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Otto v.Zwehl

Deutscher Artillerieoffizier, Handelskammersyndikus, 'Mischling' und Finnlandfreund

AutorLars Westerlund
VerlagAue-Säätiö
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl108 Seiten
ISBN9789526804248
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Otto v. Zwehl war einer der 15 Deutschen, die in Distanz zum Hitler-Stalin-Pakt im sowjetisch-finnischen Winterkrieg 1939/40 freiwillig auf der Seite Finnlands kämpften. 1918 war er mit den deutschen Interventionstruppen ins Land gekommen, hatte dort eine Familie gegründet und seit 1924 für die Deutsch-finnische Handelskammer gearbeitet. Deutschland aber bestrafte den 'Verräter' nicht, sondern setzte ihn im Fortsetzungskrieg (1941-1944) als Verbindungsoffizier ein. Er konnte nach dem Krieg nach Schweden gelangen und wurde 1953 deutscher Handelsattaché in Finnland. Otto v.Zwehls Persönlichkeit vereinigt viele Facetten -ein Mann der Zivilgesellschaft, aber Offizier in zwei Weltkriegen; zeitlebens deutscher Patriot, aber auch ein konsequenter Freund Finnlands. Von Hitler-Deutschland als 'Vierteljude' diskriminiert, vertrat er doch dessen Interessen, versuchte aber, radikalen Positionen die Spitze zu nehmen.

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Leseprobe

Otto v. Zwehl als Vereinsmitglied

Während der 1920er und 1930er Jahre war v. Zwehl in mehreren finnischen Vereinen tätig, auf die sich ein Blick zu werfen lohnt.

Finnisch-Deutsche Gesellschaft – Suomalais-Saksalainen Seura. Die Finnisch-Deutsche Gesellschaft wurde 1918 gegründet; v. Zwehls Schwager Carl Sanmark wurde 1923 Mitglied und gemeinsam mit v. Zwehl 1926 in den Vorstand gewählt. Letzterer wurde gleichzeitig unbezahlter Sekretär (ehrenamtlicher Schriftführer) und war bis zum Beginn des Jahres 1939 als solcher tätig.76 Er schreibt jedoch, dass von allen seinen Aufgaben die Tätigkeit als Sekretär die unangenehmste war, da er von Anfang an der Meinung war, dass das Organ des Vereins rein finnisch sein müsse und es dessen Aufgabe sein solle, für Deutschland in Finnland zu werben. Die Tätigkeit sollte sich deshalb auf Bürger Finnlands stützen, die aus Überzeugung arbeiteten und nicht von dazu abkommandierten Reichsdeutschen angeleitet wurden. Dies hatte zwei Konsequenzen für ihn. Zum ersten betrieb er als Deutscher keine Mitgliederwerbung unter finnischen Staatsbürgern, und zum zweiten versuchte er jedes Jahr, die Tätigkeit des Sekretärs abzugeben. Letzteres gelang jedoch erst nach 13 Jahren, als er von dem Arzt und Apotheker Karl Neydel, der Mitglied der NSDAP und als Vertreter für I.G. Farben in Finnland tätig war, abgelöst wurde.77

In der Forschungsliteratur wurde die Meinung vertreten, dass v. Zwehl eines derjenigen Vorstandsmitglieder war, die zu der Vermittlung von nationalsozialistischen Einflüssen in der Gesellschaft beitrugen.78 Der erste Kreisleiter Finnland der NSDAP, der Direktor der Kali Oy, Herbert Howaldt, war Vorstandsmitglied der Gesellschaft und v. Zwehl hatte auch in der Handelskammer mit ihm Kontakt, welcher Howaldt ebenfalls angehörte.79

Markku Jokisipilä, der die Geschichte der Finnisch-Deutschen Gesellschaft erforscht hat, nennt v. Zwehl jedoch nur nebenbei, ohne dessen Rolle irgendeine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dies ist vermutlich auch eine adäquate Beurteilung, denn es scheint, dass v. Zwehls Bedeutung für die Gesellschaft verhältnismäßig gering war.80

