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E-Book

Die großen Reden der Weltgeschichte

AutorMartin Kaufhold
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783843802215
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Der Band bietet eine Auswahl berühmter Reden der Geschichte von der Antike bis in die Zeitgeschichte in neuer Übersetzung. Von der Gefallenenrede des Perikles bis zu Winston Churchills entschlossener Kampfansage an Hitlerdeutschland, von Moses bis zum Kardinal von Galen, von Martin Luther bis zu Martin Luther King bietet der Band große Redetexte mit einer historischen Einführung. Neben den klassischen Reden großer Männer enthält die Auswahl aber auch die historischen Reden großer Frauen: die Goldene Rede von Elizabeth I. und die erste Rede einer Frau in einem deutschen Parlament. Der Band wird durch eine kleine Auswahl bedeutender Reden in der Literatur abgerundet.Eine Auswahl berühmter Reden von der Antike bis zur Gegenwart in neuer Übersetzung.

Prof. Dr. Martin Kaufhold, Jahrgang 1963, studierte an der Universität Heidelberg Geschichte und Germanistik. 1985/86 verbrachte er als Fulbright-Stipendiat ein Jahr an der University of Maryland at College Park (USA). 1993 wurde Martin Kaufhold in Heidelberg promoviert, seine Habilitation in Heidelberg folgte im Jahr 2000. Seit dem Wintersemester 2003/2004 hat er den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Philologisch-Historischen Fakultät der Universität Augsburg inne.

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Leseprobe

PERIKLES


Die Gefallenenrede

(431/30 v. CHR.)

EINFÜHRUNG


Die Gefallenenrede des Perikles gehört zu den berühmtesten Reden der europäischen politischen Tradition. Mit Recht. Das Ideal eines freien, lebensbejahenden und dennoch nüchternen Gemeinwesens, das Perikles (ca. 500–429 v. Chr.) entwirft, erscheint auch aus dem Abstand von fast zweieinhalbtausend Jahren noch vorbildhaft. Es ist ein entspanntes Ideal, das dennoch den Härten der menschlichen Existenz und den Notwendigkeiten des menschlichen Zusammenlebens Rechnung trägt. Zwar verklärt Perikles das Gemeinwesen der Athener, aber da er gleichzeitig einen realistischen Blick auf seine toten Landsleute wirft, deren Schwächen im Leben er anspricht, bewahrt er ein ausgewogenes Maß. Dieses Maßhalten ist eines der zentralen Ideale der Athener, die er lobt. Das richtige Maß in den Bedingungen des menschlichen Zusammenlebens, dies erscheint als das besondere Anliegen der Rede des Perikles. Daher ist sie für eine Tradition, die das Menschenbild des Perikles teilt, so vielfältig interpretierbar. Ein Zitat aus dieser Rede ist dem Entwurf für die europäische Verfassung vorangestellt. Dabei bringt der Text durchaus Probleme mit sich. Das Lob des Todes im Krieg fällt uns heute aus guten Gründen schwer, und ein solches Lob bietet die Gelegenheit zu manchem Missbrauch (1944 wurde die Gefallenenrede in großer Auflage in Deutschland gedruckt – als die Gelegenheiten, toter Soldaten zu gedenken, immer furchtbarere Ausmaße annahmen). Das Lob auf Athen, das Perikles so überzeugend formulierte, schloss zudem die Herrschaft Athens über manchen Nachbarn ein, den die Athenische Dominanz nicht freute, sondern drückte. Die Althistoriker zitieren häufig die berühmte Feststellung in der Rede des Perikles, dass Athen „die Schule von Hellas sei“. Es war eine Schule, die nicht jeder freiwillig besuchte, und man wird nüchtern feststellen, dass eine solche Vorstellung in der Sache der berüchtigten Losung, dass am deutschen Wesen die Welt genesen solle, nicht ganz fern ist. Perikles formulierte freilich sehr viel eleganter als Wilhelm II. Und in einer Rede ist die Qualität einer Formulierung letztlich entscheidend.

