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Mallorca Hasso

Karriere und Wesensart des ehemaligen berüchtigten Schmugglerbosses

AutorWolfgang H.O. Fabian
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl460 Seiten
ISBN9783739267630
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Hasso Schützendorf (1924-2003) hätte als ausgebildeter Meistersänger (Bariton) berühmt werden können, wie vier seiner sechs Onkel. Er aber zog es vor, sich nach Kriegsende (zuvor KZ, Strafbataillon, Fahnenflucht, Todesurteil) als berüchtigter Schmugglerboss und späterer Autokönig von Mallorca (über 4.000 Wagen) und Multimillionär einen europaweiten Namen zu machen. Ende der fünfziger Jahre galt er als der Wirtschaftsstaatsfeind Nr. eins der DDR. So legte er u.a. den Zeiss-Export fast lahm. Etliche Gefängnisaufenthalte waren keine Hindernisse für ihn. Später, als Multimillionär, kürten ihn die deutschen Medien zum König von Mallorca. Doch sein fragwürdiger Charakter, sein Ruf allgemein (bei den Frauen speziell) sowie vor allem sein Wirken im Bereich seines Imperiums waren alles andere als königlich. Er war ein in seinem Betrieb gefürchteter, gefühlloser, ichbezogener Herrscher mit zwei Gesichtern. Nur in der Öffentlichkeit spielte er den großzügigen Menschen- und Kinderfreund; er war das Gegenteil. Das Mallorca Magazin schrieb nach seinem Tod 2003 u.a.: Hasso Schützendorf war einer der schillerndsten und exzentrischsten Persönlichkeiten, die je auf Mallorca lebten. Fabians zweiteilige biografische Geschichte ist ein einmaliges Zeitdokument in belletristischer Form. Nachkriegsschmuggel von der DDR (etwa 100 Gangmitglieder) bis nach Spanien und Südamerika und nach seiner Flucht nach Mallorca der Aufbau einer damals größten Autovermietstation auf den Balearen: das war der lebensgefährliche und später geldschwere Lebenslauf eines einzigen Mannes mit deutschem Pass.

Wolfgang Hermann Otto (H.O.) Fabian wurde am 19.11.1937 in Alfeld/Leine (OT Föhrste) geboren, wo er aufwuchs, Schulen in Alfeld und Hannover besuchte, dazu ein Fernstudium. Vor seiner Pensionierung war er als leitender Angestellter in einem Dienstleistungskonzern tätig. Literarisches Engagement war für ihn ein Ausgleich zu seinem Beruf. Er hospitierte zwei Mal jeweils eine Woche bei Walter Kempowski, erhielt 1987 den Literaturpreis des damaligen Deutschen Autoren-Verbandes e.V. (DAV), wurde vom Kulturamt Hannover als Moderator bei den jährlichen hannoverschen Literaturwochen eingesetzt sowie gelegentlich vom DAV als Dozent in verschiedenen Städten (Arten der Literatur). Beruf und später eine langwierige Erkrankung ließen seine Schriftstellerei ruhen. Seit 2004 ist er wieder umso motivierter bei der Sache. Fabian (verh., drei Kinder) befasst sich hauptsächlich mit dem realen Dasein der Menschen, betrachtet es aber auch sehr gerne historisch und satirisch. Nach Alfeld/Leine, Hannover und Mallorca wohnt er mit seiner Frau seit 2003 in Bad Segeberg.

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Leseprobe

Die Frage, ob sich Edwin Hassos Plan anschließen wollte oder nicht, stellte sich nicht mehr. Hasso ist sich, nachdem er die Schreibmaschinen entdeckt hatte, von vornherein im Klaren gewesen, dass er den früheren Schiebergefährten, der noch keine Gefängnisluft atmen musste, für sich gewinnen werde. Der letzte Anstoß waren dann die von ihm präsentierten Gewinnzahlen. Er selbst war ein Mann, der sich sehr schnell entschied, wenn er plötzlich vor einer Sache stand, die sich aller Voraussicht nach lukrativ für ihn auswirken könnte. Vor solch einer Sache stand er nun. Er dachte an das Heute und die Zukunft, nicht an Vergangenheit und Gefängnisaufenthalte. Natürlich wusste er bei seiner Ankunft in Halle nicht, was sich infolge des Treffens mit Edwin ergeben würde.

Edwin, als DDR-Bürger, kaufte Einkaufstasche und Schreibmaschine selbstverständlich unbehelligt.

Und dann hatte sich Hasso von ihm mit dem Versprechen verabschiedet, am Nachmittag kommenden Montag wieder in Halle zu sein, um aktuell zu berichten und um zu beraten.

