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Die Einstufung des Pflegegeldes.

Kritische Auseinandersetzung mit der novellierten Rechtslage durch das Budgetbegleitgesetz 2011 und Pflegegeldreformgesetz 2012, unter Berücksichtigung der aktuellen höchstgerichtlichen Judikatur

AutorAnna Weissmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl60 Seiten
ISBN9783656604143
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 1,0, Wirtschaftsuniversität Wien (Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht), Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Diplomarbeit ist eine logische und strukturierte Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der aktuellen novellierten Rechtslage des österreichischen Pflegegeldes. Nach einem Allgemeinen Teil, in welchem alle wesentlichen Rechtsgrundlagen erläutert werden, widmet sich der Spezielle Teil der 'Einstufungsproblematik' des Pflegegeldes im Detail. Abschließend werden potenzielle Verbesserungsvorschläge dargelegt und ein Resümee gezogen.

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Leseprobe

SPEZIELLER TEIL


 

Nachdem im Allgemeinen Teil die rechtlichen Grundsätze des Pflegegeldes sowie die Anspruchsvoraussetzungen dargestellt wurden, widmet sich der Spezielle Teil der Einstufungsproblematik.

 

1. Anspruchsvoraussetzungen


 

1.1 Monatlicher, durchschnittlich benötigter Pflegebedarf


 

Laut § 4 Abs 1 BPGG gebührt Pflegegeld bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen,[48] wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens 6 Monate andauern wird oder würde.

 

Aus § 4 Abs 2 des BPGG ergeben sich folgende weitere Voraussetzungen für die jeweilige Pflegegeldstufe:

 

 

Abbildung 5: Voraussetzungen für Pflegegeldeinstufung (Eigene Darstellung)

 

Somit lassen sich aus den §§ 3 und 4 BPGG folgende Voraussetzungen ableiten:

 

 Ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) für mindestens 6 Monate wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung,[49]

 

 es muss ein durchschnittlicher Pflegebedarf von mehr als 60 Stunden pro Monat gegeben sein,[50]

 

 und es muss der Pflegebedürftige in der Regel (auch während des Bezuges) seinen

 

gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.[51]

 

2. Die Pflegegeldeinstufung


 

2.1 Allgemeines


 

Die Bestimmungen des § 4 Abs 2 BPGG sowie die Regelungen der Einstufungsverordnung gehen grundsätzlich von einer funktionsbezogenen Einstufung des Pflegebedarfes aus. Neben diesem prinzipiellen Einstufungsverfahren besteht noch die Möglichkeit der „diagnosebezogenen“ Einstufung. Der Unterschied besteht darin, dass es bei der funktionsbezogenen Einstufung auf den zeitlichen durchschnittlichen Pflegeaufwand im Monat ankommt (bei den Stufen 5, 6 und 7 müssen noch zusätzliche Erfordernisse erfüllt werden), während es sich bei der diagnosebezogenen Einstufung um bestimmte Personengruppen handelt, welche besondere medizinische Voraussetzungen bzw. Diagnosen erfüllen. Bei dieser Gruppe handelt es sich um schwer behinderte Menschen, welche zur selbstständigen Lebensführung auf den aktiven Gebrach eines Rollstuhls angewiesen sind bzw hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind sind. Diese Gruppe umfasst Personen, welche nicht pflegebedürftig im klassischen Sinn sind, sondern denen eine medizinische eindeutige Diagnose zugeschrieben werden kann und daher bei der Einstufung ohne weitere Prüfung des individuellen Pflegeaufwandes, eine „Mindesteinstufung“ vorgenommen wird.[52]

 

Die Ermittlung des rein zeitlichen Pflegebedarfs im Rahmen der funktionsbezogenen Einstufung wird anhand von Richtwerten, Mindestwerten sowie Fixwerten vorgenommen. Richtwerte bzw. Mindestwerte werden bei einem zeitlichen Betreuungsaufwand (z.B für das An- und Auskleiden oder das Kochen) herangezogen, Fixwerte für den Zeitaufwand für Hilfsverrichtungen (z.B für das Einkaufen).[53] Diese Zeitvorgaben sollen eine einheitliche Beurteilung, welche Stufe des Pflegegeldes gebührt, sicherstellen.[54] Die Grundlage der Entscheidung über die (Erst)-Zuerkennung von Pflegegeld bildet jedenfalls ein ärztliches Sachverständigengutachten, welches noch in Punkt 3 ausführlich dargelegt und diskutiert wird. Der Entscheidung über die Neubemessung des Pflegegeldes kann seit 1.1.2012 auch ein Sachverständigengutachten von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zugrunde gelegt werden.[55]

 

2.2 Funktionsbezogene Einstufung


 

Die gesetzliche Grundlage hierfür bilden § 4 BPGG sowie die §§ 1 ff EinstV. Laut § 4 Abs 1 BPGG, wie schon oben angeführt, gebührt das Pflegegeld bei Zutreffen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen, wenn auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird oder würde.

