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E-Book

Wer braucht denn noch Sex?

Warum wir es immer seltener tun - und warum das nicht so schlimm ist

AutorJörg Zittlau
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783641129972
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Genuss oder lästige Pflicht - Bloß keinen Frust mit der Lust
Sex macht Spaß, oder? Studien und Umfragen zeigen jedoch, dass Sex für immer mehr Menschen nur noch eine lästige Pflicht ist - in den Betten herrschen Langeweile, Stress oder Leistungsdruck.

Der Wissenschaftsjournalist Jörg Zittlau erklärt die Ursachen für das langsame Verschwinden des Sexus, erläutert aber auch, warum wir darüber nicht jammern sollten: Das Fehlen von Sex bedeutet weniger Frust und Konflikte und stattdessen mehr Freiheit und Genuss. Kurz: No love, no war.

Ein amüsanter Appell zu einer heiteren Sicht auf eine Lust, die gerne so tut, als sei sie das Wichtigste auf der Welt.

  • Plädoyer für einen entspannten und realistischen Umgang mit dem Sex
  • Was Ehen wirklich zusammenhält - eine humorvolle Anleitung


Dr. Jörg Zittlau studierte Philosophie, Biologie und Sportmedizin. Er arbeitete in Lehre und und Forschung, wechselte 1992 zum Wissenschaftsjournalismus. Von ihm erschienen zahlreiche Bestseller zu Naturheilverfahren, Psychologie und Ernährung. Er lebt mit seiner Familie in Bremen.

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Leseprobe

Thrill is gone:

Der Sex stirbt aus

Nadja hat schon etwa zwei Jahre keinen Sex mehr. Sie hat sich um ihre Karriere als Unternehmensberaterin gekümmert, und für eine langfristige Beziehung war da kein Platz. Und für eine kurzfristige auch nicht. Die attraktive 35-Jährige setzt zwar in ihrem Beruf durchaus auf die Trumpfkarte Sex, indem sie sich mit ihren männlichen Kunden bewusst auf erotisches Geplänkel einlässt und deren Sekretärinnen per Gestik, Auftreten und Sprüchen klarmacht, dass sie nichts weiter als verstaubte Vorzimmerpomeranzen sind. Doch das ist das übliche Geplänkel einer Branche, in der nicht nur Erfolg sexy macht, sondern erotische Ausstrahlung auch Erfolgspotenzial verspricht. Aber zu »mehr« kommt es nicht. Egal, ob im Hotelzimmer oder in ihrem Luxusappartement: Nadja ist allein. Sie hat Freundinnen, mit denen sie über Männer lästert, aber keine Männer mehr, die Freundinnen und Lästereien entbehrlich machen.

Vor einiger Zeit dachte sie sogar daran, einen Callboy zu heuern, doch dann hat sie sich wieder von dieser Idee verabschiedet. Nicht, weil es zu teuer gewesen wäre, sondern aus Trotz. Sie ist ja wohl noch attraktiv und erst recht eloquent genug, um einen Kerl auch ohne Gage abzuschleppen, oder? Außerdem ist sie froh, wenn sie sich abends in ihre Badewanne legt, dass niemand mehr sonderliche Aktivitäten von ihr erwartet. Falls dann doch ein Verlangen in ihr hochkocht, kommt der Vibrator zum Einsatz. Den braucht man nur ein- und auszuschalten, und er redet keinen Schwachsinn und arbeitet absolut zuverlässig, sofern man ihn mit Batterien versorgt – aus rein funktionaler Sicht kann ein Mann da nur schwer mithalten.

Okay, das mag zynisch klingen. Und Nadja überlegt sich in letzter Zeit öfter, ob irgendetwas mit ihr nicht stimmt. Nicht zuletzt auch, weil ihre Freundinnen sie warnen: »Jetzt bist du noch knackig genug, dass du jemanden abkriegst. In ein paar Jahren wirst du jammern, dass dir nur noch der Vibrator geblieben ist.« Das klingt bedrohlich. Andererseits denkt sich Nadja, was eigentlich schlimmer werden sollte. Denn sie kommt jetzt schon ohne Sex ganz gut klar, und warum sollte ihr das nicht auch später gelingen, wenn der Trieb immer mehr erlischt? Aber gut! Als Frau in den besten Jahren sollte sie vielleicht noch einmal auf die Piste gehen, um sich einen Kerl aufzureißen. Das gehört einfach zur Psychohygiene! Aber das kann man ja auch noch morgen machen. Beziehungsweise im Anschluss an die kommende Woche, wenn sie den Deal mit den nervig-nerdigen Softwaretypen eingetütet hat. Heute jedenfalls nicht mehr. Und dann lässt sich Katja das Badewasser ein, und der Vibrator bekommt eine neue Batterie.