Als Perikles die Rede auf die Gefallenen hielt, befand sich Athen im Krieg mit Sparta. Der sogenannte „Peloponnesische Krieg“ dauerte fast dreißig Jahre (431–404 v. Chr.) und er endete schließlich mit dem Sieg Spartas. Perikles hielt seine Rede auf die Gefallenen am Ende des ersten Kriegsjahres, als die Athener noch voller Siegeszuversicht waren. Wir kennen den Text seiner Rede und die Ereignisse des Peloponnesischen Krieges aus dem Geschichtswerk des Thukydides (454–396 v. Chr.), der eine Zeitlang selber eine wichtige Rolle in der athenischen Politik dieser Jahre spielte, bevor er wegen eines militärischen Misserfolges in das Exil gehen musste. Thukydides gilt als einer der wichtigsten Väter der Geschichtswissenschaft. Er erklärt zu Beginn des Werkes, wie er an seine Informationen gelangte: „Was aber tatsächlich geschah in dem Kriege, erlaubte ich mir nicht nach Auskünften des ersten besten aufzuschreiben, auch nicht ‚nach meinem Dafürhalten’, sondern bin Selbsterlebtem und Nachrichten von andern mit aller erreichbaren Genauigkeit bis ins einzelne nachgegangen. Mühsam war diese Forschung …“. Wir können also davon ausgehen, dass die Perikles-Rede, die Thukydides in seinem Werk wiedergibt, sorgfältig recherchiert worden ist. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Thukydides selber zugegen war, als Perikles die Gefallenen ehrte. Schließlich schilderte er selber das Begräbnis der Gefallenen als einen alten Brauch der Athener.

Das Werk des Thukydides über den Peloponnesischen Krieg bemüht sich nicht nur um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Ereignisse, sondern auch um eine Erklärung der Kräfte, die die Ereignisse bewirkten. Berühmt ist seine Unterscheidung zwischen dem Anlass des Krieges und seiner wahren Ursache: „Den wahrsten Grund freilich, zugleich den meistbeschwiegenen, sehe ich im Wachstum Athens, das die erschreckten Spartaner zum Krieg zwang.“

Tatsächlich war Athen im 5. Jahrhundert vor Christus zu einer bedeutenden Macht aufgestiegen, und die Rivalität mit Sparta hatte sich verschärft. In den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts hatten die Spartaner und die Athener gemeinsam und schließlich erfolgreich gegen die persischen Invasoren gekämpft. Von diesen Kriegen berichtet Herodot. In den Kriegen mit den Persern hatten sich die Kräfteverhältnisse zwischen Sparta und Athen allmählich verschoben. Das bis dahin dominante Sparta konnte seine Vormacht vor allem auf sein starkes Heer stützen. In den Kämpfen mit den Persern kam aber der neu gebauten Flotte der Athener eine immer größere Bedeutung zu, bis sie schließlich bei Salamis (480 v. Chr.) einen entscheidenden Sieg über die persische Flotte erringen konnte. Nur zwei Jahre später gründeten die Athener ein Städtebündnis auf der Grundlage ihrer Seemacht, aus dem die Mitglieder nicht mehr austreten konnten. Dieser Athenische Seebund stand Perikles vor Augen, als er das Lob der Athener sang. Perikles gilt als einer der großen politischen Figuren der griechischen Geschichte. „Solange er die Stadt in Frieden leitete, führte er sie mit Mäßigung und erhielt ihr ihre Sicherheit, und unter ihm wurde sie groß.“ (Thukydides). Perikles starb nur ein Jahr nachdem er die Rede gehalten hatte, an einer Epidemie, die sich in Athen im Gefolge des Krieges ausbreitete. Die Führung Athens wurde dadurch zum Problem, es kam zu Rivalitäten und Machtkämpfen. Die Stadt wechselte von einer defensiven Strategie zu einer offensiveren Kriegsführung. Diese Strategie führte letztlich zur Niederlage Athens. In ihrer klassischen Phase hatte die attische Polis eine Verfassung entwickelt, die für die Geschichte der politischen Ideen eine enorme Bedeutung erlangte und die bis in die demokratische Gegenwart eine Faszination behalten hat. In der Gefallenenrede des Perikles erhält diese urbane, das menschliche Maß bewahrende Form des Gemeinwesens eine eindrucksvolle ideale Darstellung.

