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Rhetorik der Rechten

AutorFranziska Schutzbach
VerlagXanthippe Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl143 Seiten
ISBN9783905795615
Altersgruppe16 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,80 EUR
Rechte Weltanschauungen haben Aufschwung. Das hat verschiedene Gründe. Einer ist, dass eine spezifische rechtspopulistische Rhetorik rechte bis rechtsextreme Weltanschauungen wieder gesellschaftsfähig gemacht hat. Diese Rhetorik baut unter anderem darauf, die Grenzen zwischen Konservatismus und rechtsnationalistischen Positionen zu verwischen und extreme Positionen unkenntlich zu machen. Dadurch werden diese mit der bürgerlichen Mitte kompatibel. Teile dieser Mitte haben sich radikalisiert, ohne dass es "rechts" wirkte.

Franziska Schutzbach ist Geschlechterforscherin und Soziologin, sie lehrt und forscht an verschiedenen Universitäten. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Antifeminismus, Anti-Gender- und Anti-Gleichstellungs-Diskurse in Zusammenhang mit Rechtspopulismus.

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Leseprobe

Hintergrund

Was ist Rechtspopulismus?

Bevor ich zu einer Definition komme, sind die folgenden Gedanken wichtig: Rechtspopulismus ist mitnichten auf Parteipolitik begrenzt, sondern ein politisches Phänomen, das bei sehr unterschiedlichen AkteurInnen wie Parteien, Medien, einzelnen PublizistInnen, Bewegungen, Gruppen und Organisationen zum Vorschein kommt. Dabei sind rechtspopulistische Strategien nicht auf Rechte begrenzt, sondern werden teilweise auch im bürgerlich-konservativen Lager praktiziert, von christlich-fundamentalistischen AkteurInnen und Netzwerken, in maskulinistischen und antifeministischen Szenen, von Bewegungen wie der Besorgte Eltern e.V. und anderen.11

Wer, wie ich in diesem Buch, von rechtspopulistischer Rhetorik spricht, behauptet indirekt, dass sich rechtspopulistische Stilmittel unabhängig vom Inhalt analysieren liessen. Dem ist nicht so. Es geht sehr wohl um Inhalte, wie die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak ausführt.12 Der Titel dieses Buches bedarf also einer Präzisierung: Es geht um mehr als um rhetorische Inszenierungen, und rechtspopulistische Rhetorik lässt sich nicht unabhängig von ihrem Inhalt fassen. Rechtspopulistische Diskursstrategien setzen sich aus Form und Inhalt zusammen. Diese bilden eine Einheit und lassen sich nicht voneinander trennen. Zwar sind stilistische Inszenierungen nicht zu unterschätzen, diese sind allerdings auf die jeweils kommunizierten ideologischen Inhalte angewiesen.

Wie der Kulturwissenschaftler Dick Pels festhält, wäre es also falsch, zu denken, es gäbe keine Substanz hinter dem politischen Stil. «Gerade die dynamische Mischung aus Inhalt und Form hat der populistischen Politik in der heutigen Mediendemokratie eine führende Position bei den Wählern verschafft».13

Damit ist Rechtspopulismus als politisches Phänomen allerdings noch nicht ausreichend definiert. Welche Inhalte, Stile und Methoden gehören dazu, welche nicht? Wie muss man Rechtspopulismus von rechts- beziehungsweise nationalkonservativen oder rechtsextremen Positionen und Parteien unterscheiden? Oder fallen diese in eins?

In der aktuellen Forschung ist umstritten, wie Rechtspopulismus genau definiert werden sollte. Einige AutorInnen sind der Auffassung, dass der Populismus eine Art zusätzliches Merkmal, ein besonderer Politikstil von Parteien der extremen Rechten ist. Andere definieren Rechtspopulismus als eigenständigen Politikbeziehungsweise Parteitypus. Manche ForscherInnen wiederum lehnen den Begriff Rechtspopulismus ab, weil er nicht präzis genug fassen kann, was genau gemeint ist, und weil er sehr unterschiedliche Phänomene über einen Kamm zu scheren droht.

Viele RechtspopulistInnen geben sich nicht (mehr) als Aussenseiter vom rechten Rand, sondern als VerteidigerInnen der liberalen Demokratie. Das hat dazu geführt, dass die Verwendung des Labels «Rechtspopulismus» gemeinhin mit der Einschätzung verbunden wird, dass entsprechende Parteien und AkteurInnen nicht verfassungsfeindlich agieren und somit als potenziell koalitionsfähig gelten können. Manche ExpertInnen kritisieren deshalb den Begriff des Rechtspopulismus auch als verharmlosend, zumal es innerhalb einiger rechtspopulistischer Parteien erwiesenermassen Positionen gibt, die auf die Abschaffung der liberalen Demokratie zielen.14

Tatsächlich erweist sich Rechtspopulismus als äusserst wandlungsfähig. Meines Erachtens ist der Begriff gerade deshalb sinnvoll, weil er etwas beschreibt, das schwer greifbar, wandlungsfähig und schillernd ist. Es ist ein Merkmal rechtspopulistischer Agitation, sich klaren Definitionen zu entziehen und sowohl Grenzen zwischen Inhalt und Form, vor allem aber auch zwischen konservativen, rechten, rechtsextremen, nationalkonservativen, rechtskonservativen, bürgerlichen und liberalen Positionen systematisch zu verwischen. Gerade dadurch ist Rechtspopulismus gesellschaftsfähig und mit der bürgerlichen Mitte kompatibel. Rechtspopulismus ist also eine Art Querschnittkategorie.