Sven besitzt keinen Vibrator. Aber er kennt sich damit aus. Denn in den einschlägigen Filmen, die er sich täglich am PC-Monitor anschaut, spielen solche Geräte eine wichtige Rolle. Der 21-jährige BWL-Student weiß nicht, wie viele Stunden täglich er zwecks virtueller Sexaktivitäten im Internet surft. Zwei, drei und am Wochenende auch mal sechs? Vermutlich ist er schon süchtig, aber noch leidet sein Studium nicht darunter. Die letzten Scheine hat er eingesackt, zwar nicht mit Bravour, aber immerhin. Sozial ist Sven auch noch nicht auf dem Abstellgleis. Er geht noch mit Kumpels einen trinken, man guckt zusammen Fußball, und manchmal gibt es auch Partys. Da sind dann auch Mädchen, doch die interessieren Sven eher wenig. Zu anstrengend. Selbst diejenigen Exemplare, die gar nicht groß reden wollen, sondern direkt »zur Sache« kommen. Sie wollen beim Sex auch auf ihre Kosten kommen, und das steht ihnen ja auch zu, doch dazu können sie sich jemand anders suchen. Denn Sven bevorzugt den straight-berechenbaren Sex am PC-Monitor, da kann er sich genau das heraussuchen, was er braucht. Wobei er nicht nur die professionellen Pornos mit den muskelgestählten Dauerrammlern und silikongepolsterten Nymphomaninnen nutzt, sondern auch die Clips, die »ganz normale« Pärchen von sich ins Netz gestellt haben. Verspüren diese Leute eigentlich eine besondere Lust, wenn ihnen solche kaputten Typen wie Sven dabei zugucken?

Und dass er kaputt ist, darüber kann es kaum Zweifel geben. Jedenfalls würden das alle sagen, wenn sie wüssten, dass Sven im virtuellen Sexkosmos abgetaucht ist. Doch das weiß ja niemand. Es gibt keinen Menschen, den Sven darin eingeweiht hat. Obwohl er sich manchmal schon Gedanken darüber macht, warum er solch ein Geheimnis darum macht. Denn prinzipiell tut er nichts Schlimmes. Er befriedigt seinen Trieb, ohne irgendjemanden dabei zu behelligen. Kein Mädchen, keinen Jungen und erst recht keine Kinder. Ist er deswegen abartig? Vielleicht ein bisschen aus der Art geschlagen – aber abartig? Und dann tröstet er sich, dass er gerade mal 21 ist. Vielleicht schwebt ja doch noch irgendwann einmal ein leibhaftiges Mädchen in seinen Kosmos. Die ihn berührt, die er berührt. Die Natur habe das ausdrücklich so vorgesehen, sagt man. Aber das hat noch Zeit. Jetzt fährt Sven erst einmal den Computer hoch. Er hört das Brummen des Ventilators und die Windows-Musik, sobald das Betriebssystem hochgefahren ist – und das reicht bereits, um ihn zu erregen. Es gibt noch kein Gestöhne und Gekreische, noch nicht einmal die zielorientierten Ankündigungen der Protagonisten (»O Baby, das Harte muss ins Weiche«), sondern nur einen PC, der sich auf einen Mehrstundeneinsatz vorbereitet – und trotzdem hat Sven eine Erektion. Keine Zweifel, denkt er sich, das ist kaputt. Aber fürs Reparieren ist morgen noch Zeit genug.

