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E-Book

Wiener Intrigen, Skandale und Geheimnisse

AutorReinhardt Badegruber
VerlagHaymon
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783709938546
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Wien, wie man es noch nie gesehen hat: morbid, skandalös und höchst vergnüglich! Geheimnisse einer Walzerstadt Küss die Hand, gnä' Frau, habe die Ehre, mein Herr, Sie dürfen sich auf einen Stadtrundgang der etwas anderen Art freuen! Wo Friedrich Torberg in seiner 'Tante Jolesch' die Glanzseiten der Wiener Kaffeehauskultur beschrieb, verschwieg er tunlichst deren Abgründe. Doch jede Stadt hat ihre dunklen Seiten, und Wien hat einige besonders dunkle zu bieten. Oder hätten Sie geahnt, dass ... ... die Ringstraße zeitweise den Namen eines besonders korrupten NS-Gauleiters trug? ... der spätere Revolutionär Leo Trotzki einst im Café Central Schach spielte? ... in so manchem Wiener Kaffeehaus zum Nachtisch Kokain gereicht wurde? Oder dass Österreichs berühmtester Spion sich in einem Hotel in der Herrengasse erschoss? Die 'Stimme Wiens' plaudert aus dem Nähkästchen Wer könnte diese Lücken im 'Mythos Wien' besser füllen als Reinhardt Badegruber? Unter den Bewohnern der österreichischen Bundeshauptstadt genießt der selbsternannte 'Universaldilettant' mittlerweile Kultstatus. Der Moderator des beliebten 'Grätzelquiz' auf Radio Wien flaniert durch bekannte und weniger bekannte Orte der Donaumetropole und offenbart in unterhaltsamen Anekdoten Erstaunliches, Skurriles und Morbides.

Als 1953 in Oberösterreich geborener Kärntner, der im Wiener Exil lebt, ist Reinhardt Badegruber gewissermaßen ein Österreicher par excellence. Auf das Studium der Slawistik und Publizistik in Wien und Warschau folgte eine Karriere als Journalist, die ihn 1983 zum ORF führte. Unter den Bewohnern der österreichischen Bundeshauptstadt genießt der selbsternannte 'Universaldilettant' als Stimme von Radio Wien und Schöpfer von Formaten wie 'Sprechen Sie Wienerisch?', 'Schätzen Sie Wien' und dem 'Grätzelquiz' mittlerweile Kultstatus. Und dem nicht genug, ist Reinhardt Badegruber auch noch Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und der Abteilung Sonderprojekte beim ORF Wien.

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Leseprobe

Latour und Radetzky:


Revolution und Lynchjustiz


Auf dem Platz „Am Hof“ wurde ein Bürgermeister gevierteilt, ein Graf geköpft und ein Kriegsminister aufgehängt. Im Mittelalter stand an Am Hof Nr. 2, also genau dort, wo sich nunmehr das Hyatt Vienna Hotel befindet, der Hof der Babenberger Marktgrafen und Herzoge. 1386 zog an dieser Adresse der Kameliterorden ein, und 1554 folgten die Jesuiten. Zwischen 1775 bis 1913 amtierte hier das Kriegsministerium.