REDE


Die meisten, die bisher hier gesprochen haben, rühmen den, der zuerst den alten Bräuchen diese Rede beifügte, weil es schicklich sei, am Grabe der Gefallenen sie zu sprechen. Mich aber würde es genug dünken, Männern, die ihren Wert durch ein Tun erwiesen haben, auch ihre Ehre durch ein Tun zu bezeugen, wie ihr es jetzt bei diesem öffentlichen Begängnis der Totenfeier seht, und nicht den Glauben an vieler Männer Heldentum zu gefährden durch einen einzigen guten oder minder guten Redner. Es ist nämlich schwer, das rechte Maß der Rede zu treffen, wo man auch die Vorstellungen, die jeder sich von der Wahrheit macht, kaum bestätigen kann: denn der wissende und wohlwollende Hörer wird gegenüber dem, was er erwartet und kennt, leicht etwas unvollkommen dargestellt finden, und der unkundige manches übertrieben, aus Neid, wenn er von Dingen hört, die seine Kraft übersteigen. Denn soweit ist Lob erträglich, das anderen gespendet wird, als jeder sich fähig dünkt, wie er’s gehört hat, auch zu handeln; was darüber hinausgeht, wird aus Neid auch nicht mehr geglaubt. Nachdem es aber den Ahnen sich bewährt hat, dass dies so recht sei, muss auch ich dem Brauche folgen und versuchen, jedem von Euch Wunsch und Erwartung zu erfüllen, so gut es geht.

Zunächst will ich unsrer Vorfahren gedenken … es ist wohl recht und auch geziemend, ihnen in solchem Augenblick die Ehre des Gedächtnisses zu erweisen. Denn die Freiheit dieses Landes haben sie, in der Aufeinanderfolge der Nachwachsenden immer die gleichen Bewohner, mit ihrer Kraft bis jetzt weitergegeben. So sind sie preiswürdig, und noch mehr als sie unsre Väter. Denn diese erwarben zu dem, was sie empfingen, noch unser ganzes Reich, nicht ohne Mühe, und haben es uns Heutigen mitvererbt. Das meiste davon haben jedoch wir selbst hier, die jetzt noch Lebenden, in unseren reifen Jahren ausgebaut und die Stadt in allem so ausgestattet, dass sie zu Krieg und Frieden sich selbst genügen kann. Was davon Kriegstaten sind, durch die Teil um Teil erworben wurde, oder wenn wir selbst oder unsere Väter alles daran gaben, einen fremdländischen oder griechischen Feind, der angriff, entschlossen abzuwehren, das will ich, um nicht weitschweifig von Bekanntem zu reden, beiseitelassen; aber aus welcher Gesinnung wir dazu gelangt sind, mit welcher Verfassung, durch welche Lebensform wir so groß wurden, das will ich darlegen, bevor ich dann zum Preis unserer Gefallenen mich wende … es ist diese Stunde, glaube ich, vielleicht ganz angemessen, dass dies ausgesprochen werde, und von Vorteil, wenn die ganze Menge von Bürgern und Fremden es anhört.

Die Verfassung, die wir haben, richtet sich nach keinen fremden Gesetzen; viel eher sind wir für sonst jemanden ein Vorbild als von anderen abhängig. Mit Namen heißt sie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf eine große Zahl gestellt ist, Volksherrschaft. Es haben aber nach dem Gesetz, in dem was den einzelnen angeht, alle gleichen Teil, und der Geltung...

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