuchen lassen, mich informiert und auf eigenes Risiko eine Anti-Pilz-Kur durchgeführt. Nach jeder Etappe wurde eine Blutuntersuchung vorgenommen und bei negativem Befund, also bei keiner krankhaften Veränderung eines Blutwertes, die Heilbehandlung nach einer Pause von 14 Tagen wieder fortgesetzt. Das Ergebnis dieser Untersuchung war schon nach der ersten Etappe angeblich bestens. Ihr Blut möchten wir haben, hatten die Ärzte der Hautklinik gesagt.

An eine geringfügige Irritation des Magens nach der zweiten Etappe allerdings kann ich mich heute noch erinnern. Diese Verstimmung habe ich während des Verfahrens in der Klinik zu Protokoll gegeben. Eine ärztliche Reaktion in Richtung Abbruch der Behandlung erfolgte nicht und war nach meiner Einschätzung auch nicht erforderlich. Dennoch habe ich selbst die Behandlung nach diesen beiden Etappen mit Einverständnis der Ärzte abgebrochen, da der Nagel schon scheinbar gesund nachgewachsen war.

Die Ärzte behaupteten damals und verschiedene andere Ärzte meinen auch heute noch unabhängig voneinander, dass die erwähnte Irritation nicht vom Medikament gekommen sei. Eine allgemeine gesundheitliche Beeinträchtigung war jedenfalls vorhanden und ich habe sie weder ganz ignoriert noch vollständig verdrängt. Sonst hätte ich die Behandlung nicht nach einiger Zeit aus freien Stücken abgebrochen.

Und dann war da die Geschichte mit der Synkope einige Jahre vor der Krebsdiagnose. Damit bezeichnet man einen mehr oder weniger spontanen Schwächeanfall mit gegebenenfalls kurzzeitiger Bewusstlosigkeit. Meine Frau war für einige Tage verreist gewesen, und ich hatte diese Zeit verwendet, um daheim wichtige Dinge zu erledigen, hatte einen leichten grippalen Infekt, war den ganzen Tag vor dem Computer gesessen, ohne etwas gegessen zu haben. Die Synkope war just an diesem Tag in einem Restaurant aufgetreten, das ich mit meinem Freund Axel besuchte. Schon vor dem Restaurantbesuch war mir nicht ganz wohl. Es geschah dann während des Essens. Die Töne im Lokal wurden immer dumpfer, ich verstand meinen Freund immer weniger und war so lange tapfer, bis ich letztendlich für etwa eine Minute das Bewusstsein verloren hatte und erst aufwachte, als die Türen im Lokal durch ein Notarztteam aufgestoßen wurden.

Mit ihm war Frischluft hereingekommen. Die allgemeine Aufregung hielt sich in...

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