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Erinnerungskultur auf der Iberischen Halbinsel: Die Aufarbeitung der Militärdiktaturen in Schrift, Bild und Ton

AutorCaroline Lohse
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783955497569
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Das geschichtliche Erbe eines Staates macht auch Jahrzehnte nach einschneidenden Ereignissen einen wesentlichen Bezugspunkt für aktuelle politische, soziale und kulturelle Entwicklungen im eigenen Land sowie im Dialog mit anderen Nationen aus. Dabei greifen die unterschiedlichen Gesellschaften auf jeweils spezifische Begebenheiten zurück und interpretieren diese nach jeweils anderen sozio-kulturellen Maßstäben. Am Beispiel dieser verschiedenen Erinnerungskulturen zeigt sich die Heterogenität unseres Kontinents sehr anschaulich. Diese Komplexität gelebter und empfundener Realitäten ist in Anbetracht der Bemühungen um eine immer tiefer greifende europäische Integration von wichtigem Stellenwert. Nationale Geschichten rücken damit in den Fokus einer gesamteuropäischen Aufmerksamkeit. Die Beschäftigung mit verschiedenen Identitäten und mit den unterschiedlichen Arten von Erinnerung hat daher an Bedeutung gewonnen. An diesem Punkt setzt vorliegende Studie an. Sie macht es sich zur Aufgabe, die Erinnerungskultur auf der Iberischen Halbinsel näher zu beleuchten. Dabei zielt die Untersuchung auf die Aufarbeitung der spanischen und portugiesischen Militärdiktaturen ab, welche wie im Falle Deutschlands zu einem elementaren Gegenstand der Vergangenheitsbewältigung dieser Länder geworden ist. Der Schwerpunkt liegt hierbei im künstlerisch-kulturellen Bereich. Grundlegend wird nämlich von der Auffassung ausgegangen, dass kulturelles Schaffen ein maßgeblicher Aspekt für die Ausbildung eines nationalen Gedächtnisses ist. Dabei werden nicht nur vielfältige Medien sondern ebenso mehrere Phasen der Erinnerungskultur untersucht. Deshalb stehen sich auf der einen Seite die Darstellungsformen Buch, Film, Gemälde und Musik gegenüber, auf der anderen Seite finden neben direkten Zeitzeugen auch die nachfolgenden Generationen Beachtung. Schlussendlich werden Unterschiede bei der Aufarbeitung von den Militärdiktaturen auf der Iberischen Halbinsel sowie Gemeinsamkeiten der spanischen und portugiesischen Erinnerungskultur gegenübergestellt und die jeweiligen Stärken und Schwächen herausgearbeitet. Aufgegriffen werden abschließend einerseits entscheidende Aspekte für nationale Gedächtnisse sowie die Idee einer europäischen Erinnerungsgemeinschaft andererseits.

Caroline Lohse (BA), geboren 1988 in Berlin, absolvierte ihr Studium der Kulturwissenschaft und Spanischen Philologie an der Universität Potsdam. Ihr besonderes Interesse galt dabei den Themen Erinnerung, Gedächtnis und Identität. Diese aktuell diskutiert

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4, Portugal, Salazar und der Novo Estado: Die von António de Oliveira Salazar als Neuer Staat (Novo Estado) bezeichnete Militärdiktatur in Portugal dauerte insgesamt 48 aufeinanderfolgende Jahre und wurde damit zur 'längsten der rechten Gewaltherrschaften im Europa des 20. Jahrhunderts'. Der Militärputsch Salazars vom 28. Mai des Jahres 1926 setzte die politisch instabile sowie wirtschaftlich schwache Erste Republik Portugals ab und machte den General zum neuen Finanzminister. Bereits nach weniger Zeit übte er die 'völlige Kontrolle über die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung' aus und wurde mit Unterstützung konservativer Militärs und Politiker im Juli 1932 schließlich zum neuen Regierungschef ernannt. Der damit einsetzende Salazarismus zeichnete sich durch die Fokussierung auf einen alleinigen Herrscher aus und war geprägt von dessen charismatischer Herrschaft. Grundlage des Militärregimes