 

Weiters zu berücksichtigen sind die Weisungen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz entsprechend § 31 Abs 5 Z 23 ASVG idgF, welche für Sozialgerichte jedoch keine Geltung haben.[56]

 

Weiters gibt es noch andere Quellen, aus welchen zu entnehmen ist, was konkret unter den einzelnen Pflegeverrichtungen iSd Einstufungsverordnung zu verstehen ist. Zum einen ist hier die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte zu erwähnen, welche Aufschluss über Abgrenzungsfragen gibt, zum anderen gibt es die Richtlinien über die einheitliche Anwendung des Bundespflegegeldgesetzes (kurz: RPGG 2010). Ergänzungen bzw Konkretisierungen aus der einschlägigen Literatur[57] stellen weitere Quellen dar. Die Pensionsversicherungsanstalt hat für ihre sachverständigenden Ärzte eine Gutachterfibel zusammengestellt, welche die Definitionen aus Gesetzgebung und Literatur zusammenfasst und somit einen Arbeitsbehelf darstellen soll.

 

2.2.1 Betreuungsverrichtungen

 

Bei dem Betreuungsaufwand wird von Richt- bzw. Mindestwerten ausgegangen. Diese sind in der EinstV in § 1 Abs 3 (Richtwerte) und 4 (Mindestwerte) festgelegt.

 

Bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes ist von folgenden, auf einen Tag bezogenen, Richtwerten auszugehen:

 

 

Abbildung 6: Betreuungsbezogene Richtwerte

 

Diese angeführten Richtwerte stellen Durchschnittwerte dar[58] und können, im konkreten Einzelfall, über- als auch unterschritten werden, jedoch nur, wenn der tatsächliche Betreuungsbedarf erheblich, daher um annähernd die Hälfte, vom jeweiligen Richtwert abweicht.[59]

 

Ist bei schwankendem Gesundheitszustand nur eine tageweise Unterstützung bei den Betreuungsverrichtungen erforderlich, so ist der Zeitwert für die Anzahl von Tagen pro Monat zu berücksichtigen, an denen tatsächlich Pflegebedarf gegeben ist. Ist Pflegebedarf für gewisse Verrichtungen jeweils nur für einige Monate im Jahr gegeben, so ist der notwendige Betreuungsbedarf für diese Zeit zu ermitteln und auf das ganze Jahr aufzuteilen.[60]

 

Bei Personen mit einer schweren geistigen oder einer schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Erkrankung, ist ab dem vollendeten 15. Lebensjahr zusätzlich ein auf einen Monat bezogener fixer Zeitwert als Erschwerniszuschlag von 25 Stunden zu berücksichtigen.[61] Auf diesen besonderen Zuschlag wird noch in Punkt 2.6.1 genauer eingegangen.

 

2.2.1.1 Betreuungsbezogene Richtwerte

 

2.2.1.1.1 An- und Auskleiden

 

Der Richtwert beträgt 2x20 Minuten pro Tag bzw 20 Stunden pro Monat.[62]

 

Der für die Betreuung beim An- und Auskleiden vorgesehene Richtwert ist für das vollständige An- und Auskleiden mit üblicher Kleidung (einmal täglich auch mit Mantel, Ausgehschuhen und Kopfbedeckung) zu verstehen. Dabei ist zu prüfen, ob einfache Hilfsmittel verwendet werden können (z.B langer Schuhlöffel).[63]

 

Das tägliche komplette An- und Auskleiden von üblichen Kleidungsstücken, üblicherweise Morgens und Abends, wie Unterwäsche, Hose, Rock, Hemd, Bluse, Pullover, Mantel, Jacke und Schuhwerk, ist von diesem Richtwert umfasst. Dabei sind das Ausziehen von Nachtwäsche und das Anziehen von Tageskleidung als ein Vorgang zu bewerten.[64]

 

Benötigt der Pflegebedürftige aufgrund einer psychischen oder geistigen Behinderung Anleitung während des An- und Auskleidens, ist der Richtwert von 20 Stunden pro Monat als Pflegebedarf ebenfalls für das komplette An- und Auskleiden anzurechnen. Falls der Kleiderwechsel...

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