„Warte die Ankunft des Zuges ab“, sagte er, bevor er in den Zug zurück nach Hamburg stieg, „wenn ich nicht ausgestiegen bin, ist die Sache in die Hose gegangen … vorerst.“

Hassos Rückreise, mit der DDR-Schreibmaschine in der Einkaufstasche, verlief problemlos. Bereits am Montagmorgen verkaufte er die Maschine dem jungen Büroartikel-Kaufmann, der ihm freudestrahlend die geforderten zweihundert Deutsche Mark in die Hand drückte. „Für dich ist das ein Sonderpreis“, sagte Hasso, worauf er die Antwort erhielt: „Du bist ein dufter Freund! Hoffentlich bereust du es nicht. Für dieses Gerät zahlt mir jeder, der das Geld hat, mindestens vierhundert.“

Hasso hatte wieder einmal mehr etwas in Gang gesetzt, was sehr hohe Gewinne abzuwerfen versprach. Man sollte vermuten, dass er der Einzige weit und breit war, der die Schreibmaschinen-Idee in die Tat umsetzen wollte. Gewiss wurde die eine und andere Büromaschine in der DDR gekauft und in den Westen verschoben, aber nicht in großem Stil. Das aber wollte Hasso ... und er tat es.

In der Folgezeit waren sie anfänglich zwei Mal wöchentlich tätig. Hasso musste sein Studium nicht vernachlässigen und verfügte über die Zeit, die er benötigte, Aufträge zu sondieren, Schreibmaschinen zu übernehmen und dabei Edwin zu entlohnen. Die Kontrollen in den Transitzügen übte die Volkspolizei recht oberflächlich aus. Hasso verringerte sein Kontrollrisiko, indem er sich genau einprägte, wo und wann mit Kontrollen zu rechnen war und wie er ihnen ausweichen konnte. Er ließ es nach seiner dritten Schieberfahrt sogar darauf ankommen und verließ seinen Platz nicht. Die Vopo nahm immer nur Ausweiskontrollen vor, auf das Gepäck der Reisenden aber achtete sie selten. Zukünftig brachte man ihm sogar eine gewisse Achtung entgegen, wenn er seinen Ausweis als Naziverfolgter vorlegte. Einen Großteil der Zeit benötigten die Fahrten, wovon hauptsächlich Hasso betroffen war. Nach drei Wochen vereinbarten er und Edwin, sich nicht mehr in Halle zu treffen, sondern in Magdeburg, da Hasso immer den Weg über Hannover vorzog. Einen Bahnhof als Treffpunkt zu wählen, der dem Grenzübergang Helmstedt am nächsten lag, fanden sie riskant, da es sich nur um kleine überschaubare Haltestellen handelte. In einem Bahnhof mit starkem Publikumsverkehr hingegen konnten sie sich unauffällig bewegen. Er und Edwin mussten sehr umsichtig zu Werke gehen. Edwin durfte als Privatperson, um sich keinem Verdacht auszusetzen, nur ein einziges Mal in einem HO-Laden einkaufen, da der Kauf einer Schreibmaschine penibel registriert wurde.

Nach vier Wochen war ihnen trotz hoher Gewinne die Reisetätigkeit äußerst zuwider geworden, sodass sie sich über ihr weiteres Vorgehen Gedanken machten. Sie kamen zu dem Schluss, eine überschaubare Organisation aufzubauen, was so viel hieß, vertrauenswürdige Personen als Einkäufer zu finden. Diese Aufgabe fiel Edwin zu, der nicht nur zwei ehemalige Alkoholschieber gewann, sondern auch noch einige aus seinem Verwandten- und Bekanntenkreis in Leipzig und Magdeburg.

Es bedurfte nur wenige Tage der Unterweisungen, bis eine Organisation nach Hassos und Edwins Vorstellungen ihre Arbeit beginnen konnte. Das Einkaufen, das Transportieren, die Übergabe der Waren und der Verkauf gingen dermaßen vonstatten, dass Hasso und Edwin ihren letztlich sich selbst gestellten Aufgaben mit Reichs- und Bundesbahn nur noch sehr schwer nachkommen konnten. Also fuhr jeder von ihnen bald einen generalüberholten Opel Olympia, beide Wagen Anfang des Krieges gebaut. Edwins Auto lief auf Hassos Namen und mit Hamburger Zulassung der britischen Zone (BH ...). Es wäre zu auffällig gewesen, wenn Edwin, der sich als einfacher Bürger mit einem Einkommen wie fast jedermann in der DDR plötzlich ein Auto leisten konnte. Inzwischen hatte er es so eingerichtet, dass seine Einkäufer die Schreibmaschinen nicht bei ihm ablieferten, sondern sie im Zug nach Braunschweig oder Hannover transportierten, wo sie die Maschinen Hasso übergaben und gleichzeitig ihren Schieberlohn empfingen. In der Regel lieferte jeder Einkäufer höchstens zwei Schreibmaschinen ab, entweder bei Edwin oder direkt im Westen. Die Zugabteile waren stets dicht besetzt, sodass in der Sowjetzone Gepäckkontrollen kaum zu befürchten waren. Manche Reisende saßen in den Gängen auf ihren Koffern, weitere Gepäckstücke neben sich. Den Grenzübergang bei Helmstedt zu benutzten, war aufgrund des damals noch mäßigen Kraftfahrzeugverkehrs weitaus risikoreicher. Doch von den Schiebern besaß ohnehin niemand ein Auto.