An der Ecke zur Bognergasse ist auf der Außenmauer des Park Hyatt Hotel Vienna eine Gedenktafel angebracht. Sie ist Henri Dunant gewidmet, dem Gründer des Roten Kreuzes. Die Inschrift unter dem Bronzerelief ermahnt: „In der Schlacht bei Solferino besann sich das Weltgewissen zur Pflicht des Erbarmens.“ Dieser Satz klingt an einem Ort wie diesem fast wie eine Bitte um Vergebung und Aussöhnung, denn hinter der Idylle des Platzes Am Hof verbirgt sich eine grausame Vergangenheit. So metzelten Aufständische am 6. Oktober 1848 Österreichs Kriegsminister Theodor Graf Baillet de Latour nieder. Der Grund: Latour war für die Revolutionäre der Teufel schlechthin. Er hatte befohlen, Grenadiere auf Eisenbahnwagons zu verladen und Richtung Ungarn zu verlegen, um bei der Unterdrückung des Kossuth-Aufstandes zu helfen. Ein Wiener Bataillon meutert, solidarisiert sich mit den Revolutionären und zertrümmert die Kaserne in Gumpendorf. Arbeiter fetzen Schienen aus ihrer Verankerung. An der Taborbrücke kommt es zu einem blutigen Gefecht. Den Aufständischen gelingt es, eine Armeekanone an sich zu reißen. Jetzt verliert der Befehlshaber des Gegenangriffes, Generalmajor Hugo von Bredy, die Nerven und befielt den Regierungssoldaten, auf die Rebellen zu schießen. Dreißig Tote werden beklagt. Die Akademische Legion feuert zurück, und Bredley stürzt getroffen vom Pferd. Das Militär zieht ab. Die Revolutionäre marschieren triumphierend in die Innenstadt ein. Sie schleppen zwei Beutekanonen mit sich. Als Trophäen zeigen sie stolz Bredleys Hut und Säbel. Aus Angst vor weiteren Eskalierungen werden nun die Regierungstruppen eiligst aus dem Zentrum abgezogen. Jetzt sitzt der verhasste Kriegsminister in der Falle. Sein Ministerium Am Hof liegt schutzlos da. Die Revolutionäre zerhacken das schwere Einfahrtstor mit Äxten. Die Menge ruft: „Wo ist Latour?“22 Der Gesuchte wird auf dem Dachboden entdeckt und aus dem Versteck gezerrt. Ein Hammer zerschmettert seinen Schädel, ein Säbelhieb spaltet den Kopf. Die Menge ist wie von Sinnen, sie prügelt mit allem, was ihr in die Finger kommt, auf den Körper ein. Erst dann wird der Leichnam über das Pflaster zu einer Laterne geschleift. An ihrem Pfahl wird der blutige Klumpen 14 Stunden lang hängen. Seitdem gibt es in der Wiener Mundart den Ausdruck „laternisieren“. Die kaiserlichen Truppen fackelten indessen nach der Rückeroberung der Innenstadt nicht lange: Die Unglückslampe wird gefällt. Das Laternenanzünder-Postenbuch der englischen Gasgesellschaft hält fest: „Der vor dem Hofkriegsrätlichen Gebäude aufgestellt gewesene Candelaber wurde wegen der am 6. Oktobier 1848 vom Grafen Baillet de Latour, k. k. Feldzeugmeister und Kriegsminister, verübten schändlichen That am 1. November 1848 vom k. k. Militär vernichtet.“23 Und ausgerechnet vor dem Eingang des unglückseligen Reichskriegsministeriums lässt die k. u. k. Bürokratie 1892 ein Reiterstandbild für den Feldmarschall Josef Wenzel Radetzky von Radetz errichten. Das geschieht ohne viel Federlesen, auf kurzem Wege, ohne Wettbewerb und offizielle Ausschreibung. Der Bildhauer Caspar von Zumbusch bekommt den Auftrag und zeigt den Feldherrn hoch zu Rosse, wie er eine Schlacht lenkt: ein ewig junger Haudegen, der gerade innehält. Einstweilen ist der Kriegsheld den Zeitgenossen als ewig alte, graue Eminenz in Erinnerung. Der Kriegsheld demissioniert erst 1858. Da ist er bereits 90 Jahre alt, hat 72 Dienstjahre auf dem Buckel, unter fünf Monarchen gedient und 17 Feldzüge mitgemacht. Seit 1912 steht das Reiterdenkmal vor dem Regierungsgebäude am Stubenring.