Otto v. Zwehl erzählt, dass die Tätigkeit der Gesellschaft in den Jahren 1918–1931 in der Praxis von ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Kommerzienrat Albert Goldbeck-Löwe geleitet wurde. Bis 1933 war Professor Waldemar Ruin Vorsitzender. Er war jedoch ein schwacher Organisator und auch bei den finnischsprachigen Mitgliedern weniger angesehen; nach seinem Tod wurde Professor Bernhard Wuolle zum neuen Vorsitzenden ernannt, als es galt, einen Finnischsprachigen zu finden, der IKL81 nicht allzu nahe stand. Eine hohe Meinung von Wuolle hatte v. Zwehl nicht, da es dem neuen Vorsitzenden an Initiative und Persönlichkeit fehlte. Die Mitgliederzahl der Gesellschaft sank laufend, und die Tätigkeit kam zum Erliegen. v. Zwehl schreibt: „Obwohl also die Gesellschaft völlig tot war, lebte sie doch alle 5 Jahre, wenn das alte Dreigestirn von 1918, General Rüdiger v. d. Goltz, Admiral Hugo Meurer und Freiherr August v. Brück wieder nach Finnland kamen, zu einem kurzen Scheinleben auf. Dann bot sie auch ein gutes gesellschaftliches Bild.“82

Das Büro der Deutschen Handelskammer am Bulevardi 13 fungierte 1934 auch als kostenloser Kanzleiraum für den Verein. Laut Britta Hiedanniemi wurden die Akten des Vereins über die 1930er Jahre vernichtet.83 Da aber die Protokolle und Abrechnungen für die Zeit von 1918 – 1931 und 1940–1944 vorhanden sind, handelt es sich vielleicht nicht um eine absichtliche Vernichtung der Unterlagen, von denen insgesamt ungefähr 30% fehlen.

Da v. Zwehl den Großteil der Zeit während der 1930er Jahre Sekretär war, ist es möglich, dass die Unterlagen bei ihm oder seinem Nachfolger Neydel verschwanden. Andererseits kann es sich kaum um einen Zufall handeln, dass das Mitgliederverzeichnis des Vereins fehlt. Dieses wurde 1944 entweder vernichtet oder versteckt, um die Mitglieder zu schützen.

Formell war v. Zwehl Vorstandsmitglied bis zur Herbstsitzung 1940, da er nicht wollte, dass sein Rücktritt als anti-deutsche Demonstration verstanden werden könnte. Vor der Herbstsitzung hatte der NSDAP-Kreisleiter Finnland, Wilhelm Jahre, gegen v. Zwehls eventuelle Wiederwahl protestiert, was v. Zwehl als unbefugte Einmischung in die Angelegenheiten eines rein finnischen Vereins betrachtete.84 Die Kanzleifunktion der Handelskammer für den Verein dürfte bereits zum Jahreswechsel 1939–1940 beendet worden sein.

Deutscher Schulverein. Otto v. Zwehl wurde 1924 in den Vorstand des Schulvereins der Deutschen Schule gewählt, die 1933 in das neu gebaute Hindenburghaus in der Malminkatu 14 in Helsinki einzog. Ab 1932 war er auch Mitglied des Arbeitsausschusses des Vorstands. Seine drei Töchter besuchten die Schule bis Ende 1939. v. Zwehl bezeichnete die Einrichtung als nahezu beispielhafte Musterschule, die jährlich eine Unterstützung des deutschen Staates in Höhe einer Summe entsprechend 600.000 Finnmark genoss. Rektor Philipp Krämer, „obwohl keine Kämpfernatur, oder vielleicht gerade deswegen, verstand es sehr gut, allzu aufdringliche Propaganda zu vermeiden und verschaffte der Schule und sich selbst einen ausgezeichneten Ruf in Finnland“. Nach dem Winterkrieg trat v. Zwehl aus dem Vorstand aus, weil er die anderen Vorstandsmitglieder nicht in Schwierigkeiten bringen wollte.85