Arthur und Hertha haben hingegen nicht mehr viel Zeit zum Reparieren. Sie sind seit fast 60 Jahren verheiratet; er ist 82, sie 79 Jahre alt. Pünktlich zu seinem Renteneintritt hatte er beschlossen, nichts mehr zu tun. Er habe genug geschuftet, sagte er, und nun sei es Zeit, die Rendite dafür einzufahren. Und so macht er seit fast zwei Jahrzehnten rein gar nichts mehr. Er bewegt sich nicht, geht nicht einmal spazieren, pflegt weder Hobbys (»Da kann man doch nichts mit verdienen!«) noch soziale Kontakte (»Reden doch eh alle nur Scheiß!«), verbringt seinen Tag mit Schlafen, Essen, Schlafen, Fernsehgucken, Essen und erneutem Schlafen. Er wird dadurch immer dicker und schweratmiger, die Beine haben Elenfantenmaße angenommen, nach medizinischem Ermessen müsste er schon längst tot sein. Doch er lebt, und das ist schon ein Problem für Hertha, die gerne noch etwas unternehmen würde. Reisen, Kino oder auch einfach nur spazieren gehen. Hin und wieder schleicht sie sich zu ihren Frauengruppen fort, in denen man zusammen das Gedächtnis trainiert und den Körper mit Gymnastik pflegt. Arthur steht diesen »Weiberkinkerlitzchen« absolut verständnislos gegenüber, macht seiner Hertha den Vorwurf, dass sie ihn vernachlässigen würde.

Einmal, bei einem der Frauentreffen, fragte eine der Teilnehmerinnen: »Hört mal. Hat eigentlich noch irgendjemand von euch Sex?« Es brauchte eine gewisse Zeit, bis die erste Antwort kam: »Ich hab ja niemanden mehr dafür. Mein Mann kann schon seit 20 Jahren nicht mehr – soll ich ihn deshalb verlassen?« Worauf eine andere Frau einwarf: »Mein Mann kann immer noch – soll ich ihn deshalb verlassen?« Gelächter, und Lachen ist immer gut, um Spannung aus einem Thema zu nehmen. Nichtsdestoweniger standen die meisten Frauen der Frage eher verständnislos gegenüber, nach dem Muster: »Wer braucht denn in unserem Alter noch Sex?« Und Hertha setzte noch einen drauf: »Wenn wir ehrlich sind, sind wir Frauen doch alle froh, dass es mit dem Sex vorbei ist. Stellt euch vor, man müsste sich damit auch noch herumplagen! Das Leben ist schon hart und trostlos genug.« Fast alle nickten. Herthas Statement war so etwas wie eine Befreiung, denn viele empfanden wie sie. Auch sie hatten einen Mann, der ihre Aufmerksamkeit einforderte, in einigen Fällen musste er sogar gepflegt werden. Man tat es, weil man glaubte, ihm das schuldig zu sein, aber es war nicht leicht. Und dann noch Sex? Unvorstellbar. Eine der Frauen wurde mutig und schimpfte, dass ihr Mann seit einiger Zeit diese »blöden blauen Pillen« schlucken würde, Viagra. Vorher sei alles gut gewesen, »im Bett passierte nichts mehr, aber mir machte das nichts aus, und ihn schien es auch nicht weiter zu stören«. Man habe halt abends gelesen oder Fernsehen geguckt, was sei daran schlimm? Doch seit Viagra sei es mit dem Bettfrieden vorbei: »Er kommt jetzt immer wieder angekrochen, grabscht rum, und dann …« Man spürte das Mitgefühl der anderen Frauen, und auch ihr Entsetzen, als sie von der wiederentfachten Lust des Gatten hörten. Und Hertha schauderte es bei dem Gedanken, dass ihr Mann, der am Küchentisch alles verschlang, was man ihm vorsetzte, auch noch Sex von ihr einfordern würde. Ekelhaft! Das wäre dann endgültig zu viel.

Nur ein paar alte Frauen, die ihren sexuellen Frust artikulieren? Nicht nur viele Sexual- und Paartherapeuten würden dies vermutlich so sehen. Genauso wie man Sven als verpeilten Porno-Junkie und Nadja als narzisstische Karrierefrau diagnostizieren könnte. So wie man ein Kind mit Scharlach und einen Mann mit Krebsgeschwür als krank einstuft. Doch ist es wirklich abnormal und therapiebedürftig, wenn man als erwachsener Mensch keinen Sex hat, obwohl man ihn jederzeit haben könnte? Eine Ausnahme ist es jedenfalls nicht mehr. Denn ausgerechnet in Zeiten, in denen es praktisch keine sexuellen Hemmungen mehr gibt, greift mehr denn je die große Lustlosigkeit um sich.

Die sexuelle Revolution frisst ihre Kinder

»Sexualität ist etwas ganz Alltägliches, keineswegs außergewöhnlich, keineswegs spektakulär. Aber Sexualität ist für das menschliche Leben unverzichtbar und daraus nicht wegzudenken.« So schreiben die beiden Psychologen Inge Weber und Almuth...

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