Im 15. und 16. Jahrhundert dient der Hof sogar als Richtplatz. Offensichtlich sind grausame Foltern und Hinrichtungen ein Teil eines Eventmarketings, das darauf abzielt, die Besucher- und Käuferfrequenz auf Marktplätzen zu steigern. Die Attraktivität der Richtstätte wächst mit dem Rang der Malträtierten und der Kunstfertigkeit der Folterknechte. Hier, Am Hof, wird am 15. April 1463 Wiens Bürgermeister Wolfgang Holzer während einer blutigen Show hingerichtet. Es ist nicht das erste Mal, dass der reiche Viehhändler und Wendehals gefoltert wird, aber bisher hat die Tortur mit einem Tritt in den Allerwertesten geendet. Nach der Vertreibung aus der Stadt kehrt er triumphierend nach Wien zurück. Seine Widersacher sind gestorben. Und jetzt nützt Holzer seine Chance. Er outet sich als Anhänger Albrechts VI., Bruder des wenig geliebten Kaisers Friedrich III., dem die Wiener Geldgier, Geiz und unmäßige Steuern vorwerfen. Über Friedrich schreibt der Dichter Michael Beheim: „Von keinem lebendigem man/ man nit so ubel reden kann.“24 Friedrich III. befindet sich in einer schmerzhaften Zwickmühle, weil er nicht nur seine Ansprüche in Ungarn und Böhmen verteidigen muss, sondern auch gefordert ist, einer starken, innerösterreichischen Opposition entgegenzutreten. Seine Gläubiger machen Druck. Trotzdem steckt der Kaiser enorme Mittel in den Ausbau seiner „steirischen“ Reservehauptstadt, Wiener Neustadt. In seiner Not verkauft der Kaiser Münzprägerechte und lässt Moneten mit sehr geringem Silbergehalt schlagen. Die Städter schreien Alarm. Von welchem Nutzen soll ein Kaiser sein, der gierig und schwach ist, gelingt es doch Seiner Majestät nicht einmal, sichere Zufahrtswege nach Wien zu garantieren. Im St. Pöltner Raum lauert die Bande des Räuberhauptmanns Gamaret Fronauer auf Beute. Das ist einer der Gründe, warum sich die Wiener auf die Seite Albrechts VI., dem Bruder des Kaisers, schlagen. Am 25. August 1462 gelingt es Friedrich nur noch mit Müh und Not seinen Einzug in Wien zu erzwingen. Er benötigt dafür die Hilfe von 2.500 Söldnern. Weil es dem Herrscher aber an dem nötigen Kleingeld für den Sold fehlt, verselbständigt sich ein Teil der Berufssoldaten und plündert die Bauernhöfe und Weingüter um Wien. Das versetzt die Bürger erst recht in Rage. Sie belagern gemeinsam mit Bruder Albrecht die Burg (an der Stelle des heutigen Schweizerhofs/Hofburg) und beschießen mit kopfgroßen Steinen das Schlafzimmer der Kaiserin. Die Meute freut sich, dass der Hocharistokratie die Lebensmittel ausgehen. Sie spottet: „Hund, kaczen werden gegessen gar/ und ain geir, was wol dreißig jar/ gesund an disem Hof gewest“25, und macht sich über die noblen „Fräwlin“ lustig: „dy hindern sy enplagten (entblößten).“ Die Lage scheint ausweglos. Aber in diesem Augenblick taucht ausgerechnet der Böhmenkönig Georg Podiebrad mit einem überlegenen Heer vor der Stadt auf und kommt dem Kaiser zur Hilfe. Am 4. Dezember kann Friedrich mit Ach und Krach aus der stark zerstörten Burg entkommen, muss sich jedoch verpflichten, gegen Bezahlung seinem Bruder für acht Jahre die Regierung in „Österreich unter der Enns“ (Niederösterreich) zu überlassen. Erzherzog Albrecht hat somit „gesiegt“, wird aber schon bald von der „Krankheit“ seines Vorgängers befallen. Er leidet unter Geldknappheit. Albrecht versucht nun ausgerechnet das, was schon seinen Bruder Sympathie und Macht gekostet hat: Er zieht die Steuerschraube an. Nun proben die Bürger ein weiteres Mal den Aufstand, und Bürgermeister Holzer wechselt blitzschnell die Fronten. Er sucht Kontakt zu seinem früheren „Gegner“ Friedrich. Aber, Holzers Putschversuch im Jahre 1463 misslingt. Der Bürgermeister stiehlt sich wieder einmal aus der Stadt, begeht nun jedoch einen verhängnisvollen Fehler. Er will noch einmal heimlich zurückkehren, wird dabei entdeckt, gefangen genommen und auf Befehl Albrechts Am Hof hingerichtet. Trocken hält der Chronist Michael Beheim fest: „Zu vi virtailn tailten sy in/ und hiengen in für vir tar (Tore) hin/ sein haubet auf dy mauern wart/ gestekt nach haidenischer art.“26 Ein nicht minder grausames Schicksal widerfährt Ferdinand von Hardegg. Der Graf wird am 16. Juni 1595 zum „Tode mit dem Schwerte“ verurteilt, verschärft „durch Abhauung der rechten Hand“. Hardegg wird vorgeworfen, als Kommandant der Festung Raab ohne „höchste Not“ die Verteidigungsanlage nach nur fünftägiger Belagerung durch Sinan-Pascha an die Türken kampflos übergeben und wertvolle Vorräte zurückgelassen zu haben. Und das alles nur im Austausch für einen billigen Abzug von 1.000 italienischen und 5.000 deutschen Söldnern.

Im diagonal gegenüberliegenden Eck zum einstigen Kriegsministerium steht Am Hof Nr. 10 das alte Bürgerliche Zeughaus. Ein goldener Globus leuchtet von seinem First. Das Gebäude wird im 16. Jahrhundert auf dem Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhofs errichtet. Jahrhunderte hindurch dient das Haus als...

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