wurde eine neue Verfassung, welche komplett auf den Regierungschef zugeschnitten war und im Frühjahr 1933 in Kraft trat. Im Anschluss an die Machtübernahme zwischen 1926 und 1944 kam es ferner zu einer vom Staat koordinierten Industrialisierung sowie einer gleichzeitigen wachsenden internationalen Isolation. Das größte Augenmerk der portugiesischen Außenpolitik dieser Epoche lag nämlich auf der Verteidigung des kolonialen Reichs, welches als heilig verehrt und zum 'zentralen Bestandteil der nationalen Identität' gemacht wurde. Die als 'Überseeprovinzen' bezeichneten portugiesischen Gebiete außerhalb Europas sollten laut dem Kolonialakt (Acto Colonial) von 1930 dem Ziel dienen, fehlende aber dringend benötigte Rohstoffe an das so genannte Mutterland zu liefern, was im späteren Verlauf der Geschichte zu massiven Aufständen in den Kolonien führte. Die aus den Unruhen resultierenden Kolonialkriege im portugiesischsprachigen Afrika sollten schließlich zum ausschlaggebenden Grund für den Sturz der Diktatur im April 1974 werden. Bis dahin aber dominierte das Ein-Partei-System unter Salazar mit seiner União Nacional nicht nur das politische Portugal über vier Jahrzehnte, sondern ließ seine stark unterdrückte Bevölkerung auch unter der staatliche Gewalt leiden. So bündelten sich die repressiven Kräfte ab 1933 nach Vorbild der deutschen Gestapo in der Polícia de Vigilância e Defensa do Estado (PVDE), der späteren Polícia Internacional e de Defensa do Estado (PIDE). Mit dieser Staatspolizei baute sich der Salazarismus ein umfangreiches Informanten- und Spitzelnetz auf, welches die weitreichende 'Überwachung des öffentlichen und privaten Lebens' gewährleistete. Massenorganisationen wie die 1936 gegründete Legião Portuguesa dienten der Mobilisierung patriotischer Freiwilliger zur Verteidigung der Ideale und dem Territorium des Regimes. In deutlicher Anlehnung an die Hitlerjugend wurde im selben Jahr die Mocidade Portuguesa geschaffen, welche die 'Disziplinierung der Heranwachsenden im Sinne der <salazaristischen> Pädagogik' förderte und des Weiteren Kontrolle auf die Familien auszuüben vermochte. 4.1, Die Aufarbeitung der portugiesischen Militärdiktatur: Fast 50 Jahre lebten die Portugiesen in einem autoritären Staat, der von permanenter und uneingeschränkter Zensur, einer starken Propaganda sowie sozialer Kontrolle geprägt war. Am 25. April 1974 kam es unter der Führung des Movimento das Forças Armadas (dt.: Bewegung der Streitkräfte) zum Militärputsch. Nach der Machtübernahme seitens des eher konservativen Generals António de Spínola leitete dieser in der folgenden Revolutionszeit die Absetzung des Präsidenten sowie aller Mitglieder der Regierung, die Abschaffung der Nationalversammlung ebenso wie der Korporativkammer und des Staatsrates ebenso wie die Auflösung der Staatspolizei ein. Damit kamen die jungen, oftmals politisch unerfahrenen Militärfunktionäre der Revolutionsbewegung der gesellschaftlichen Forderung nach Abbau des repressiven Staatsapparats nach und öffnete auf diese Weise auch den Weg hin zu kulturellen wie auch sozialen Veränderungen im Land. Neben dem Straferlass jeglicher politischen Verbrechen oder begangener Disziplinarvergehen gehörte zum Programm der Bewegung die Befreiung politischer Gefangener. Es waren eben jene Überlebende der salazaristischen Konzentrationslager, die in den ersten Jahren nach dem Sturz der Diktatur die wichtigsten Erinnerungen zusammentrugen. Doch im Gegensatz zu den Zeitzeugen waren die politischen Vertreter der 1970er Jahre allgemein wenig interessiert an der Auseinandersetzung mit dem vorangegangenen Regime. Es herrschte also bis zur Regierung der Sozialisten 1995 politischer Konsens darüber, keinerlei institutionelle Erinnerung des Salazarismus oder der Nelkenrevolution zu fördern. Diese Haltung