Zum Extremismus verhält er sich folgendermassen: Rechtspopulismus ist nicht einfach die Form rechtsextremer Ideologie im demokratischen Gewand. Rechtspopulismus fällt mit Rechtsextremismus nicht automatisch in eins. Das bedeutet aber nicht, dass er nichts mit ihm zu tun hat. Tatsächlich haben Rechtspopulismus und Rechtsextremismus zahlreiche Schnittmengen, sie sollten weder kategorisch getrennt noch undifferenziert gleichgesetzt werden.15

Trotz dieser komplexen und uneindeutigen Lage hat sich in den letzten Jahren in der theoretischen Konzeptualisierung von Rechtspopulismus die Ansicht durchgesetzt, dass Rechtspopulismus auch als eine eigenständige analytische Kategorie mit spezifischen inhaltlichen wie rhetorischen Charakteristika betrachtet werden muss. Davon ausgehend, präsentiert dieses Buch 20 übergreifende Charakteristika rechtspopulistischer Rhetorik. Die Punkte sind aufgrund der erwähnten schillernden Mischung aus Inhalt und Form nicht alle auf derselben Ebene angesiedelt. Die verschiedenen Ebenen, das heisst die inhaltliche und die stilistische, sind notwendig, um diesem facettenreichen Gegenstand gerecht zu werden. So sind einige der angeführten Punkte eher Ausdruck rechtspopulistischer Inhalte, denen eine gewisse Rhetorik zugrunde liegt. Andere sind tatsächlich rhetorische Tricks, die politische Erfolge ermöglichen. Wieder andere sind längerfristige, (meta)politische Vorgehensweisen. Zusammen formen sie das Phänomen des Rechtspopulismus.

Für den rechten Populismus können die folgenden Parameter ausgemacht werden, die ich im Hauptteil ausführlich behandeln werde:

1. «Das Volk» gegen «die Eliten»

Rechtspopulistische Rhetorik gibt vor, die Interessen des «einfachen Volkes» gegenüber «den Eliten» oder «dem Establishment» zu vertreten. Dabei wird eine homogene Vorstellung von «Volk» stark gemacht.

2. Konstruktion von Konflikten

Das Schüren von Konfliktlinien und die Etablierung von Freund-Feind-Schemata machen es möglich, die Anliegen «des Volkes» über die «der anderen» zu stellen.

3. Ethnopluralismus anstelle von Rassismus

Der Rechtspopulismus distanziert sich vom klassischen, biologistischen Rassismus und stützt sich stattdessen auf scheinbar unverdächtige Konzepte wie «kulturelle Identität».

4. Emotionen statt Argumente

Rechtspopulismus setzt nicht auf Argumente, sondern auf Empörung, Hass, Angst und Ressentiments.

5. Rhetorik der Angst

Von allen Emotionen, die der Rechtspopulismus adressiert, ist Angst die wichtigste. Es werden Szenarien konstruiert, denen zufolge «das Volk» oder «die Heimat» von inneren oder äusseren Feinden bedroht sind.

6. Erweiterung des Sagbaren

Mit sogenannten Tabubrüchen erweitern RechtspopulistInnen die Grenzen des Sagbaren, inszenieren sich selbst als Opfer und bereiten damit den Boden für eine verzerrte Darstellung der Wirklichkeit.

7. Positionierung als seriöse DiskurspartnerInnen

Rechtspopulistische AgitatorInnen inszenieren sich als ausgewogen und seriös, indem sie beispielsweise Gäste aus dem konservativen, liberalen oder sogar linken Spektrum zu ihren Veranstaltungen einladen, sie als GastautorInnen anheuern, sie Repliken schreiben lassen oder sie interviewen.

8. Aufhebung des Links-rechts-Schemas

RechtspopulistInnen behaupten oft, «jenseits von rechts und links» zu stehen. Dadurch erscheinen ihre Positionen als unideologisch und vernünftig und ihre VertreterInnen als diejenigen mit dem «gesunden Menschenverstand».

9. Die Macht, Themen zu setzen

Durch Behauptungen und Pauschalisierungen werden andere dazu gezwungen, sich permanent am gesetzten Diskursrahmen und Themensetting abzuarbeiten.

10. Forderung nach (medialer) Meinungsvielfalt

Verbreitet wird die Auffassung, man müsse Rechtspopulismus permanent Aufmerksamkeit schenken – ansonsten sei man unausgewogen, gegen Meinungsvielfalt oder gar undemokratisch. Mit diesem Argument wird Dauerpräsenz in den Medien erzielt.

11. Diskussionsbereitschaft als Falle

RechtspopulistInnen inszenieren sich als diskursbereit und gehen davon aus, dass ihre KontrahentInnen darauf vertrauen, sie mit besseren Argumenten entkräften zu können.

12. Rechte Kulturrevolution

Gekämpft wird um das Meinungsmonopol und darum, den Resonanzraum für rechtes Gedankengut zu erweitern.

13. Forderung nach der «wahren Demokratie»

Rechtspopulistische Rhetorik gibt vor, Demokratie zu verteidigen, delegitimiert aber gleichzeitig demokratische Grundprinzipien.

14. Antiparlamentarismus

Das Parlament, das heisst die zentrale Institution repräsentativer Demokratie, wird lächerlich gemacht.

15. Gegen den Rechtsbruch, aber auch gegen den Rechtsstaat

Betont werden Recht und Verfassung, zeitgleich werden rechtsstaatliche Ordnungen in den Bereichen ausgehebelt, die RechtspopulistInnen nicht passen.

16. Gegen «Minderheitenterror» und Political Correctness

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