An zwei bestimmten Nachmittagen in der Woche nahm Hasso die Maschinen in Empfang. Für eine pünktliche Lieferung hatte er einen Terminplan ausgetüftelt, für dessen Einhaltung Edwin verantwortlich zeichnete. Am Beginn jeder Woche gab Edwin seinen Terminplan telefonisch an Hasso weiter, wie Abfahrt der Züge und Ankunft. Weil keiner der beiden über ein Telefon verfügte, benutzten sie Apparate, die in den Bahnhofshallen installiert waren, und sie verabredeten mit jedem Telefonat auch den nächsten Anrufzeitpunkt. Da alle Mitglieder der Schieberbande nur an ihr Geld dachten, funktionierte die Terminbewältigung ziemlich reibungslos. Hasso belieferte nicht nur Kunden in Hamburg, sondern, wie bereits oben angedeutet, auch in Braunschweig, Hannover und in deren Nachbarschaften, was ihn bald nicht mehr zwei, sondern vier halbe Tage kostete, mal vor-, mal nachmittags, je nachdem, was ihm die Studienpläne vorschrieben. Aber so konnte es dennoch nicht weitergehen, es sei denn, er gab sein Gesangsstudium auf, was er aber auf gar keinen Fall wollte; dann eher das Warenverschieben aufgeben, aber das wollte er auch nicht.

Bei einem ihrer Treffen in Magdeburg besprachen Hasso und Edwin, wie sie die Zeitnot ausgleichen könnten, ohne die Umschlagfrequenz von Schreib- manchmal auch Rechenmaschinen herabsetzen zu müssen. Ihnen war bewusst, dass dies wahrscheinlich nur mit höheren Risiken verbunden war. Bis Edwin mit dem Vorschlag aufwartete, eventuell Mitarbeiter des Gepäckabfertigungspersonals im Magdeburger Bahnhof einzubeziehen. Der Dienst in der Gepäckabfertigung wurde in drei Schichten erledigt, wobei in einer der Schichten zwei Männer und eine Frau tätig waren, auf die Edwin sein Augenmerk gerichtet hatte. Edwin konnte die Frau für seinen Plan schnell gewinnen, sie war eine frühere Mitschülerin in Halle, der es nicht schwerfiel, auch ihre beiden Kollegen, die natürlich einem Nebenverdienst nicht ablehnend gegenüberstanden, zu begeistern. Dabei half auch Edwins Darstellung, von der Frau weitergegeben an ihre Kollegen, dass es aufgrund eventuell irgendwelcher Verdächtigungen für ihre Vorgesetzten und die Vopo nicht einfach sei, ihnen Ungesetzliches vorwerfen zu können. Und somit waren die Drei mit eingespannt in das Schiebergeschäft, was für sie eine kaum nennenswerte Mehrarbeit bedeutete. Edwins Plan sah vor, die eingekauften Maschinen direkt an die Endabnehmer zu verschicken. Immer dann, wenn seine kleine Gruppe ihren Dienst versah, gab Edwin bei ihr eine unterschiedliche Anzahl gut verpackter Maschinen auf, mit falscher Inhaltsangabe, fiktiven Absender-, aber richtigen Empfängeradressen, und das oft zwei Mal wöchentlich. Diese Pakete verteilte das Trio dann unter andere Gepäckstücke. Das alles wäre unter Umständen auch ohne eingeweihte Hilfskräfte möglich gewesen, doch Hasso und Edwin wollten genau informiert sein, dass einerseits die Pakete nicht einen Stapel für sich allein bildeten, was bei einer Kontrollsichtung schnell zu Verdächtigungen führen könnte, andrerseits – jedenfalls am Beginn der Transaktionen –, welchen Meldepflichten das Gepäckpersonal nachzukommen hatte. Edwins ehemalige Mitschülerin hielt ihn auf dem Laufenden und garantierte ihm die Verschwiegenheit ihrer Kollegen. Pakete, die eindeutig an Privatpersonen in den Westen geschickt wurden, kontrollierte die Vopo nur sehr selten, ankommende aus dem Westen umso gründlicher. Man muss auch dazu sagen, dass Edwins Schreibmaschinen nicht die Ausmaße und das Gewicht späterer großer Büromaschinen aufwiesen, es...

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