führte dazu, dass die Behandlung jener nationalen Epoche in allen Ebenen der staatlichen Bildung nahezu keine Beachtung fand und die bedeutenden Archive des Estado Novo verschlossen blieben. Erst mit Beginn der 1990er Jahre und den Vorbereitungen des 20. Jubiläums der Revolution hatte eine breitere, öffentliche Debatte über die Geschehnisse der Vergangenheit eingesetzt. So wurde in Lissabon beispielsweise ein Museum mit angegliederter Bibliothek zur Republik und zum Widerstand (Biblioteca Museu República e Resistência) eröffnet, welches sich bis heute mit der jüngeren Geschichte des Landes auseinandersetzt. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts schließlich kann man anhand der deutlich gestiegenen Zahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen über den salazaristischen Staat eine zunehmende, systematische Aufarbeitung der nationalen Geschichte ablesen. Im Fokus der Studien stand besonders die Analyse der politischen ebenso wie der ideologischen Ausrichtung des Salazarismus sowie dessen Auswirkungen auf den Lebensalltag der Portugiesen durch Propaganda oder den Unterdrückungsapparat des Regimes. Diese Debatten griffen auch unterschiedliche Stiftungen wie die Fundação Mário Soares oder die Fudação Humberto Delgado auf, die im Laufe der 1990er Jahre gegründet wurden und sich bis heute mit ihren Archiven, Ausstellungen und Veranstaltungen dem Erhalt und der Verbreitung des historischen Gedächtnisses widmen. Eine weitere Initiative im Zeichen der Erinnerungspolitik ist der Verein Não apaguem a Memória!, welcher seinen Ursprung in der gleichnamigen Bürgerbewegung hat. Diese hatte sich 2005 anlässlich des geplanten Abrisses des ehemaligen Hauptsitzes der Staatspolizei in Lissabon geformt und Druck auf regionale sowie nationale Autoritäten ausgeübt, um diesen Schritt zu verhindern. Die vermehrte Kritik an der diktatorischen Vergangenheit schlug sich auch in der verstärkten Produktion von Dokumentationen im öffentlichen Fernsehen und Rundfunk. Im Jahre 2010 erst war es die Regisseurin Susana de Sousa Dias, die mit ihrem Dokumentarfilm '48' die Erlebnisse der politischen Inhaftierten aus der Zeit der Militärdiktatur aufgriff: In einer Kombination aus den originalen Erkennungsfotos der Häftlinge und den von den Überlebenden selbst erzählten persönlichen Erinnerungen unternahm sie damit den Versuch, eine Diskussion innerhalb der zeitgenössischen Gesellschaft Portugals anzuregen. Während ihre Dokumentation auf internationale Resonanz stieß und sowohl in Paris als auch in Leipzig oder Argentinien Preise gewann, waren die Publikumsreaktionen in Portugal selbst jedoch sehr zurückhaltend. Ganz allgemein lässt sich hinsichtlich der portugiesischen Aufarbeitung ihrer langjährigen Militärdiktatur(erfahrung) festhalten, dass diese auf politischer Ebene sehr vorbildlich verlief. Im Gegensatz zu ihren spanischen Nachbarn entfernten die Portugiesen jegliches ideologische Erbe aus den politischen Ämtern und starteten somit einen demokratischen Neuanfang, nachdem das Regime Salazars beendet war. Möglicherweise hat diese vollständige Abkehr von der vorhergehenden Diktatur allerdings dazu geführt, dass jenes Kapitel nationaler Geschichte in der öffentlichen Wahrnehmung umgehend für abgeschlossen erachtet wurde. Dieser Umstand würde erklären, weswegen Portugal im Vergleich zu Spanien weit weniger Material zur Aufarbeitung und Bewältigung des Estado Novo vorweisen kann. Das portugiesische Kino beispielsweise hat sich bisher wenig an dieses Thema herangetraut. Gleichwohl haben sich Intellektuelle des Landes mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und diese kritisch kommentiert, beziehungsweise reflektiert. Im Folgenden sollen zwei greifbare Beispiele berücksichtigt werden.
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