Deutsche Kolonie. Die Deutsche Kolonie wurde 1935 als eine auslandsdeutsche und auch verdeckt nazistische Dachorganisation gegründet. v. Zwehl verfolgte die Gründung als Zuschauer und schreibt: „Als die Partei nach 1933 bald auch in Finnland begann, planmäßig alle Stellen mit Parteigenossen zu besetzen, entstanden auch hier, wie überall im Auslande, schwere Zusammenstöße mit den Auslandsdeutschen und Volksdeutschen. Die Partei gründete die ‚Deutsche Kolonie‘ in Finnland, der aber auch Volksdeutsche angehören konnten. Sie sollte ein Gegengewicht gegen den alten Deutschen Verein bilden, welcher nicht mit Unrecht vom nationalsozialistischen Standpunkt aus als reaktionär gelten konnte.

In diesem Kampfe trug allmählich die Deutsche Kolonie den Sieg davon. Ich nahm ebenfalls von Anfang an für die letztere Partei, da ich einen Widerstand für zwecklos und nur peinlich vor dem zuschauenden Ausland hielt“.86

Laut Hiedanniemi soll v. Zwehl Vorstandsvorsitzender gewesen sein. Dies war jedoch nicht der Fall, aber er war Mitglied der Kolonie. Als der Deutsche Ausschuss im April 1927 als ein Verband der deutschen Vereine in Finnland gegründet wurde, wurde v. Zwehl zum Sekretär des Ausschusses ernannt.87 Möglicherweise wäre er innerhalb der Deutschen Kolonie als Vorstandsmitglied denkbar gewesen, wofür er ohne Zweifel gute Voraussetzungen gehabt hätte, wurde aber als „Mischling“ von der nationalsozialistisch dominierten Leitung nicht akzeptiert. Auf jeden Fall ist es klar, dass v. Zwehl keinerlei herausragende Rolle in der Kolonie innehatte. Nach Beendigung des Winterkrieges, als die Mitgliedszeitung der Kolonie „Deutsche Warte“ wieder erschien, wurde sie nicht mehr an v. Zwehl gesandt, obgleich er nicht aus dem Verein ausgetreten war.88

Rotary Club Helsinki. Nach Aufforderung durch finnische Bekannte schloss sich v. Zwehl 1932 einem Rotary Club an. Wie es scheint, vermied er es, seine Kontaktpersonen und den Ort der Zusammenkünfte zu nennen. Wahrscheinlich handelte es sich jedoch um den im Jahre 1927 gegründeten Rotary Club Helsinki. Im Club bekam er auf jeden Fall wichtige Kontakte und schreibt, dass der Club äußerst demokratisch und britisch orientiert war, aber weniger politische Bedeutung hatte, als man sich in Deutschland vorstellte. Mitte der 1930er Jahre gab es fünf Rotary Clubs in Finnland mit vielleicht ca. 170 Mitgliedern. Der Helsinkier Club war der erste und größte, und die Rotary Clubs versammelten einen bedeutenden Anteil der Elite des Wirtschaftslebens. Im ersten Vorstand des Helsinkier Clubs waren z.B. Legationsrat Marcus Tollet und der Direktionsvorsitzende der Bank von Finnland und spätere Staatspräsident Risto Ryti, aber auch Professor Bernhard Wuolle, welcher später Vorsitzender der Finnisch-Deutschen Gesellschaft wurde. Hohe Militärs wie Marschall Mannerheim, die Generäle Erik Heinrichs, Väinö Valve und Harald Öhquist waren Mitglieder. Stark deutschorientierte Persönlichkeiten wie Pehr Evind Svinhufvud, die Professoren V.A. Koskenniemi und Rolf Witting, Direktor Arno Hohenthal und Dr. phil. C.A.J. Gadolin gehörten ebenfalls zu den Rotariern; Mannerheim und Svinhufvud waren Ehrenmitglieder.89

Das DNB versandte 1933 ein Formular, in welchem das Personal die Mitgliedschaft in Freimaurerlogen, Rotary Clubs u.ä. angeben sollte. Dann kam 1935 der Auftrag, dass alle Deutschen aus den Rotary...

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